BLE vs. NFC: Beacon, die Zukunft des Handels? Ein Überblick.

von Christian Bach am 17.Februar 2014 in Trends & Analysen

Stationäre Händler haben ein Problem: Ihnen läuft die Kundschaft weg. Der Weg zum Laptop daheim ist oft kürzer als der Weg in den Laden – vor allem im Winter. Onlineshops sind eine ernstzunehmende Konkurrenz für stationäre Geschäfte geworden. Ein Umsatzrekord jagt den nächsten. Stationäre Händler suchen verzweifelt nach Möglichkeiten ihren eigenen Umsatz zu steigern oder ihn zumindest stabil halten. Andersherum gehen viele Online-Händler den umgekehrten Weg: Sie eröffnen Ladengeschäfte, vor allem Showrooms. Dort sollen Kunden das machen können, was sie bislang virtuell nicht oder nur unzureichend tun konnten: Anprobieren, sich beraten lassen, das Produkt ausprobieren und anfassen. Die Kunden sollen zurück in den Laden gelockt werden, sich darin zurechtfinden, zum Kaufen angeregt und auch schneller bedient oder abkassiert werden. Auf der anderen Seite ist der Großteil der Kunden an Angeboten aus der unmittelbaren Umgebung interessiert. Sie stehen dem stationären Handel aufgeschlossen gegenüber, wollen bedarfsgerechte, personalisierte Angebote haben und kein Werbespam. Bisher war es schwer die Wünsche der Kunden und die Nöte der Händler in Einklang zu bringen. Die Beacon-Technologie könnte eine Lösung dafür sein. In den USA setzen Apple, Macy’s und American Eagle die auf Bluetooth basierende Lösung bereits ein. Aber welche Potenziale bietet die Beacon-Technologie tatsächlich?

Was sind Beacons?

iBeaconBeacons sind Funksensoren, die mittels des Übertragungsstandards Bluetooth-Low-Energy (BLE) innerhalb eines Radius’ weniger Meter eine Verbindung zu Bluetooth-fähigen Mobilgeräten herstellen können. Einfach gesagt: Der virtuelle Marktschreier für den stationären Einzelhandel. Denn Händler, die diese Technik einsetzen, könnten mit vorbeigehenden oder bereits im Laden befindlichen Kunden kommunizieren. Apple ist einer der Vorreiter in Sachen Beacons und hat mit iBeacon eine eigene Lösung an den Start gebracht. Die Lösung basiert auf der Bluetooth-Low-Energy-Funktechnik, die auch Bluetooth 4.0, Bluetooth Smart oder einfach kurz BLE genannt wird. Die Erweiterung des bisherigen Bluetooth-Standards ist derzeit mit iOS 7 und Android 4.3 kompatibel. Im März will das US-Startup Datzing und das deutsche Startup Yoints eine entsprechende App launchen. Beide Lösungen können kompatible Geräte auf kurzer Distanz orten und sind damit für die Indoor-Navigation oder standortbasierte mobile Werbung prädestiniert. Die Bluetooth-Module – sprich die Beacons – müssen am Verwendungsort installiert werden. Die Hardware kann in unterschiedlicher Form verpackt werden, sei es in Form einer Münze, eines USB-Sticks oder eines Stabs. Die Angabe zur Genauigkeit schwankt etwa zwischen 10 und 30 cm. Die Reichweite der Beacons liegt bei rund 10 Metern. Innerhalb dieses Umkreises kann das System, falls es das soll, anderen Geräten Nachrichten schicken.

Wo ist die Beacon-Technologie bereits im Einsatz?

AppleiBeaconApple hat iBeacons bereits in seinen 254 Apple Stores in den USA installiert. Wie bereits angedeutet hat BLE mehrere Einsatzgebiete im lokalen Handel (siehe Grafik): Unternehmen können potenziellen Kunden innerhalb der genannten Reichweite Push-Nachrichten schicken. Diese können Rabatte, Gutscheine, Produktinformationen uvm. enthalten. Der Fantasie der Händler sind dabei keine Grenzen gesetzt. Vor der Anwendung muss der Nutzer jedoch der Benachrichtigung zustimmen bzw. ein Bluetooth-fähiges Mobilgerät besitzen. Nutzer können zudem per Suchfunktion ein Produkt orten, sich zu diesem navigieren oder sich weiterführende Produkt-Informationen anzeigen lassen. „BLE ist weit mehr als ein technischer Übertragungsstandard für das Mobile Payment. Aufgrund der Indoor-Navigation wird das stationäre Einkaufen potentiell revolutioniert“, sagt Achim Himmelreich, Partner bei Mücke, Sturm & Company. Laut Himmelreich steht BLE eine rosige Zukunft bevor. Um den Checkout-Prozess zu beschleunigen, ist mobile Bezahlung ebenso denkbar. Folgendes Szenario ist freilich noch schwer vorstellbar: Der Kunde stöbert in einem Ladengeschäft, bekommt einen Coupon, informiert sich über das Produkt, löst den Coupon beim Check-out über das Smartphone ein und bezahlt ohne an der Kasse angestanden zu haben. Beim Verlassen des Ladens erhält der Kunde Bonuspunkte, eine Event-Benachrichtigung oder ein Hinweis zum nächsten verkaufsoffenen Sonntag.

Welche Vorteile, Nachteile und Konkurrenten gibt es?

Der größte Vorteil von BLE liegt im geringen Stromverbrauch. Smartphone-Nutzer müssen ihre Geräte bei intensivem Gebrauch mindestens alle 24 Stunden laden. Dabei müssen sie strikt auf die aktiven Anwendungen und Verbindungen achten, da diese viel Strom verbrauchen. Daher wird der bisherige Bluetooth-Standard im Alltag kaum dauerhaft genutzt. Außerdem erhöht BLE die Genauigkeit der Navigation und ermöglicht die mobile Bezahlung. Im Vergleich mit dem Übertragungsstandard Near Field Communication (NFC) verbraucht dieser mehr Strom und ist teurer in der Anschaffung – zwei handfeste Argument für Beacons. „BLE wird voraussichtlich aufgrund von Funktionalität und günstigen Kosten die NFC-Technologie zur Vergangenheit werden lassen, bevor diese überhaupt Gegenwart werden konnte“, sagt Himmelreich. Die Hersteller müssen diese Vorteile erkennen, um neue Versionen mit Bluetooth 4.0 zu bestücken. Zahlenmäßig scheint dieser Kampf bereits entschieden: Schon jetzt laufen 180 Mio Smartphones auf iOS 7. NFC wird dagegen nur von einigen Endgeräte unterstützt. Eigentlich glaubt Mobile-Business-Experte Key Pousttchi an diesen Standard: „NFC ist die perfekte Technologie für mobile Bezahlvorgänge. Sie ist durch den Berührungsvorgang intuitiv und weist hohe systeminhärente Sicherheit auf. Der Kunde versteht sie und nimmt sie in Windeseile überall an, wo der Markt sie einfach und sinnvoll umsetzt.“ Aber: „Leider hat das in den vergangenen 10 Jahren keiner getan“, führt er fort. Fünf Prozent der Gesamtverkaufsfläche des deutschen Einzelhandels könnte hingegen für 1,5 Mio Euro mit iBeacon ausgestattet werden, so eine Analyse der Managementberatung Mücke, Sturm & Company. „BLE sorgt aufgrund der geringen Kosten dafür, dass Investitionshemmnisse im Einzelhandel verschwinden können. Die Technik befindet sich derzeit im letzten Testzyklus, so dass wir 2014 die ersten Versuche in der Fläche sehen werden“, so Himmelreich. Erst wenn Smartphone-Hersteller die Technik einsetzen und die Händler Mehrwert hinzufügen, werden Kunden sie auch nutzen. „Sie sind die perfekte Technologie, wenn man den Kunden überall verfolgen (und dies auswerten) und dabei mit ihm kommunizieren möchte“, so schätzt Pousttchi die BLE-Technik ein.

Wie fallen die ersten Erfahrungen der Händler aus?

BudniMacy’s war einer der ersten Anbieter von iBeacon in den USA. Nach erfolgreicher Pilotphase iBeacon nun in mehreren Geschäften installiert werden. Entsprechende BLE-Funksensoren sind bereits bei Macy’s am Union Square in San Francisco und am Herald Square in New York City im Einsatz. American Eagle hat Shopkicks iBeacon bereits 2009 genutzt und inzwischen 100 stationäre Geschäfte in den USA damit ausgerüstet. Da die Läden von Macy’s größer sind, lohnt sich der Einsatz der iBeacons besonders für die Indoor-Navigation. Die Drogeriekette Budni hat die Nahfeldkommunikation iBeacon relativ zeitig eingesetzt. Dabei sammeln Kunden beim Betreten des Ladens Punkte.  “Wir belohnen damit die Aufmerksamkeit unserer Kunden”, sagt Andreas Jobmann, Leiter für Werbung und Kommunikation.

Welche Anbieter gibt es in Deutschland?

In Deutschland hat sich Yoints als Beacon-Anbieter positioniert. Das Hamburger Startup vertreibt Hard- und Software für BLE-Kampagnen. „Die iBeacon-Technologie hält viele Möglichkeiten für den deutschen Markt bereit. Gerade in Verbindung mit clever gestalteten Apps verfügen iBeacons über ein gewaltiges Potenzial. Dem Einzelhandel eröffnen sich dadurch zahlreiche neue Wege zur wirtschaftlich sinnvollen Kundenansprache“, sagte Yoints-Manager Sarik Weber im Januar. Sensorberg, ein weiterer deutscher iBeacon-Anbieter, erhielt 750.000 Euro vom Berliner Wagniskapitalfinanzierer Berlin Technologie Holding (BTH). “Im stationären Handel werden insgesamt immer noch 90 Prozent des Umsatzes erzielt. Das ist eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, wie stark der Offline-Handel dem Online-Geschäft technologisch hinterherhinkt. Das Potential liegt eindeutig im vernetzen beider Welten”, sagte BTH-Gründer Joern-Carlos Kuntze damals gegenüber mobilbranche.de. Beide Unternehmen wollen ab März jeweils ein möglichst flächendeckendes Beacon-Netz aufbauen. Im Februar 2014 stieß der Anbieter Shopnow hinzu, der Hullhuber in Berlin und Witty Knitters in Hamburg damit ausstattet. Im zweiten Halbjahr 2014 kommt ein weiterer Player im europäischen Markt hinzu: PayPal. Die eBay-Tochter testet immer wieder mehr oder weniger innovative Bezahlkonzepte, die den stationären Handel und die mobile Welt miteinander vernetzen. Seit Ende letzten Jahres erprobt PayPal gemeinsam mit Orderbird, einem Anbieter für iPad-Kassensysteme, seine neue Bezahlmethode. Das neue Bezahlverfahren, bei dem es sich um eine Erweiterung der bereits verfügbaren PayPal-App handelt, knüpft an das – durch Dienste wie Foursquare bekannte – Check-In-Prinzip an und ermöglicht die Identifizierung des Kunden über sein Gesicht. Das Pilotprojekt läuft ab sofort in insgesamt zehn Cafés und Restaurants rund um den Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte. Die Frage nach der Bezahlung der Zukunft stellt sich für Paypal-CEO David Marcus eigentlich nicht: “Ich wäre schockiert, wenn man in vier Jahren in großen Städten zum Einkaufen noch seine Brieftasche mitnehmen müsste”. Nutzer dürfen gespannt sein, wie sich das Beacon-Rennen in den kommenden Monaten und Jahren entscheidet.

NFC vs. BLE

Der so häufig proklamierte Payment-War ist auch ein Wettrennen der Übertragungsstandards. Das US-Beratungsunternehmen Pyrim Technologies hat in einer Infografik die Unterschiede der beiden Technologien veranschaulicht. Während mit Bluetooth eine vergleichsweise alte Technologie, die schon die Nokia-Geräte Anfang der 2000er Jahre unterstützten, seinen zweiten Frühling erlebt, wird Near-Field-Communication immer häufiger zum Scheitern verurteilt. Dabei können die beiden Übertragungstechnologien unterschiedlich eingesetzt werden. Während NFC hierzulande häufig zum Bezahlen mit dem Smartphone und entsprechenden Bezahlterminals genutzt (bzw. angeboten) wird, gehen die Anwendungsszenarien für Bluetooth Low Energy (BLE) oft darüber hinaus. “Vernetzen werden wir uns künftig auf diese Weise aber nicht nur mit Supermärkten, sondern auch mit Plakaten, U-Bahnen, Museen, Flughäfen und unserer Wohnungseinrichtung. Unser Smartphone wird so unseren Mietwagen “customizen” und unser Hotelzimmer einrichten. Und irgendjemand wird alle diese Dienste ermöglichen”, so Mobile-Business-Experte Key Pousttchi in seiner kürzlich erschienenen Kolumne zu NFC und Beacons. Beacons sind Funksensoren, die innerhalb eines Radius’ von 10 bis 30 Metern eine Verbindung zum Smartphone der Kunden aufbauen können. NFC ist dagegen eine Art Funkschlüssel, der entweder direkt im Mobilgerät oder auf Aufklebern installiert werden kann. Über passive HF-RFID-Tags kann eine kontaktlose Verbindung hergestellt werden. Ein klarer Vorteil für Bluetooth Low Energy ist, dass es von Smartphones aller Hersteller unterstützt wird, wohingegen Apple-Geräte keine NFC-Konnektivität besitzen. Dafür ist NFC sowohl über Android, Windows Phone als auch Blackberry empfangbar, während BLE bis dato nur ab Android 4.3 und iOS7 unterstützt wird.

BLENFC

retailcustomerexperience.com

Die Infografik erschien inklusive des letzten Absatzes bereits bei unserem Schwesterportal mobilbranche.de. Sie gibt einen guten Überblick über die Vor- und Nachteile von NFC und BLE.


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