Interview: PayPal-Deutschland-Chef Arnulf Keese über Mobile-Payment-Lösungen für den stationären Handel.

von Matthias Hell am 27.März 2014 in Interviews

arnulf_keese_paypal_deutschlandEs geht gar nicht so sehr ums Bezahlen, sondern darum, dass man ein Bindeglied bereitstellt zwischen den Konsumenten und dem Händler“, so beschreibt PayPal-Deutschland-Chef Arnulf Keese im exklusiven Interview mit Location Insider die Herangehensweise, mit welcher der bislang reine Online-Bezahldienst in letzter Zeit eine Reihe innovativer Mobile-Payment-Lösungen auch für den stationären Handel eingeführt hat: so sorgt PayPal mit einem QR-Code-Shopping Testlauf in der Innenstadt von Oldenburg für Aufsehen und hat unlängst in Berlin ein Pilotprojekt zur Bezahlung mittels CheckIn und Gesichtserkennung gestartet. Weitere spannende Möglichkeiten für den Handel verspricht das neue Ortungs- und Bezahlsystem PayPal Beacon, das zunächst nur in den USA eingeführt wird. „Beacon wird auch in Deutschland kommen. Wir wollen das unbedingt haben“, so PayPal-Chef Keese im Gespräch mit Location Insider.

Location Insider: Mit Neuerungen wie der PayPal-App, QR-Shopping und CheckIn hat PayPal in den letzten ein, zwei Jahren eine Reihe spannender Mobile-Lösungen präsentiert. Inwiefern ist der Smartphone-Boom für Ihr Unternehmen eine einmalige Chance, um Ihr Geschäftsmodell über das reine Online-Payment auszuweiten?

Arnulf Keese: An erster Stelle ist es das Konsumentenverhalten, das sich gerade rapide verändert. Was wir vor allem tun, ist uns zu fragen, wie man das in Handelstransaktionen übersetzen kann. Die Menschen kennen das Web und sie kennen PayPal. Nun bekommen die Menschen das alles in Gestalt cooler neuer Geräte in die Hand, die man in der Hosentasche herumtragen kann. Was vorher webgebunden war, ist in tragbare, interaktive Geräte eingeflossen. Wir probieren nun aus, in welche „Formfaktoren“ sich das für uns am besten übersetzen lässt.

Location Insider: Ist die PayPal QR-Shopping-App ein solcher Formfaktor? In einem Pilotprojekt testen Sie das mobile Bezahlen über QR-Codes seit September 2013 mit mehr als 30 Einzelhändlern in der Innenstadt von Oldenburg…

Arnulf Keese: Ja, Oldenburg ist ein gutes Beispiel dafür. Jeder Kunde mit einem Smartphone kann unsere QR-Shopping-App automatisch nutzen. Gleichzeitig bieten wir den beteiligten Händlern mit den QR-Codes ein Format, das diese einfach in ihre Werbemittel wie Printbeilagen und Flyer integrieren können. Ohne ihren bestehenden Marketing-Mix zu verändern, können die Händler nun zum Beispiel ihre Öffnungszeiten erweitern oder den Kunden Waren aus dem Geschäft nach Hause liefern.

Was wir in Oldenburg machen, ist im Prinzip der erste Schritt zu einem echten Omnichannel-Handel. In den USA und in Großbritannien ist man hier schon viel weiter. Um erfolgreich zu sein, ist es dabei wichtig, ein Problem zu lösen, das die Kunden beschäftigt. Das sind zum Teil recht banale Fragen: Wie kann ich es vermeiden, vor der Kasse in einer Warteschlange zu stehen? Wie kann ich einfacher bezahlen? Dass wir in Deutschland im Handel beim Bezahlen noch immer einen Cash-Anteil von 60 Prozent haben, ist sicherlich kein Konsumentenwunsch. Die Menschen würden ihr Portemonnaie am liebsten zuhause lassen. Aber ein Smartphone haben die Leute gerne dabei und beschäftigen sich auch ständig damit. Mit Projekten wie in Oldenburg wollen wir nun lernen, wie man die Konsumenten hier am besten abholt und wie sie darauf reagieren.

Location Insider: Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse nach einem halben Jahr QR-Shopping in Oldenburg?

Arnulf Keese: Was wir erfahren, ist zunächst, dass es für die Händler generell super ist, dass sie durch die Teilnahme an dem Pilotprojekt verstärkt Laufkundschaft in ihren Geschäften erhalten. Zudem ist es für die Einzelhändler eine positive Erfahrung, dass die Kunden ihre Smartphones nicht mehr nutzen, um EAN-Codes zu scannen und dann woanders im Internet einzukaufen, sondern dass sie mit ihren Handys direkt in den Geschäften bezahlen. Es zeigt sich, dass unsere Lösung immer dann am besten funktioniert, wenn wir damit eine echte Verbesserung bieten: Wenn die Kunden per QR-Code auch nachts Waren aus dem Schaufenster kaufen können, ist das super, weil wir damit ein Problem gelöst haben. Auf der anderen Seite suchen wir natürlich nach Möglichkeiten, wie wir unsere QR-Shopping-App weiter verbessern können und Brüche noch besser vermeiden.

Location Insider: Sie haben also das Gefühl, dass Sie mit Ihren Lösungen den Nerv der Kunden treffen?

Arnulf Keese: Ja, weil wir den Menschen eine Erleichterung bieten. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Cafeteria, wo unsere Mitarbeiter seit einiger Zeit ihren Kaffee per PayPal-App vorbestellen und bezahlen können. Das ist eine tolle Zeiterleichterung, weil man nicht mehr Schlange stehen muss, sondern sich seinen Kaffee einfach abholen kann. Und auch unser Caterer macht dadurch mehr Umsatz.

Es geht dabei gar nicht so sehr ums Bezahlen. Sondern dass man ein Bindeglied bereitstellt zwischen den Konsumenten und dem Händler. Das muss schnell und gut funktionieren und am besten so, dass der Kunde gar nichts davon mitkriegt. Wie zum Beispiel bei der PayPal-Integration in MyTaxi. Statt dass man ein Taxi vor der Bank warten lässt, um am Automaten Geld abzuheben, lässt sich nun alles bargeldlos innerhalb der App abwickeln.

Location Insider: Das gleiche Ziel verfolgt PayPal auch mit der Bezahlung mittels CheckIn, die seit Ende 2013 eine Reihe von Gastronomiebetrieben rund um den Rosenthaler Platz in Berlin Mitte erprobt. Inzwischen bieten auch erste Händler das Bezahlverfahren an. Werden Sie das Pilotprojekt generell auf den Handel ausweiten?

Arnulf Keese: Ich möchte hier nichts vorgreifen, aber wir werden in den nächsten Release auf jeden Fall eine Reihe zusätzlicher Features einbauen. Beim Handel ist allerdings das Problem, das wir mit der Bezahlung per CheckIn lösen können, nicht so groß wie in der Gastronomie. Dort geht es darum, Stoßzeiten zu umgehen und nicht nur das Bezahlen, sondern auch das Bestellen zu erleichtern. Für den Handel könnte es dagegen interessanter sein, per Couponing mehr Kunden in die Läden zu locken. Denn ist ein Konsument erst einmal in einem Ladengeschäft, ist die Conversion viel höher und wird in vielen Fällen mehr gekauft, als ursprünglich beabsichtigt. Die Konvergenz führt dazu, dass sich die Bereiche Retail, Marketing und Payment immer stärker überlappen. Wie der Handel befinden auch wir uns in einer Lernphase, welche Effekte sich hier erzielen lassen.

Location Insider: Großes Potenzial für den Handel wird auch der Beacon-Technologie eingeräumt. Laut Ankündigungen aus den USA soll PayPal Beacon ab Mitte des Jahres nach Europa kommen – auch nach Deutschland?

Arnulf Keese: Auch wenn ich dazu noch nichts Genaues sagen kann, ist klar: Beacon wird kommen. Wir wollen das unbedingt haben. Vor allem deshalb, weil Beacon eine viel genauere Identifizierung der Kunden ermöglicht und auch davon, wo genau sich die Kunden in einem Geschäft befinden. Zudem ist die Beacon-Technologie so interessant, weil sie auch unabhängig vom Mobilfunknetz funktioniert.

Location Insider: Eine Hürde könnte hier allerdings das bekanntlich stark ausgeprägte Datenschutzbedürfnis deutscher Konsumenten – gerade nach den NSA-Enthüllungen – sein. Wie stufen Sie diesbezüglich die Akzeptanz von Lösungen wie PayPal CheckIn und Beacon ein?

Arnulf Keese: Ich denke, das Hauptproblem für die Menschen ist es, wenn Daten weitergegeben werden und man nichts davon weiß. Apps, bei denen man das selbst bestimmen kann, sind dagegen etwas anderes. Wichtig beim Permission Marketing ist, dass es keine Grauzonen gibt. Ein bisschen Datensammeln, obwohl der Kunde das nicht erlaubt nicht – das darf nicht sein. Dann wird eine App sofort wieder deinstalliert. Für uns ist klar, dass es sich um eine aktive Willensentscheidung des Kunden handeln muss. Denn wir sind ein Partner des Handels und haben ein Interesse daran, dass es hier zu keinen Problemen kommt.

Location Insider: Sowohl bei der Abwicklung von eBay-Zahlungen wie auch bei der Partnerschaft mit unabhängigen Online-Händlern war PayPal immer klar auf die Rolle eines Payment-Dienstleisters festgelegt. Die neuen Mobile-Payment-Lösungen für stationäre Händler gehen dagegen viel tiefer in die Handelsprozesse hinein. Hat sich dadurch das Selbstverständnis von PayPal entsprechend verändert?

Arnulf Keese: Unsere Rolle ist eigentlich weiterhin die gleiche. Es geht um die Frage: Was wird gebraucht – vom Handel und von den Konsumenten? Das hat damit angefangen, dass wir es Kunden und Verkäufern erleichtert haben, im Internet zueinanderzufinden und das Risiko bei Transaktionen minimiert haben. Dabei haben wir großen Erfolg gehabt: vor kurzem haben wir in Deutschland die Schwelle von 15 Millionen aktiven Kunden überschritten. In einem zweiten Schritt haben wir erlebt, dass es auch für die großen Händler spannend war, welche Menge an E-Commerce-affiner Kunden wir mit uns bringen. Und jetzt sind wir schließlich dabei, das Zahlen im Netz auf die neuen, mobilen Geräte zu übertragen. Auch damit folgen wir wieder den Kunden, die ein großes Interesse daran haben, die Möglichkeiten ihrer Smartphones zu nutzen.

Location Insider: Vielen Dank für das Interview.

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