Omnichannel bei mobilcom-debitel: Geschäftsführer Hubert Kluske im Interview.

von Florian Treiß am 03.Mai 2017 in Highlight, Interviews, News

Hubert Kluske, Geschäftsführer der mobilcom-debitel Shop GmbH

Endlich alles über alle Kanäle: mobilcom-debitel hat sich nach Investitionen in Millionenhöhe in den letzten Monaten zu einem Paradebeispiel für den Omnichannel-Handel gewandelt. Zuvor hatte der Mobilfunkspezialist jahrelang Onlineshop und Filialen stark getrennt. „Wir haben schon 2014 die Entscheidung getroffen dies zu ändern“, erzählt Geschäftsführer Hubert Kluske im Gespräch mit Location Insider. Doch die Omnichannel-Challenge war wahrlich nicht einfach zu meistern: Der Online-Shop unter www.md.de war damals einzig und allein auf das Kerngeschäft fokussiert, Mobilfunkverträge zu verkaufen. Dagegen war es im Onlineshop lange nicht möglich, Handys ohne Vertrag zu kaufen oder gar Crosschannel-Lösungen zu nutzen wie etwa Reserve to Store. „Im Nachhinein war es aber unser Glück, dass unser Onlineshop so eingeschränkt in seinem Funktionsumfang war. Denn unsere erste Entscheidung war dann, dass wir gesagt haben, mit der aktuellen Plattform können wir das nicht, sondern wir brauchen etwas Neues. Und wir werden diese nicht wieder selber programmieren, sondern wir verwenden eine Standardsoftware.“

Omnichannel Full Flash

Bald war die Entscheidung für SAP Hybris getroffen, doch der Rollout dauerte noch einige Zeit: „Die ersten Omnichannel-Funktionen, die der Kunde sehen konnte, sind bei uns seit Februar 2016 live. Danach haben wir Stück für Stück weitere Funktionen umgesetzt, sodass ich heute behaupten würde, dass wir ‚full-flashed Omnichannel-Funktionalitäten‘ haben“, erzählt Hubert Kluske. Dazu zählen eine Terminreservierung, die mit dem Online-Shop verknüpft ist, Deliver to Store und Reserve to Store, die kanalübergreifende Retoure sowie eine ASM-Funktion: „Das heißt wir können gemischte Warenkörbe zwischen online und offline anbieten. Das funktioniert so: Sie beginnen im Onlineshop und legen dort ein iPhone in Ihren Warenkorb, sind sich dann aber nicht sicher, welchen Tarif Sie nehmen wollen oder welche Farbe.“ An dieser Stelle kann der Kunde auf der Website einen Termin in einem der 547 Shops zur weiteren Beratung vereinbaren. Alternativ kann der Kunde auch spontan in eine Filiale gehen und dem Verkäufer eine vom Onlineshop generierte Nummer zeigen. Der Verkäufer kann dann auf den Online-Warenkorb zugreifen und dem Kunden bei der endgültigen Entscheidung helfen, berichtet Kluske: „Wir sind jetzt tatsächlich soweit, dass wir sagen können, der Kunde legt online was in den Warenkorb rein und der Verkäufer legt nach Rücksprache mit dem Kunden offline was dazu.“

Was die Omnichannel-Funktionalitäten angeht, so sei mobilcom-debitel nun weiter als die drei Netzbetreiber in Deutschland: „Wir haben dort jetzt einen Vorsprung gegenüber der Telekom, Vodafone und O2. Und auch im normalen Einzelhandel sind es immer die gleichen, die bei diesem Thema genannt werden, zum Beispiel SportScheck„. Die aktuelle Diskussion über den Sinn und Unsinn von Omnichannel hält Kluske zudem für völlig daneben: „Der Kunde denkt gar nicht in Kanälen“, so Kluske. „Als Unternehmen kann man nicht hergehen und sagen, ‚okay, ich habe jetzt erhöhte Kosten, weil ich die Kanäle managen muss‘. Ich komme eher aus der Ecke, dass ich den Kunden managen muss. Und das muss ich effizient machen.“ Der Kunde müsse überall abgeholt werden, sei es online auf der eigenen Website oder in einer Filiale.

Blick in einen der Shops von mobilcom-debitel

„Bei uns gibt es auch keinen Digital Officer, oder Omnichannel-Chef oder sonst irgendwas, sondern ein Kollege von mir verantwortet den Online-Shop und ich verantworte die 547 Shops. Wir haben gesagt, dass der Onlineshop ab sofort der 548. Shop ist und wir versuchen die Synergien, die sich daraus ergeben, so gut wie möglich rauszukriegen“, erzählt Kluske weiter. Eine der ersten Synergien sei es, dass mobilcom-debitel schon jetzt deutlich höhere Onlineabsätze habe und das zweistellige Millionenbudget im Marketing nun sowohl online als auch den Filialen zugute komme: „Dadurch, dass wir jetzt eine Omnichannel-Strategie haben, sind wir auch den folgerichtigen Schritt der Preisgleicheit gegangen, weil alles andere nicht wirklich für den Endkunden nachvollziehbar wäre. So können wir heute ganz anders Marketinggelder einsetzen, weil wir auch Onlinegelder für die Offline-Zuführung nehmen können, was wir vorher gar nicht konnten.“

Reserve to Store statt Versand

Ein Beispiel sei eine Kampagne für ein Smartphone im Vorweihnachtsgeschäft gewesen, bei der „die Lieferkette nicht so war, wie wir es uns vorgestellt haben“. Das Gerät ging im Zentrallager zwischenzeitlich aus, aber es waren noch recht viele Geräte in den Filialen vorrätig: „Wir haben das Gerät dann nicht etwa von unserer Website runtergenommen, sondern haben dann nur noch die Funktion Reserve to Store angeboten, also die Selbstabholung in einer Filiale. Und wir haben dann gesehen, dass das den online generierten Absatz nicht verringert hat und dass wir diese Kunden zu fast 100 Prozent in die Filialen reinbekommen haben.“ Zwar seien Onlinekunden oft sehr preisgetrieben und kauften nur selten etwas zusätzlich. „Aber wir haben gesehen, dass ein großer Teil dieser Kunden trotzdem noch was anderes in den Filialen kauft.“

Dank der Omnichannel-Strategie hat mobilcom-debitel heute also eine höhere Marketingeffizienz und kann die Nutzer seines Onlineshops immer häufiger den Filialen zuführen. Man könne den Effekt „nicht bis zum letzten Cent ausrechnen – aber wir sehen, dass es beim Kunden keine Hemmnisse mehr gibt. Und das ist für uns erstmal das Wichtigste“, sagt Kluske. Das gleiche gelte bei Terminreservierungen, einer bislang noch recht versteckten Funktion auf der Website, die nicht gleich auf der Startseite angeboten werde, sondern erst während des Kaufvorgangs: „Das sind aktuelle noch keine riesigen Zahlen, aber wir sehen rund tausend Terminreservierungen im Monat. Man könnte jetzt sagen, bei 547 Geschäften sind das nur zwei pro Monat und Filiale, das ist nicht wahnsinnig viel. Aber ich hatte vorher nicht tausend Kunden, die messbar zu mir gesagt haben: ‚Hey, ich komme um 10.30 Uhr übermorgen zu Dir und ich will was von Dir.‘ Da kann Omnichannel noch so in der Kritik stehen, für mich ist das ein echter Wert!“ Denn das Commitment bei solchen Kunden sei extrem hoch. Klar machten sowas die Apple Stores schon seit Jahren mit ihren Genius Bars, so Kluske. Aber wenn man in die restliche Einzelhandelslandschaft reinschaue, gebe es eine Online-Terminreservierung noch immer fast nirgends.

Selbstabholung wichtiger als Same Day Delivery

Beim Thema Same Day Delivery, also der taggleichen Lieferung nach Hause aus den Filialen heraus, wartet mobilcom-debitel hingegen erstmal ab, wie dies beim Schwesterunternehmen GRAVIS angenommen wird. „Die Bereitschaft, dass ein Kunde selbst etwas aus einer Filiale abholt, ist deutlich höher, als die Bereitschaft des Kunden, für Same Day Delivery einen zusätzlichen Kostenbeitrag zu leisten, wie hoch er auch sein mag. Darum sind wir bei Same Day Delivery noch nicht in der Umsetzung und haben es auch nicht als Thema in der Pipeline, das man unbedingt machen muss“, erzählt Hubert Kluske.

Die Website zeigt an, ob ein Artikel in einer Filiale abgeholt werden kann

Auch die Selbstabholung in den Filialen hat ihre Herausforderungen, deutet Kluske an: Gerade wenn der Kunde online auf den Echtzeit-Filialbestand zugreifen können soll wie bei mobilcom-debitel und er nicht erst tagelang auf die Lieferung aus dem Zentrallager warten soll, so argumentieren die Verkäufer in den Shops oft dagegen, weil sie Sorge haben, dass ihnen bestimmte Geräte dann für ihre Stamm- oder Spontankunden vor Ort ausgehen. „Das ist gerade Learning by doing: sollte eine Filiale einen ‚eisernen Bestand‘ für reine Offline-Käufer blocken können? Ja, nach langen Diskussionen haben wir diesen ‚eisernen Bestand‘ vor kurzem von einem auf zwei Geräte pro Modell erhöht. Aber umgekehrt stellt sich uns natürlich auch die Frage: Wenn ein hochpreisiges Smartphone für 900 Euro schon seit acht Wochen in der Filiale rumliegt, soll man es dann nicht doch lieber verkaufen, bevor es verstaubt?“, schildert Kluske die aktuellen Herausforderung beim Warenbestand in der Omnichannel-Welt von mobilcom-debitel.

Zubehör und Lifestyles Services laufen gut

Dass Handel immer gleich auch Wandel ist, hatte mobilcom-debitel schon in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen. Als die Margen auf der Fläche für Mobilfunkverträge immer schwächer wurden, entschloss sich das Unternehmen bereits 2010, das Portfolio in den Filialen deutlich zu erweitern: „Heute verkaufen wir auch Energieverträge, wir verkaufen Festnetzverträge, wir haben Zubehör, wir verkaufen als einer der ersten Stationärhändler den Amazon Echo und wir haben Lifestyle Services. Sie können bei uns zum Beispiel eine Musikflatrate im Laden buchen oder Freenet TV, um TV-Inhalte auf den Fernseher oder das Smartphone zu bekommen,“ so Hubert Kluske. Und all diese Produkte sind mittlerweile getreu der Omnichannel-Strategie genauso auch über den Online-Shop verfügbar.


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