Eindrücke vom Forum Handel 4.0: „Klotzen gegen Amazon“.

von Fritz Ramisch am 21.April 2015 in Highlight, News, Trends & Analysen

forum handel 4.0Der Handelsverband Deutschland (HDE) will die Digitalisierung des Handels stärker in den Fokus rücken und hat dazu am Montag den Startschuss zur neuen Veranstaltungsreihe „Forum HANDEL 4.0“ im Berliner BASE_camp gegeben. Als Botschafter für dieses Anliegen war Prof. Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein am Start – der Experte für die Digitalisierung des Handels schlechthin. Seit Jahren weist Heinemann gebetsmühlenartig Händler auf die Chancen der Digitalisierung hin. In einem spannenden Vortrag wusch Handelsexperte Heinemann den anwesenden Händlern einmal mehr ordentlich den Kopf und belegte mit eindrucksvollen Zahlen, dass der deutsche Handel in Sachen Digitalisierung einen Gang höher schalten muss. So haben einer Studie von Locafox zufolge nur 84 Prozent der 25 größten Einzelhändler in Deutschland einen eigenen Onlineshop, mehr als ein Drittel davon ist allerdings nicht für Mobilgeräte optimiert. Bei rund 35 Mio mobilen Internetnutzern in Deutschland (AGOF) sei die Präsenz auf dem Smartphone längst kein Add-On, sondern Voraussetzung, so Heinemann. Gerade die mobile Produktrecherche und Infos über lokale Verfügbarkeiten in der Nähe seien eine große Chance für den lokalen Handel. Der Preis sei zwar ebenfalls wichtig, werde aber über den Lokalbezug relativiert. „In Deutschland hört die Digitalisierung oft an der Händlertür auf. Smartphone-Verbote im Laden sind das beste Beispiel dafür“, so der Handelsexperte. Dabei könnten Händler die Online-Umsatzverlagerung zu ihrem Vorteil nutzen und durch die geschickte Verbindung mehrerer Kanäle den Onlineumsatz mitnehmen. Dazu sei allerdings eine allumfassende Multichannel-Strategie notwendig. Der Großteil der deutschen Händler habe aber keine echte Multichannel-Strategie, sondern biete nur einige Insellösungen an. Die Basis des lokalen E-Commerce sei deshalb ein elektronisches Warenwirtschaftssystem, das die Verkaufskanäle vernünftig miteinander verbindet.

US-Player wachsen rasant: „Klotzen gegen Amazon“

US-Händler wie Amazon und Co vereinnahmen mittlerweile über 60 Prozent am gesamten Onlinehandel nach Handelsvolumen – Tendenz steigend. „Klotzen gegen die Feuerwalze Amazon“ sei deshalb angesagt, so Heinemann. Man dürfe den Markt nicht kampflos den US-Playern überlassen. Allein Zalando mischt vorn mit. Deshalb müssten wir stolz sein, dass wir überhaupt ein Zalando in Deutschland haben, sagte Heinemann. Ein probates Mittel, um Amazon etwas entgegen zu setzen seien z.B. Verbundgruppen. Die stünden in der Pflicht dem lokalen Handel zu helfen, so Heinemann. Ebenfalls interessant sind regionale Marktplätze wie beispielsweise in Wuppertal oder temporäre Verkaufsflächen (Pop-Up-Stores). Regionale Marktplätze seien allerdings noch Testballons, deren Erfolg man wohl erst nach ein bis zwei Jahren einschätzen könne. Dass selbst große Warenhäuser die digitale Transformation innerhalb kürzester Zeit erfolgreich meistern können, zeigte Heinemann am Beispiel der US-Handelskette Macy’s. Auch in Deutschland gibt es in Sachen Digitalisierung Vorzeige-Händler wie etwa Butlers, die ihre Kunden vom heimischen Computer aus in einer 360°-Video-Livechatberatung durch den Laden führen.

Rahmenbedingungen für Digitalisierung schaffen

Doch nicht nur die Händler selbst, sondern auch die Politik sei gefragt und müsse vernünftige Rahmenbedingungen schaffen. Vor allem bei der Netzinfrastruktur und der Wlan-Abdeckung habe Deutschland akuten Nachholbedarf. Auch die Reglementierung bei den Öffnungszeiten sei nicht mehr zeitgemäß. In Sachen Ausbildung und Finanzierung müsse ebenfalls mehr gemacht werden. „Es kann nicht sein, dass wir in einem E-Commerce-Studiengang aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Tracking-Analysen durchführen können“, moniert Heinemann.

Der Handel der Zukunft? Der Mix macht es.

Der Handel muss in die Pötte kommen, damit der Onlinehandel nicht komplett ins Ausland abwandert. Dabei müssten die Kanäle geschickt miteinander verzahnt werden. Der Mix macht es. Einen möglichen Masterplan hatte Heinemann auch im Gepäck: In Zukunft wird es zu einer Kombination aus Kernladen mit Bedienung, Showroom, Pop-Up-Store, automatisiertem Store und Multichannel-Points kommen, so Heinemann. Bei der Frage, wie denn der Handel in der nächsten Generation aussehe, musste aber selbst Prof. Heinemann kapitulieren.

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