Otto Group glaubt an „Dualität“ von stationär und online, wächst aber vor allem im E-Commerce.

von Florian Treiß am 22.Februar 2017 in News, Trends & Analysen

Rainer Hillebrand

Koexistenz der Kanäle: Rainer Hillebrand, stellv. Vorstandsvorsitzender der Otto Group, glaubt zwar an das Fortbestehen des stationären Handels in einer „Dualität“ zum Online-Handel, hält aber zugleich den „E-Commerce für den wichtigsten Treiber des Einzelhandels“. Beim E-Commerce-Mediengespräch des Konzerns gestern in Berlin sagte er, dass der stationäre Handel stärker auf  Digitalisierung sowie kundenzentriertes Denken (Fachsprech: Customer Centricity) setzen müsse, um weiter erfolgreich zu sein. Dies mache bspw. die Otto-Tochter Crate & Barrel in den USA schon sehr gut. Zugleich lobte Hillebrand die Otto Group mit einem Seitenhieb auf Quelle & Co: „Im Grunde sind wir der Weltmeister der digitalen Transformation im Handel. Dabei sind wir der einzige große Player weltweit, der aus dem Katalog-Versandhandel kommt.“

Doch schaut man sich die nackten Zahlen an, wird klar, dass das Geschäft der Otto Group weltweit kleiner ist als die Amazon-Umsätze allein in Deutschland: Gegenüber dem Geschäftsjahr 2015/2016 konnte die Otto Group die Onlineumsätze weltweit um rund zehn Prozent von 6,34 auf voraussichtlich knapp 7 Mrd Euro steigern. Der Gesamtumsatz lag im letzten Geschäftsjahr bei 12,1 Mrd Euro, hierfür gibt es noch keine Prognose fürs am 28. Februar endende Geschäftsjahr. Jochen Krisch von Exciting Commerce merkt dazu kritisch an, dass die Otto Group eigentlich schon 2015 einen Onlineumsatz von 8 Mrd Euro schaffen wollte. Zum Vergleich: Amazon hat im vergangenen Jahr rund 13 Mrd Euro allein in Deutschland umgesetzt und selbst ohne Marktplatzgeschäft und Amazon Web Services lag der Einzelhandelsumsatz von Amazon in Deutschland noch bei rund 9,5 Mrd Euro. Die Schlagzeile vom „deutschen Amazon“, die heute der Tagesspiegel gebracht hat, ist also eher eine Mär, zumal Rainer Hillebrand den Vergleich nicht ganz fair findet und sagt: „Amazon ist ein Technologieunternehmen, das Waren verkauft. Wir sind der menschliche, anfassbare Onlinehändler.“

Die Otto Group gibt bei der Digitalisierung auf jeden Fall weiter Gas und setzt dabei auf mehreren Ebenen an: So ist das Projekt Kulturwandel 4.0, bei dem sämtliche Mitarbeiter sich Duzen und die Digitalisierung leben sollen, eine Sache, die „es mit dieser Wucht vorher noch nie gegeben hat“, meint Rainer Hillebrand. Auch die Installation eines Chief Digital Officers sei für ein Familienunternehmen ziemlich einzigartig. Zudem beweist die Otto Group bei dem Mediengespräch durch Vorträge von den Stars der Digitalszene Florian Heinemann (Project A Ventures) und Arnulf Keese (e.ventures), dass der Konzern offen ist für Unterstützung von außen. So hilft e.ventures beim Trendscouting und Know-how-Transfer und gibt Impulse für den Kulturwandel. Und Heinemann zeigt bei seinem Vortrag eine Strategie für vertikal integrierte Eigenmarken, mit der Firmen in der GAFA- bzw. Plattform-Ökonomie bestehen können, in dem sie Modelle mit direktem Kundenzugang entwickeln wie etwa Nespresso oder der Dollar Shave Club.

Hillebrand sieht die Herausforderungen der Digitalisierung auf jeden Fall sportlich und sagt zum Abschluss: „Auch wenn wir aktuell Weltmeister der digitalen Transformation sind, ist nächstes Jahr ein neues Turnier, bei dem wir auch wieder gut abschneiden wollen.“

 


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