MyParfum setzt auf Partnerschaften mit stationären Parfümerien.

von Matthias Hell am 30.September 2014 in Local Heroes

Eine besonders interessante – aber leider recht seltene – Kategorie innerhalb der Local Heroes sind Internethändler, die über Partnerschaften den stationären Handel miteinbinden. MyParfum, Online-Anbieter von individuell zusammengestellten Parfüms, setzt nun genau auf dieses Prinzip: Das Unternehmen lädt Parfümerien ein, mit sogenannten „Duftbars“ zu stationären Vertriebspartnern der Online-Marke zu werden.

MyParfum-Gründer Matti Niebelschütz bei der K5 2014

MyParfum-Gründer Matti Niebelschütz bei der K5 2014

Mit dem Partnerprogramm will MyParfum nicht nur stationären Händlern zusätzliche Möglichkeiten bieten – sondern sucht auch selbst nach der zweiten Chance, wie Unternehmensgründer Matti Niebelschütz bei der E-Commerce-Konferenz K5 berichtete: Das 2008 gegründete MyParfum musste Anfang 2013 Insolvenz anmelden. „Wir sind zu schnell gewachsen“, versucht Niebelschütz zu erklären. Das Geschäftsmodell, Kundinnen die Zusammenstellung individualisierter Parfüms sowie die Gestaltung der Flacons zu ermöglichen, stieß auf gute Resonanz. 2012 beschäftigte das Unternehmen rund 60 Mitarbeiter und stieg über einen Media-Deal mit SevenVentures (ProsiebenSat.1) mit viel Tempo in die TV-Werbung ein. Nachdem der Umsatz aber nicht so schnell wuchs wie die Kosten, blieb MyParfum nur noch der Weg zum Insolvenzgericht.

„Von unserem Produkt waren wir aber weiterhin überzeugt“, berichtet Matti Niebelschütz. Deshalb kam es nach der Insolvenz zur zweiten Gründung von MyParfum. Während man an der Grundidee weiter festhält, soll dieses Mal alles etwas kleiner und bodenständiger sein. Auf TV-Werbung will das Startup auf absehbare Zeit verzichten und auch von Venture-Capital-Gebern will man sich fernhalten. Zur Finanzierung startete das Unternehmen Mitte 2014 eine Crowdfunding-Kampagne, über welche rund eine halbe Million Euro eingesammelt wurden. Zudem vertraue man auf den damit erzielten Marketing-Effekt und das Engagement der beteiligten Sponsoren, erklärt Unternehmensgründer Niebelschütz. Außerdem habe man in einem weiteren wichtigen Punkt umgedacht: „Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, das wir für unser Produkt vielleicht nicht der beste Händler sind.“ Als Konsequenz wolle MyParfum künftig verstärkt auf Vertriebskooperationen setzen.

Mass Customization als Terminal-Lösung

Prototyp einer MyParfum-Duftbar

Prototyp einer MyParfum-Duftbar

Partnerschaften will MyParfum mit geeigneten Online-Händlern knüpfen, plant darüber hinaus aber auch den Vorstoß in den stationären Handel. Das Mittel der Wahl ist dabei die sogenannte „Duftbar“ – eine Terminal-Station, die es Kunden mithilfe eines eingebetteten iPads ermöglicht, aus verschiedenen Parfüm-Grundtypen und einer Reihe von hinzufügbaren Duftnoten, ein komplett individuelles Parfüm zu kreieren. „Das Konzept mit den Grundtypen und der Noten-Auswahl sorgt dafür, dass immer ein Ergebnis zustandekommt, das gut riecht“, erklärt Niebelschütz. Darüber hinaus sei die Duftbar komplett intuitiv bedienbar und benötige keine Betreuung durch das Verkaufspersonal.

An der Duftbar können nicht nur Kunden nach Belieben Parfüms mischen, MyParfum bietet es auch seinen Partnern an, eigene „Hausmarken“ zu kreieren und diese mit einem Co-Branding zu verkaufen. Die an der Duftbar zusammengestellten Parfüms werden dann im Labor des Online-Anbieters hergestellt und den Kunden entweder nach Hause geschickt oder in die jeweilige Parfümerie zur Abholung geliefert. Matti Niebelschütz ist überzeugt, dass sich das Partnerprogramm für das E-Commerce-Unternehmen mittelfristig auszahlt: „Händler können einen Mehrwert bieten, den andere so nicht gewährleisten können.“

Langfristige angelegte Partnerstrategie

Mithilfe von Duftproben und einem iPad können Duftbar-Nutzer eigene Parfüms kreieren

Mithilfe von Duftproben und einem iPad können Duftbar-Nutzer eigene Parfüms kreieren

Der MyParfum-Gründer bestreitet allerdings nicht, dass die neue Strategie des Unternehmens anspruchsvoll ist: „Wir müssen nicht nur die Kunden, sondern auch die Händler überzeugen.“ Das Ziel sei es, in zwei Jahren rund 100 Parfümerien an das Partnernetz angeschlossen zu haben. Beim Aufbau des Partnerprogramms handele es sich um einen Prozess, der von Anfang an auf fünf bis zehn Jahre angelegt sei. In diesem Herbst startet MyParfum mit dem Aufbau der ersten Duftbars, die ersten drei Terminals wurden bereits verkauft. Um weitere stationäre Händler für das Konzept zu begeistern, geht MyParfum nun auf „Roadshow“: „Wir bauen unsere Duftbar popup-mäßig in einzelnen Parfümerien auf, damit sich die Betreiber das Konzept ansehen können“, erklärt Niebelschütz. Auf diese Weise hoffe man, mittelfristig auch bei landesweiten Parfümerie-Ketten Interesse wecken zu können.

Matti Niebelschütz sieht das Partnermodell von MyParfum darüber hinaus in Einklang mit der Trendentwicklung der letzten Jahre: „Der Handel wandelt sich, es geht immer stärker in Richtung Multichannel.“ In der Tat könnte dem kanalüberschreitenden Verkaufsmodell Erfolg beschieden sein. Betreiber von Parfümerien erhalten so die Möglichkeit, ihren Kunden einen Mehrwert anzubieten, der sie vom Massenmarkt abhebt. Gleichzeitig stellt das individualisierte Produkt des Online-Anbieters für diese keine Konkurrenz dar. MyParfum wiederum erschließt sich über das Partnerprogramm einen zusätzlichen Vertriebskanal. Zudem könnte es der physische Kontakt mit dem Produkt erleichtern, neue Kunden für MyParfum zu gewinnen.


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