Euronics und Expert binden lokale Händler in das Online-Geschäft ein.

von Matthias Hell am 09.September 2014 in Local Heroes

Wer in Deutschland im Handel mit Unterhaltungselektronik aktiv ist, kommt nicht an den marktbeherrschenden Verbundgruppen Electronic Partner (EP), Euronics und Expert vorbei. Die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin bietet dabei eine gute Chance, die Strategien der Wettbewerber miteinander zu vergleichen. Dabei zeigte sich in diesem Jahr ein klarer Trend zu lokalisierten Online-Angeboten, bei welchen die Händler vor Ort in das E-Commerce-Geschäft eingebunden werden.

Electronic Partner demonstriert, wie schwer sich Verbundgruppen mit dem Online-Geschäft tun

Electronic Partner demonstriert, wie schwer sich Verbundgruppen mit dem Online-Geschäft tun

Wie bereits die Local-Heroes-Beiträge aus der Sport- und Einrichtungsbranche zeigten, stellen sich Verbundgruppen im Hinblick auf das Thema E-Commerce besondere Herausforderungen: Aufgrund ihrer dezentralen Aufstellung macht es für die Verbünde in der Regel wenig Sinn, einen klassischen, an ein Zentrallager angeschlossenen Onlineshop zu starten. Stattdessen gilt es, die Händler vor Ort in das E-Commerce-Konzept mit einzubinden. Das kostet Zeit und erhöht die Komplexität, führt im besten Fall aber auch zu Ergebnissen, die eine überzeugende Kombination der Dimensionen Online und Stationär bewerkstelligen.

Wie schwierig die Herausforderung E-Commerce ist, darüber können auch die Unterhaltungselektronik-Verbünde ein Lied singen: EP baute zunächst einen zentralen „Netshop“ auf, musste diesen jedoch 2010 wegen des anhaltenden Widerstands der Mitglieder schließen. Seitdem gab es verschiedene Pläne zu einer Rückkehr in den Online-Handel, die dann wieder aufgegeben wurden. Auch im Umfeld der IFA 2014 hielt sich EP im Hinblick auf künftige Online-Pläne bedeckt.

Expert-Händler liefern direkt an die Kunden

Nach zwei Jahren wagt Expert endlich den Schritt zu einem "echten" Onlineshop

Nach zwei Jahren wagt Expert endlich den Schritt zu einem „echten“ Onlineshop

Expert startete den Aufbau seiner E-Commerce-Plattform vor zwei Jahren, musste sich seitdem aber so manchen Spott gefallen lassen. Zwar sprach die Verbundgruppe von Anfang an davon, im Rahmen eines modularen Konzepts Schritt für Schritt vorgehen zu wollen. Dass Expert aber Mitte 2014 – mehr als ein Jahr nach dem Start seines Onlineshops – weiterhin nur einige Dutzend wöchentlich rotierende „Jubel-Angebote“ im Internet anbot, wirkte schon arg betulich. Im Juni stellte die Verbundgruppe nun die nächste Ausbaustufe ihres – erstmals diesen Namen wirklich verdienenden – Onlineshops dar: Kunden werden dabei automatisch dem nächstgelegenen Expert-Händler zugeordnet und bekommen die von diesem festgelegten Preise für das Online-Angebot dargestellt. Damit bringt Expert endlich nicht nur ein umfassendes Produktangebot mit Preisen ins Internet, sondern werden auch die jeweiligen stationären Verfügbarkeiten angezeigt.

Sowohl von der Händler-Zuordnung wie auch von den je nach Filial-Einzugsgebiet unterschiedlichen Preisen hat der Kunde nichts – sie entsprechen lediglich den internen Erfordernissen von Expert, eine von allen Mitgliedern der Verbundgruppe akzeptierte Online-Lösung zu finden. Interessant ist jedoch der mit der Abgabe einer Bestellanfrage – Expert verzichtet auf eine direkte Online-Kaufmöglichkeit – einsetzende Prozess: nach der Rückmeldung durch den Händler kann der Kunde entscheiden, ob er den Artikel in der Filiale abholen oder nach Hause geliefert bekommen möchte. In letzterem Fall wird die Ware durch den Händler vor Ort zum Wunschtermin – der durchaus auch einer „Same-Day-Delivery“ entsprechen kann – gebracht. Auf diese Weise entstehen zusätzliche Berührungspunkte zwischen Kunde und Händler, die z.B. zur Inanspruchnahme von Beratung, Service-Leistungen oder dem Kauf von Zubehörartikeln genutzt werden können.

Euronics bildet online individuelle Händlerprofile ab

Euronics setzt unter den Elektronik-Verbünden auf die anspruchsvollste E-Commerce-Strategie

Euronics setzt unter den Elektronik-Verbünden auf die anspruchsvollste E-Commerce-Strategie

Ähnlich, aber noch ambitionierter ist das Online-Konzept von Euronics. Die Verbundgruppe hat schon einige Jahre Erfahrung mit einem zentral geführten Onlineshop, der Umsätze den Händlern vor Ort zurechnete und auch eine Pickup-Möglichkeit umfasste. Allerdings wurde der Shop weder von den Kunden noch von den Euronics-Händlern besonders gut angenommen. Im November wagt die Verbundgruppe nun den Neustart. Auf Basis der Shop-Lösung Shopware hat Euronics eine Mischung aus Onlineshop und Marktplatz konzipiert. Euronics-Händler können ihren Shop je nach Wunsch mit Artikeln aus dem Warenangebot der Verbundgruppe sowie individuellen Produkten befüllen. Sucht ein Kunde über den Onlineshop ein Produkt, wird ihm das Angebot des nächstgelegenen Händlers angezeigt, der den Artikel verfügbar hat. Der Kunde kann daraufhin zwischen der Abholung vor Ort und dem Versand der Ware entscheiden.

Ein Vorteil des Konzepts von Euronics ist, dass es innerhalb einer einheitlichen Online-Plattform Platz für individuelle Sortimente – und damit auch individuelle Händler-Profile – schafft. So gibt es innerhalb der Verbundgruppe Händler, die in ihren stationären Geschäften z.B. auf Hi-Fi oder Home-Cinema spezialisiert sind und dieses so auch adäquat online darstellen können. Zum anderen hat Euronics in sein Online-Angebot auch Service-Dienstleistungen mit eingebunden. Im Unterschied zu anderen Elektronikketten werden diese allerdings nicht separat dargestellt und lediglich zur Anfrage angeboten. Bei Euronics sind Dienstleistungen als „Produkte“ in den Onlineshop integriert und können – z.B. bei der Bestellung eines durch einen Fachmann anzuschließenden Geräts – gleich online mitgekauft werden. Damit wird nicht nur die Service-Kompetenz der angeschlossenen Fachhändler im Netz sichtbar, sondern wird auch den Kunden ein Erledigungsschritt abgenommen.

Euronics und Expert sind damit gute Beispiele dafür, dass lokalisierte E-Commerce-Angebote den Kunden im Vergleich zu einem konventionellen Onlineshop handfeste Mehrwerte bieten können. Die Frage ist nur, inwieweit dies von den Konsumenten auch entsprechend angenommen wird und nicht bereits Amazon und Co. die Erwartungshaltung für den Leistungsumfang von Handelsangeboten im Internet entsprechend limitiert haben.


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