Lieferdrohnen fliegen nur in die Nische.

von Markus Gärtner am 08.Dezember 2016 in Trends & Analysen

Drohnen haben schon ein erstes Opfer gefordert: Kinder mit ferngesteuerten Autos sieht man in Parks kaum noch. Stattdessen: Meist technikbegeisterte Väter, die mit ihren Söhnen stolz das Bodenpilotendasein zelebrieren. Die Drohnen können sich dabei recht frei bewegen – ohne die Last von Paketen. Gleich mehrere große Unternehmen arbeiten aber daran, dass das anders wird. Die fliegenden Helfer sollen die Logistik auf der Straße entlasten und Bestellungen schnell dahin bringen, wo andere Fahrzeuge sich mühen.

Amazon testet unter dem Namen „Prime Air“ in mehreren Ländern das Liefern über den Luftweg, u.a. im englischen Cambridge. Im Vereinigten Königreich sollen schon 2017 die ersten regulären Flüge stattfinden. Die Drohnen fliegen bis zu 120 Meter hoch und können bisher maximal 2,5 Kilo tragen. Das klingt nicht viel, das Gewicht trifft aber auf rund 90 Prozent der Amazon-Pakete zu. Der Online-Händler will so vor allem Kunden im Umkreis von 15 Meilen (24 Kilometern) beliefern. Amazon hat in den USA auch ein Patent für eine Ladestation eingereicht. Die Stationen könnten auf Kirchtürmen, Straßenlaternen oder Funktürmen stehen.

dhl_paketcopter_01In Deutschland hat der DHL-Paketkopter in diesem Jahr einen Test erfolgreich abgeschlossen: Im bayerischen Reit im Winkl hat er zwischen Januar und März rund 130 Be- und Entladungen von einer Paketstation absolviert. Durch die speziellen örtlichen und klimatischen Gegebenheiten kamen die Vorteile einer Lieferdrohne besonders zum Tragen: Im Winter benötigt ein Auto für die 8 Kilometer Luftlinie vom Tal bis zur Alm in 1,2 Kilometer Höhe rund 30 Minuten bis zum Ziel, die Drohne hingegen nur 8 Minuten. Die Drohne schafft dabei eine Geschwindigkeit von rund 70 km/h. Die Daten des Tests werden noch weiter ausgewertet, schon klar ist aber, dass die Drohne vor allem in unwegsamem Gelände punktet.

In der Stadt dürfte es ohnehin schwerer werden, eine Genehmigung zu bekommen. Für den gesamten Bereich müssen noch entsprechende Regelungen gefunden werden. In den USA ist der Drohnen-Lieferverkehr praktisch verboten. Die US-amerikanische Luftfahrtbehörde erlaubt zwar kommerzielle Drohnen wie von Google oder Amazon, erteilt aber Auflagen: So dürfen die Drohnen inklusive Waren nicht mehr als 25 Kilogramm wiegen, sie dürfen nicht über Städten fliegen und der Pilot muss ohne technische Hilfe Sichtkontakt zu seinem Flugobjekt haben. Damit ist ein Einsatz wie von den Unternehmen und Händlern gedacht derzeit unmöglich. Dabei soll die nun scheidende Obama-Regierung den Tests recht positiv gegenüberstehen und das Projekt unterstützen. Auch in Deutschland gilt für die Testregionen eine Ausnahmegenehmigung. Die Telekom entwickelt derzeit mit Partnern eine Art Sicherheitssystem für den Drohnenverkehr in Deutschland, der über das Handynetz die Positionen der Drohnen erfasst und sie andererseits mit Daten zu Flugbeschränkungsgebieten oder zum Wetter versorgt.

Ein anderes Szenario zeigt Walmart auf: Der US-Handelsgigant testet Drohnen seit Oktober 2015 neben der Lieferung nach Hause auch für die Kontrolle des Lagerbestandes. Eine Drohne schaffe eine Inventur an einem Tag, wo sonst rund ein Monat gebraucht würde, heißt es dazu von Walmart.

Google bzw. Mutterkonzern Alphabet fährt hingegen sein Engagement bei Lieferdrohnen schon wieder zurück und stutzt seinem „Project Wing“ die Flügel. Der ansonsten innovationsfreudige Konzern wolle sparen. Abteilungschef Dave Vos hat den Konzern gerade verlassen. Den Technikern soll das Vorpreschen des Konzerns zu schnell gegangen sein. Außerdem ist wohl eine Kooperation auf dem Gebiet mit Starbucks gescheitert. Dabei soll es Streit um den Zugang zu Kundendaten gegeben haben. Google hat bereits 2014 die ersten Drohnen vorgestellt, größter Unterschied zu anderen: Statt zu landen, lassen sie die Ware an einem Seil herab. Immerhin bringt Alphabet seit neuestem Studenten in Virginia Burritos per Drohne.

Laut Bikom können sich 43 Prozent der Verbraucher vorstellen, zukünftig Warenlieferungen durch eine Lieferdrohne zu erhalten. Genug Potenzial scheint also da zu sein. Dennoch sehen viele Experten, u.a. vom Fraunhofer-Institut, den Einsatz von Lieferdrohnen nur in Nischen, wie etwa schwer zugänglichen Gebieten oder bei sehr dringenden Lieferungen wie z.B. Medikamenten. In der ZF-Zukunftsstudie „Die letzte Meile“ finden sich neben den technischen und rechtlichen Grenzen weitere Argumente gegen den Masseneinsatz. So könne es etwa durch Zusammenstöße mit Vögeln zu Abstürzen kommen. Außerdem haben texanische Forscher schon 2012 gezeigt, dass sie eine Drohne hacken konnten und somit die Ladung stehlen, die Drohne zerstören oder sogar als Waffe hätten einsetzen können. Auch der zunehmende Fluglärm spricht gegen eine massenhafte Verbreitung der fliegenden Helfer. In Parks wird man sie trotzdem weiter sehen.

In unserer Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:


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