„Amazon ist Deutschlands größter Non-Food-Händler“: Interview mit Prof. Gerrit Heinemann.

von Florian Treiß am 14.Februar 2017 in Interviews, News

Professor Gerrit Heinemann

Plus von fast 20 Prozent: Amazon hat im vergangenen Jahr knapp 13 Mrd Euro in Deutschland umgesetzt – und ist, auch wenn man das Marktplatzgeschäft und die Amazon Web Services (AWS) herausrechnet, mittlerweile „Deutschlands größter Non-Food-Händler“, wie Prof. Dr. Gerrit Heinemann sagt. Wir haben den Handelsforscher der Hochschule Niederrhein gebeten, die Jahreszahlen von Amazon und das Deutschlandgeschäft des US-Konzerns näher zu beleuchten. Zudem zieht er daraus Schlüsse für Deutschlands Einzelhandel. Heinemann moniert in unserem Interview, dass der deutsche Einzelhandel zwar überwiegend realisiert hat, „zu welch einer Gefahr sich insbesondere der Innovator Amazon entwickeln kann.“ Doch trotzdem werde bei den meisten Unternehmen immer noch „gekleckert, aber nicht geklotzt“.

Location Insider: Sie haben die Jahreszahlen von Amazon genauer unter die Lupe genommen. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Amazon?

Gerrit Heinemann: Der deutsche Markt ist der wichtigste Auslandsmarkt von Amazon! Mit über 14,1 Mrd Dollar bzw. 12,8 Mrd Euro werden 10,4 Prozent aller Amazon-Umsätze in Deutschland erzielt, allerdings beinhalten diese auch Exportumsätze, insbesondere nach Österreich und in die Schweiz. Die Nummer 2 – Japan – kommt nur auf ca. 10,8 Mrd Dollar – und UK mit Platz 3 auf rund 9,5 Mrd Dollar.

Location Insider: Wie groß ist Amazons Deutschlandgeschäft im Vergleich zu anderen Konzernen?

Gerrit Heinemann: Ohne das Marktplatzgeschäft und die Amazon Web Services (AWS) – also mit echtem Einzelhandel – kommt Amazon auf dem deutschen Markt auf rund 9,5 Mrd Euro Einzelhandelsumsatz netto und ist damit größter Non-Food-Händer in diesem unserem Land – und somit auch größer als die Media-Saturn-Holding hierzulande. Rechnet man die Provisionsumsätze des deutschen Marktplatzgeschäfts von über 2 Mrd Euro hoch, dann kommen annähernd 9 Mrd Euro Handelsvolumen des Marktplatzgeschäfts dazu, allerdings inklusive Exporte. Macht zusammen rund 17,5 Mrd. Umsatz netto ohne Exportumsätze nach Österreich und in die Schweiz unter der Marke und Datenkontrolle von Amazon auf dem deutschen Markt. Die mindestens 20% Wachstum dieses Jahr heißen dann noch einmal zusätzlich 3,5 Mrd Euro Umsatz am Ende diesen Jahres – mehr als doppelt so viel wie Kaiser’s Tengelmann zuletzt umsetzte…

Location Insider: Welche Schlüsse sollte Deutschlands Einzelhandel daraus ziehen?

Gerrit Heinemann: Mehr zu tun und das Thema nicht länger als „Non-Profit-Veranstaltung“ abzutun. Wie wir schon aus den Lehrbüchern von Joseph Schumpeter wissen, können disruptive Technologien im Zeitverlauf ein starkes Wachstum aufweisen und vorhandene Märkte bzw. Angebotsformen völlig verdrängen. Diese Gefahr besteht derzeit auch im deutschen Einzelhandel. Dieser hat zwar überwiegend realisiert, zu welch einer Gefahr sich insbesondere der Innovator Amazon entwickeln kann. Trotzdem wird immer noch „gekleckert, aber nicht geklotzt“. Die ersten stationären Händler – und da möchte ich nach Sichtung der Bilanz einmal Hornbach positiv hervorheben – haben offensichtlich aber verstanden: so deute ich die mehr als 220 Mio Euro digital investings dort, die sich bis Ende 2019/2020 noch einmal verdoppelt haben werden. Hut ab!

Location Insider: Die Zahlen zeigen auch, dass der Amazon-Marktplatz in Deutschland floriert und letztes Jahr annährend 9 Mrd Euro Handelsvolumen hatte. Welchen Händlern würden Sie raten, Amazon „zu umarmen“ und beim Marktplatz mitzumachen – und welchen eher nicht?

Gerrit Heinemann: Das ist ganz schwer zu sagen! Viele Hersteller, wie wir bei Adidas gesehen haben, kommen ja sogar gerichtlich nicht gegen den Verkauf ihrer Waren dort an. Für die meisten Hersteller stellt sich deswegen eher die Frage wie, aber nicht ob, also als Vendor oder Marktplatzpartner. Ich sage mal so: Wer nicht muss, sollte auch nicht unbedingt, denn bedingt geht nicht dort. Ich vergleiche die Zusammenarbeit mit Amazon mit einem Gang in den Tigerkäfig: Man sollte wissen, was man tut und die Peitsche dabei haben, benötigt allerdings auch eine Dompteurausbildung. Trotzdem beisst der Tiger schon mal dem Dompteur den Kopf ab…

Location Insider: Vielen Dank für das Gespräch!


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