Omnichannel bei Deichmann, engelhorn und C&A: Wie der Modehandel Potentiale mal nutzt, mal verschenkt.

von Florian Treiß am 26.Juni 2017 in News, Trends & Analysen

e-matters-Logoe-matters, Softwarehersteller und Dienstleister für Omnichannel-Projekte, präsentiert den Omnichannel-Themenschwerpunkt von Location Insider.

Aufbauend auf einem Framework bietet e-matters mit den fertigen Modulen Shop Software, eCMS, CRM, Warenwirtschaft, Data Warehouse und Kassenlösung je nach Bedarf eine komplette Omnichannel-Lösung oder einzelne Bausteine, die an bestehende Systeme angedockt werden können.


Eine funktionierende Omnichannel-Strategie wird derzeit im Handel als moderne Ausgabe des Heiligen Grals angesehen, wie u.a. unsere große Expertenumfrage zum Thema zeigt. Das gilt gerade auch im stationären Modehandel, der sich nicht nur durch Pure Player, sondern auch von Anbietern wie Amazon herausgefordert sieht. Bequem zu Hause bestellen, liefern lassen, in den eigenen vier Wänden ausprobieren und ohne Begründung kostenfrei wieder zurückschicken: Es ist dieses Zalando-Prinzip, das den klassischen Handel unter Druck setzt. Andererseits hilft alles Lamentieren nicht. Der Händler muss dort sein, wo seine Kunden sind. Und das ist nun einmal online. Der Online-Shop wird auf dem Tablet, dem Smartphone oder auf dem Desktop-Computer aufgerufen, aber auch der Besuch des Ladens in der Nähe gehört immer noch zum selbstverständlichen Alltag. So waren nicht wenige Fachleute Anfang 2017 von den Ergebnissen einer Umfrage überrascht, nach der die „Millennials“, also die zwischen 1980 und 2000 geborenen, den stationären Handel für den Einkauf bevorzugen. Aufgabe muss es also sein, auf das wechselhafte Kundenverhalten zu reagieren.

Hinweis auf Omnichannel-Dienste in einer Leipziger Deichmann-Filiale

Deichmann prescht voran

Ob Modehandel oder Consumer Electronics – die ganz Großen ihrer Branche setzen längst auf Omnichannel-Konzepte. Der Schuhhändler Deichmann schreitet in seiner Digitalisierungs- und Omnichannel-Strategie seit Jahren voran und stattet nicht nur seine Filialen mit Displays und Terminals für die Kunden aus, sondern will auch das Verkaufspersonal mit Tablets ausrüsten, damit diese aktuelle Warenbestände abfragen können, um dem Kunden Alternativen anbieten zu können. Gerade die Verfügbarkeitsabfrage ist ein zentrales Element in jeder Omnichannel-Strategie. Denn so kann der Kunde vorab entscheiden, ob es sich lohnt, in den Laden seiner Wahl zu fahren, um den gesuchten Artikel einzukaufen. Und wenn online bestellte Produkte auch in den Geschäften zurückgegeben werden dürfen, stellt das besondere Anforderungen an Warenwirtschaft und Logistik.

„Als stationärer Händler mit breitem Onlineangebot sagen wir ganz klar: Omnichannel ist ein Segen, für Kunde und Handel. Nicht umsonst werden in einigen Deichmann-Gesellschaften bereits zehn Prozent des Umsatzes über Omnichannel-Services erzielt, denn so können wir einfach mehr Kundenwünsche erfüllen“, sagt Christian Hackel, Leiter Internationales Marketing und E-Commerce bei Deichmann, gegenüber Location Insider. Auch die kontinuierliche Weiterentwicklung sei wichtig, so der Deichmann-Manager weiter: „Wir haben kürzlich unsere Logistik bei Ship-to-Home-Bestellungen optimiert. Hier ordert der Kunde im Laden ein Paar Schuhe, das vor Ort nicht mehr in der richtigen Größe verfügbar war, und bekommt es kostenfrei nach Hause geschickt. Ursprünglich stand dafür nur der Bestand des Onlineshops zur Verfügung, jetzt können wir auf den gesamten Warenbestand zugreifen und auch Produkte aus dem Bestand aller Filialen als Paket zum Kunden senden. Somit verfügen auch kleinere Läden über das gesamte Sortiment, was für Kunden zum Beispiel bei Übergrößen besonders attraktiv ist. Seit dieser Erweiterung sind die Ship-to-Home-Käufe noch einmal signifikant gestiegen.“

Blick in eine engelhorn-Filiale. © engelhorn

Wer meint, dass Omnichannel nur etwas für die ganz Großen ist, der irrt allerdings. Das Unternehmen engelhorn aus Mannheim besteht seit über 125 Jahren und befindet sich in vierter Generation in Familienbesitz. Das Sortiment umfasst über 1.000 Marken aus den Bereichen Fashion und Sport. Die Kunden können beim Händler nicht nur in 9 Stores, sondern rund um die Uhr in einem Onlineshop einkaufen. Nach eigenen Angaben erzielt engelhorn inzwischen bereits 30 Prozent seines Umsatzes über die digitalen Vertriebskanäle. Damit reicht das Familienunternehmen nicht an die Quote der Otto-Gruppe heran, wo inzwischen fast 70 Prozent digital erlöst werden, lässt aber beispielsweise H&M deutlich hinter sich. Zu diesem Erfolg sowohl online als auch stationär tragen die verschiedenen Komponenten bei, die miteinander verzahnt sind.

  • 9 Stores in Bestlagen
  • 4 Restaurants, in denen die Kunden nicht nur einen „Snack“ erhalten. Darunter sticht das OPUS V besonders hervor, das im Dezember 2016 mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde
  • Ein für Mobilgeräte optimierter Online-Shop, über den der Kunde neben der klassischen Zustellung per DHL, auch Expresslieferungen noch am gleichen Tag in Mannheim, Ludwigshafen und Viernheim erhalten kann. Oder er wählt die Zustellung per Click & Collect und holt seine Ware in der Filiale ab

engelhorn – ein klassischer Mittelständler, der seine Hausaufgaben erfolgreich gelöst hat. Und zwar mit einer ganz wichtigen Erkenntnis: „125 Jahre Tradition schützen nicht vor dem digitalen Tsunami“, sagte Thorsten Huth, Abteilungsleiter e-Commerce Technik bei engelhorn, im April 2017 beim ECC-Forum in Köln. Die Disruption sei der Taktgeber der digitalen Transformation, so Huth: „Es bleibt Tag eins. Für immer“. Und dabei gehöre der Kunde in den Mittelpunkt aller Überlegungen.

Prozesse und Daten für Omnichannel optimieren

Die Basis für eine erfolgreiche Omnichannel-Strategie liegt in der Technik und den Menschen. Diese Lehre lässt sich aus allen Erfolgsgeschichten ziehen. Kundenzentrierung darf nicht einfach nur ausgerufen werden, sondern muss von den Mitarbeitern und Verkäufern des Unternehmens gelebt werden. Der Kunde, der seine Ware über das Internet bestellt hat, ist kein Kunde „zweiter Klasse“ und wer sich im Laden ausführlich beraten lässt, aber es dann vielleicht doch bevorzugt, zu Hause per Computer einzukaufen, begeht keinen „Beratungsdiebstahl“. Solches Silodenken schwächt den Händler und nutzt niemandem. Ansprechende Warenpräsentation, gutes Essen, auch optisch beeindruckende Stores – wer bei engelhorn vor Ort kauft, der erlebt etwas. Und genau darum geht es auch bei Omnichannel-Konzepten. Der Händler verkauft eben nicht nur seine Ware, sondern auch ein Erlebnis. Und der kanalübergreifende Einkauf geht nicht ohne eine entsprechend ausgerüstete Technik und die dahinterstehenden Prozesse. Beispiel Warenverfügbarkeit und Online-Shop: Um möglichst viele Kanäle effizient zu bedienen, bedarf es einer Warenwirtschaft, die die Bestände über alle Läden und Lager möglichst in Echtzeit zusammenfasst. Erst damit werden dann beispielsweise auch Dienste wie Ship from Store, also der Versand eines im Lager nicht vorhandenen Produkts aus dem Bestand eines Ladens, möglich. Dabei kommt auch dem Produktdatenmanagement (PIM) eine wichtige Rolle zu. Denn die Informationen müssen möglichst ausführlich sein, um den Kunden online die wesentlichen Vorteile zu zeigen und seine wichtigsten Fragen zum Produkt zu beantworten. Daten sind der neue Rohstoff unserer Wirtschaft. Das zeigt sich auch beim Modehandel. Denn nur wenn die Datenqualität der Produktdaten exzellent ist, können effizient weitere Vertriebswege eröffnet werden, zum Beispiel der Vertrieb über Marktplätze wie Amazon und Ebay.

Und die Bedeutung einer zweiten Komponente wird schnell übersehen: Nicht nur der Modehandel lebt von visuellen Eindrücken. Die Kunden wollen online die Produkte aus jedem Blickwinkel heraus betrachten. Schnell kommen hier, werden Farbvarianten in Betracht gezogen, Tausende oder gar Millionen an Fotos zusammen. Die gleichfalls auch wieder möglichst unkompliziert in sozialen Netzwerken ausgespielt werden sollten. Das Multimedia Asset Management (MAM) mit einfachem Zugriff für die Mitarbeiter aus Sales und Marketing macht die effiziente Bestückung von Shops, Newslettern oder Kommunikationskanälen wie Facebook, Instagram oder Pinterest erst möglich. Kanäle, die nicht nur von jüngeren Kunden bei der Suche nach modischen Inspirationen genutzt werden.

Der Handel verschenkt oft Potenzial

Die Studie „Zukunft des Handels – Was schafft Frequenz“ von HDE, der Hochschule Niederrhein und Bonial.com aus dem Jahr 2016 hat nicht nur ergeben, dass das Smartphone der wichtigste Shopping-Begleiter für die Kunden geworden ist. 77 Prozent der Befragten gaben darin an, Informationen mit dem mobilen Gerät vor einen Kauf abgerufen zu haben. Auch schon fast die Hälfte (46 Prozent) hat schon einmal Click & Collect genutzt. Eigentlich eine runde Sache. Der Kunde spart Versandkosten und der Händler hätte die Chance, beim Abholen mit dem Besteller ins Gespräch zu kommen, um etwa ergänzende Produkte anzubieten. In der Praxis zeigen sich dann aber nicht selten Schwächen des Konzepts.

Hinweis auf Click & Collect bei C&A

So setzt die Handelskette C&A zwar bereits seit einiger Zeit auf die Warenlieferung in den Store. Logistisch hat der Filialist alles im Griff. Der Kunde sieht die Warenverfügbarkeit im Shop, die nächstgelegene Filiale ist dank mobiler Ortung rasch ermittelt und regelmäßige E-Mails informieren den Kunden über den Fortschritt seiner Bestellung. Die eigentliche Abholung unterscheidet sich dagegen nicht vom Gang zu einer Packstation. Der Versandkarton wird über den Verkaufstresen gereicht, der Kunde quittiert und geht. Kein weiterer Gesprächsanlass für den Verkäufer, der keinen Einblick in den Inhalt hat. Aber auch keine Offerte, die bestellte Kleidung vielleicht auch gleich vor Ort auszuprobieren, was dann vielleicht zu Spontankäufen führen könnte. Eine nüchterne Transaktion, die einen POS in einen seelenlosen Abholautomaten mit menschlicher Logistik verwandelt. Und ganz sicherlich nicht das positive Einkaufserlebnis für den Kunden, das als so wichtig für den Handel gesehen wird. Hier verschenkt (nicht nur) die Modebranche enorme Potenziale und gießt Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Click- & Collect-Modells.

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Whitepaper „Omnichannel – Wie der Handel seine Kunden über alle Kanäle erreicht“. Das Whitepaper können Sie hier kostenlos anfordern.


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