Online-Marktplätze: Das Forum Romanum der digitalen Ära.

von Gastautor am 03.Februar 2017 in Marktplätze, News, Trends & Analysen

Von Mirko Hüllemann (Geschäftsführer von heidelpay)

Forum Romanum (Copyright: Pixabay)

Forum Romanum (Copyright: Pixabay)

Online-Marktplätze schießen wie Pilze aus dem Boden. Seitdem die Vorreiter Ebay und Amazon zu einem unverzichtbaren Bestandteil der digitalen Ökonomie geworden sind, herrscht ein regelrechter Plattform-Boom. Seit 2013 finden immer mehr spezialisierte Marktplätze ihren Platz in der Nische, Tendenz weiter steigend. Treiber dieser Entwicklung waren Vermittlungsplattformen wie Lieferheld und Lieferando: Über die Plattform bieten Restaurants ihre Speisen einer breiten Masse an Kunden an, die von einer großen Auswahl unterschiedlichster Gerichte profitieren, die sie einfach bestellen können und bequem nach Hause geliefert bekommen. Eine Win-Win-Situation.

Einfach und kostengünstig

Für stationäre Händler ist es vorteilhaft, wenn sie ihre Produkte über Online-Marktplätze verkaufen. Eine solche Plattform ist ein zusätzlicher Vertriebskanal, den sie günstig und ohne großen Aufwand nutzen können. Ausgewählte Produkte dort anzubieten, ist die optimale Möglichkeit, um erste Erfahrungen im Onlinehandel zu sammeln. Wenn Händler beispielsweise Restposten antizyklisch verkaufen, lassen sich sogar höhere Preise erzielen. Die weiteren Vorteile liegen auf der Hand: Retailer können das eigene Geschäft einfach in andere Länder expandieren – sofern der Marktplatz international tätig ist. Durch die Vergrößerung des Gesamtsortiments erhalten sie ein Mehr an Verhandlungsmacht und haben die Chance, (größere) Rabatte von ihren Lieferanten zu erhalten – zumal sie ihre eigene Logistik in die großen Logistikzentren der Marktplatzbetreiber auslagern können. Zudem profitieren Händler von der enormen Reichweite, den Marketingaktivitäten und der ausgefeilten Technologie des Marktplatzes. Um all das müssen sie sich nicht selbst kümmern – anders, als wenn sie einen eigenen Onlineshop eröffnen würden. Darüber hinaus können Händler über Verkaufsplattformen die ohnehin nötige Verschmelzung der Offline- und Online-Kanäle vorantreiben, Stichwort: Cross-Channel. Indem sie Kunden aus der Region anbieten, online bestellte Waren vor Ort abzuholen, besuchen wieder mehr Kunden das stationäre Ladengeschäft.

Auch für Onlinehändler interessant

Daneben profitieren auch Onlinehändler von Marktplätzen: Sie müssen keine weitere Infrastruktur aufbauen, um ihre Waren auf der Plattform anbieten zu können. Alles Wesentliche, wie etwa Produktbilder und Produktbeschreibungen etc., ist bereits vorhanden und lässt sich auf dem Marktplatz mit sehr geringem Aufwand ausspielen. Händler müssen sich weder um den Betrieb der Plattform noch um begleitendes Marketing oder Suchmaschinenoptimierung (SEO) kümmern. Sie können sogar vom zentralen Marketing des Marktplatzes profitieren, etwa indem sie sich an einer Gutscheinaktion beteiligen. Sie nutzen einfach die vorhandene Infrastruktur – ohne ein finanzielles Risiko einzugehen. Es ist üblich, dass die Plattformbetreiber vom teilnehmenden Onlinehändler eine Provision in einer zuvor definierten Höhe erhalten, wenn Kunden ein Produkt kaufen. Damit können Onlinehändler die Risiken, aber auch die Chancen im Vorfeld sehr genau abschätzen und sich auf Basis einer validen Kosten-Nutzen-Analyse für den Vertrieb ihrer Produkte auf einem Marktplatz entscheiden.

Digitaler Schaufensterbummel

Ein weiterer großer Vorteil besteht in der Möglichkeit, neue Zielgruppen und Kundensegmente zu erschließen. Fokussiert sich beispielsweise ein Fashion-Händler in seinem eigenen Onlineshop eher auf Business-Casual-Mode, kann er über die Plattform auch sportlich gekleidete Menschen erreichen, die ein Outfit für ein Vorstellungsgespräch suchen – und so seine Reichweite deutlich ausbauen. Eben die Tatsache, dass so viele unterschiedliche Händler ihre mannigfaltigen Produkte auf einer einzigen Plattform anbieten, ist für Kunden der große Mehrwert. Die Chance, auf einem Marktplatz mit riesigem Sortiment das Gesuchte zu finden, ist deutlich größer als in einem Onlineshop eines bestimmten Labels, das nur seine eigenen Produkte anbietet. Viele Besucher stöbern auf der Plattform, sie machen einen digitalen Schaufensterbummel – und wissen noch nicht, was genau sie kaufen möchten. Wenn dann die eigenen Produkte in der Trefferliste auftauchen (Cross-Selling), besteht eine realistische Chance, die Laufkundschaft im Web auf sich aufmerksam zu machen und für sich zu gewinnen.

Risiken abwägen

Zweifelsohne bieten solche Plattformen viele Vorteile, aber sich blindlings in das Abenteuer Markplatz zu stürzen, ist für Händler der falsche Weg. Es bestehen durchaus Risiken, die es gründlich abzuwägen gilt. So sollten sich Händler die AGB und Widerrufbestimmungen der Plattformbetreiber genau anschauen, da sie diesen verpflichtet sind, sobald sie auf dem Marktplatz aktiv werden. Auch bezüglich der Preisgestaltung ist Vorsicht geboten. Aufgrund der zu erwartenden höheren Umsätze auf der Plattform können Händler ihre Preise dort niedriger gestalten als in ihrem eigenen Shop oder Ladenlokal. Doch dabei besteht die Gefahr, seine dortigen Umsätze durch die Plattform zu kannibalisieren. Retailer müssen also ganz genau wissen, welche Artikel sie wo zu welchem Preis verkaufen können, um einen möglichst großen Umsatz zu erzielen. Ein ähnlich bedachtes Vorgehen empfiehlt sich beim Umgang mit Warenbeständen. Die Produktverfügbarkeit genau im Auge zu behalten, ist ein entscheidendes Erfolgskriterium, wenn Händler ihre Produkte über verschiedene Kanäle vertreiben. Zu groß ist das Risiko, Kunden zu verärgern oder gar zu vergraulen, wenn vermeintlich vorrätige Produkte dann doch nicht verfügbar oder erst nach einer langen Wartezeit lieferbar sind. Um dem vorzubeugen, sollten Retailer entweder getrennte Sortimente führen oder eine Technologie einsetzen, die eine kanalübergreifende Steuerung der Verfügbarkeit in Echtzeit erlaubt. Nicht zuletzt sind da noch die Marktplätze der Platzhirsche Amazon und Ebay, die inzwischen über eine sehr große Marktmacht verfügen. Als Plattform-Giganten sind sie in der Position, Einfluss auf die Rahmenbedingungen zu nehmen, etwa indem sie Preise und Lieferfristen diktieren. Das verstärkte Aufkommen spezialisierter Nischen-Marktplätze bietet hier eine große Chance: Indem sie Amazon und Ebay Marktanteile wegnehmen, können sie die Macht der Big Player zukünftig verringern und so für einen faireren Wettbewerb sorgen.

Produktinformationen und Preise automatisch ausspielen

In ihre Entscheidung, auf einem Marktplatz aktiv zu sein, sollten Händler auch technische Aspekte einfließen lassen. Um erhebliche Mehraufwände zu vermeiden, ist es ratsam, sowohl auf der Plattform als auch im eigenen Onlineshop auf dieselbe Produktdatenbank zuzugreifen. Sonst kann es erforderlich sein, Bilder und Beschreibungen doppelt zu verwalten und zu pflegen – was sehr ineffizient ist. Weiterhin wichtig ist die Möglichkeit, Änderungen bezüglich Preisen oder Verfügbarkeiten schnell vornehmen zu können. Passt ein Händler die Preise in seinem Shop an, sollte dies zeitnah auch auf dem Marktplatz erfolgen – idealerweise in Echtzeit. An dieser Stelle ist der Plattformbetreiber gefordert: Er sollte eine Technologie einsetzen, die mit einer Funktion zur automatisierten Datenübergabe ausgestattet ist: Nur dann ist es möglich, Änderungen in den Systemen des Retailers vollautomatisiert in die Datenbank des Marktplatzes zu übernehmen. Darüber hinaus müssen die Betreiber eine Reihe an Voraussetzungen erfüllen, damit Händler auf ihrer Plattform aktiv werden und diese entsprechend erfolgreich machen.

Zahlungsabwicklung über BaFin-zugelassenes Zahlungsinstitut

Ein wichtiges Erfolgskriterium ist die Zahlungsabwicklung: Laut Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) sind Finanztransfergeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG genehmigungspflichtig, d.h. Plattformbetreiber benötigen in der Regel eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wenn sie Geldtransfers vom Kunden zum Verkäufer abwickeln wollen – ein aufwändiges Verfahren. Doch es gibt eine einfache Alternative: die Zusammenarbeit mit einem von der BaFin zugelassenen Zahlungsinstitut. Mit einem solchen Zahlungsinstitut besteht die Möglichkeit, Transaktionen sicher und zuverlässig abzuwickeln. Der Plattformbetreiber schließt einen Rahmenvertrag mit dem Zahlungsdienstleister, während die Händler anschließend einen Einzelvertrag mit dem Zahlungsinstitut eingehen. Der Geldfluss gestaltet sich folgendermaßen: Der Zahlungsdienstleister erhält alle Rechnungsbeträge von den Kunden des jeweiligen Händlers und zahlt die Umsätze, abzüglich einer Provision für den Plattformbetreiber, an den jeweiligen Händler aus.

Schnelles, unkompliziertes On-Boarding ist ein Muss

Um dieses Modell so attraktiv wie möglich zu gestalten, ist ein automatisierter, browserbasierter On-Boarding-Prozess zu empfehlen. Idealerweise stellt der Plattformbetreiber dem Zahlungsinstitut die Daten der neuen Händler bereits im Vorfeld zur Verfügung, damit der es die vorhandenen Informationen in das System einspielen kann. Ein Web-Assistent begleitet durch alle notwendigen Schritte der Anmeldung. An dieser Stelle lassen sich möglicherweise fehlende Informationen ergänzen und/oder benötigte Dokumente hochladen. Alternativ übernimmt das Zahlungsinstitut die komplette Anmeldung als Dienstleistung. Ein automatisierter On-Boarding-Prozess erlaubt den Betreibern, Händler mit möglichst geringem Aufwand in eine Plattform einzubinden. Dabei sind in der Regel alle relevanten Prüfungen, wie zum Beispiel ein Compliance-Check und die Identifizierung, derart optimiert, dass Händler innerhalb von nur 24 Stunden freigeschaltet werden können. Über eine Payment-Schnittstelle können sie im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit alle Umsätze und Zahlungsflüsse jederzeit einsehen.

Gemischte Warenkörbe abwickeln

In ihrer Entscheidung für ein Zahlungsinstitut sollten Plattformbetreiber unbedingt darauf achten, dass es gemischte Warenkörbe abwickeln kann – ein sehr komplexes Vorgehen. Für ein Maximum an Kundenfreundlichkeit und Usability sollte es Kunden möglich sein, Produkte verschiedener Händler in einem einzigen Checkout-Vorgang zu kaufen und zu bezahlen. Hierfür ist es erforderlich, dass eine korrekte Verteilung der Bestellungen und Transaktionen auf die jeweiligen Lieferanten erfolgt. Wichtig ist auch, dass der Kunde einzelne Produkte einer umfassenderen Bestellung stornieren kann bzw. dass auch dann eine Lieferung der verfügbaren Waren erfolgt, falls ein Produkt der Gesamtbestellung nicht lieferbar ist. Natürlich versteht sich von selbst, dass der Zahlungsdienstleister bei der Speicherung und Verarbeitung sensibler Zahlungs- und Kundendaten höchste Sicherheitsstandards erfüllen muss.

Auf Nummer sicher

Die Zahlungsabwicklung an einen spezialisierten Dienstleister zu übergeben, bietet für den Plattformbetreiber auch im Schadenfall einen maßgeblichen Vorteil: Da der Betreiber als technischer Dienstleister lediglich die Infrastruktur, also die Plattform, zur Verfügung stellt, ist es der Händler, der einen Vertrag mit den Endkunden eingeht und dem darum die Schadensregulierung obliegt. Für einen möglichen Zahlungsausfall sollte die Payment-Software mit einer Komponente für ein automatisiertes Mahnwesen ausgestattet sein, das im Falle einer ausstehenden Forderung oder bei Rückbelastungen automatisch angestoßen wird. Zudem sollte der Mahnlauf individuell zu konfigurieren sein. Im Idealfall bietet das Zahlungsinstitut ein integriertes Risikomanagement, sodass Zahlungsausfälle gar nicht erst auftreten: Basierend auf verschiedenen Risiko-Checks sollte eine automatisierte Auswahl der Zahlungsmittel erfolgen, sodass unsichere Zahlarten, wie etwa der Rechnungskauf, potenziellen Schuldnern nicht zur Auswahl stehen. Wie genau sich der Risiko-Check gestalten und umsetzen lässt, ist individuell zu vereinbaren.

Produkt und Branche als Erfolgsfaktoren

Doch nicht alle Produkte eignen sich für einen Vertrieb via Online-Marktplatz. Bei Unterhaltungselektronik beispielsweise sind die Margen zu gering, als dass es sich ein Händler leisten könnte, den Plattformbetreiber für seine Vermittlung zu bezahlen. Doch es gibt zahlreiche erfolgreiche Beispiele aus dem B2C-Umfeld, etwa im Möbel- und Fashion-Handel: Anstatt im Möbelhaus bzw. im Shoppingcenter oder der Innenstadt auf Einkaufstour zu gehen, finden Konsumenten auf einem Marktplatz ein ebenso, wenn nicht sogar größeres Sortiment an Mobiliar oder Kleidung – aller Stilrichtungen und in allen Preisklassen. Ein weiterer Bereich, in dem sich Marktplätze immer größerer Beliebtheit erfreuen, sind Portale für Preis-, Tarif- oder Anbietervergleiche. Neben der reinen Angebotsvermittlung wickeln viele dieser Plattformen inzwischen auch den Kauf ab. Gleiches gilt für die Vermittlung von Reinigungs- und Pflegekräften, die auf einer Plattform ihren Service offerieren. Daneben haben sich Marktplätze auch im B2B-Bereich etabliert, zum Beispiel im Bauwesen: Anstatt einzelne Baustoffe in verschiedenen Onlineshops kaufen oder über stationäre Händler beziehen zu müssen, können Baufirmen auf einer einzigen Plattform alle Materialien bestellen, die sie für ein Bauvorhaben benötigen. Damit steht fest: Mit den passenden Produkten in der richtigen Branche sind Online-Marktplätze für Händler ein attraktiver Verkaufskanal, über den sie ihre Reichweite unkompliziert ausbauen und ihren Umsatz signifikant steigern können – sofern die Plattformbetreiber die nötigen Voraussetzungen getroffen haben.

Mirko Hüllemann (Copyright: coldkitchen / Dirk Grimminger)

Mirko Hüllemann (Copyright: coldkitchen / Dirk Grimminger)

Über den Autor

Mirko Hüllemann (Jahrgang 1969) ist Mitgründer und Geschäftsführer der Heidelberger Payment GmbH, kurz: heidelpay, ein von der BaFin zugelassenes und beaufsichtigtes Zahlungsinstitut für Online-Paymentverfahren. heidelpay deckt das komplette Leistungsspektrum in Sachen elektronische Zahlungsabwicklung ab: Von der Zahlartenanbindung über die Transaktionsverarbeitung bis hin zu Monitoring und Riskmanagement. Vor der Gründung von heidelpay im Jahr 2003 war Mirko Hüllemann u.a. für verschiedene Anbieter von Online-Zahlungsdiensten tätig: als Vertriebsleiter für die paybox.net AG und als Geschäftsführer für die United Payment GmbH. Seine berufliche Karriere startete der Dipl.-Volkswirt 1999, nach Abschluss seines Studiums an der Universität Heidelberg, als SAP-Berater bei der cbs Corporate Business Solutions Unternehmensberatung GmbH.


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