Überlebensstrategien für den stationären Handel  – abseits (?) vom E-Commerce.

von Gastautor am 11.Mai 2015 in Trends & Analysen

Von Ulrich Eggert

A. Zur momentanen Situation im deutschen Handel

Eggert, Ulrich 1 WEBLaut Handelsverband Deutschland (HDE), der sich auf das Statistische Bundesamt bezieht, gibt es in Deutschland momentan inklusive Kfz ca. 430.000 Handelsbetriebe mit etwa gut 600.000 örtlichen Einheiten und etwa gut 4 Millionen Beschäftigten bei über 700 Milliarden Euro Jahresumsatz. Bezogen auf den Einzelhandel im engeren Sinne, also ohne Kfz, Kraftstoffe etc., sind es immerhin noch gut 300.000 Unternehmen mit über 450.000 örtlichen Einheiten.

Trotzdem sieht Martin Weigart in einem Beitrag aus dem Jahr 2013 auf netzwertig.com „das Betreiben von Ladenflächen, in denen Produkte in großer Zahl vorgehalten und präsentiert werden, damit sie vielleicht einen Monat später ein interessierter Passant erwirbt, ist eigentlich nur eine Notlösung, nicht unähnlich der Tageszeitung mit gedruckten Nachrichten vom Vortag. Weil es in der Vergangenheit für Konsumenten keine Möglichkeit gab, Produkte bei Bedarf an zentraler Stelle zu erwerben – im besten Fall direkt beim Hersteller, der sie dann fertigt – hat sich eben der Brauch etabliert, dass Hersteller über verschiedene Mittelsmänner Waren in Ladenflächen liefern lassen, in der Hoffnung, dass rein zufällig genau dort jemand an ihnen Interesse hat. Mit Werbung, Schaufenstern und Sonderangeboten wird diese Nach-frage künstlich erhöht. Wirklich intelligent ist dieses Verfahren nicht, viele wertvolle Ressourcen werden verschwendet. Man stelle sich nur vor, welche Unmengen an produzierten Gütern heute in den Verkaufsflächen und Lagerräumen von Geschäften rund um den Globus verstauben, anstatt sich in Gebrauch zu befinden. Dieses Überangebot nutzt niemandem, die Herstellung belastet jedoch die Umwelt mehr als nötig.“

Abgesehen davon, dass gegen diese Meinung bereits sachlogisch einiges vorzubringen wäre, ist diese Meinungsäußerung zunächst einmal sehr pointiert und durchaus bestechend. Weigert fährt dann später fort:

„Beim Einkauf im Netz reduziert sich der Bedarf an »geparkten« Produkten deutlich, weil Waren eben nur noch in einigen wenigen Großlagern auf den Kauf warten. Gleichzeitig hilft das enorme Arsenal von Bestell- und Verhaltensdaten der Verbraucher im Netz in Kombination mit klugen Algorithmen, Nachfrageeinbrüche oder -spitzen rechtzeitig zu prognostizieren. Denkt man diese Entwicklung noch einen Schritt weiter, so ließe sich zumindest für bestimmte Warengruppen das Lager ganz eliminieren – wenn also Produkte »on Demand« hergestellt werden.“

Aber man stelle sich nun auf der anderen Seite vor, jedes Handelsunternehmen strebt in das Internet und baut einen eigenen Shop für E-Commerce auf: Tohuwabohu im Heuhafen wäre eine logische Konsequenz, kaum jemand dürfte noch den Händler seiner Wahl bei den vielen Namensgleichheiten finden können. Daraus ließe sich logisch schließen, dass es nicht sinnvoll sein kann, dass jeder Händler auch zum Onlinehändler wird. Schon jetzt wird im Internet nur wenig Geld verdient bzw. nur wenige Firmen verdienen ausreichend Geld im Internet, aber dann würde wohl kaum noch jemand je seine Investitionen auf der anderen Kontoseite wiedersehen können.

Trotzdem ist die Entwicklung des E-Commerce in den letzten Jahren mehr als rasant zu bezeichnen. Mitte der 1990er Jahre völlig unbedeutend im Abseits gestartet hat der Online-handel für Neuprodukte mittlerweile einen Marktanteil von jenseits von 10 Prozent erreicht, im Non-Food-Bereich gar von etwa 16 Prozent, denn aufgrund des Frischegedankens im Food-Bereich und des überwiegend fehlenden Konzeptes Same-Day-Delivery in vielen Regionen hat sich das Internet hier noch nicht durchsetzen können. Aber insgesamt laufen die Prognosen der Marktanteile verschiedener Institutionen wie bvh, IFH und auch des Autors dieser Kurzstudie darauf hinaus, dass im Jahre 2020 der Onlinehandel insgesamt einen Marktanteil von 20 Prozent erreichen wird, im Jahre 2030 wahrscheinlich sogar 30 Prozent und mehr.

So ist es denn auch vom Denken her logisch, dass einer der Samwer-Brüder, mit die größten deutschen Investoren im Internethandel, der Meinung ist, dass über 80 Prozent der Offline-händler nicht überleben werden. Diese Meinung ist natürlich auch sehr einseitig, denn sie übersieht, wie viele Existenzgründer neu auf den Markt auch noch im klassischen Handel regelmäßig auftreten und diese Zahlen insgesamt korrigieren werden in vielleicht etwa in Richtung 40 Prozent, rein der Anzahl nach.

Auf der anderen Seite ist jedoch auch festzustellen, wie schon eingangs erwähnt, dass im Internet nur sehr wenige Unternehmen trotz aller Umsatzzuwächse positive Erträge, sprich: Gewinne, erzielen. Das liegt natürlich auch daran, dass Unternehmen wie Amazon und auch Zalando und Co. zunächst einmal danach streben, Marktanteile zu gewinnen und die Gewinnerzielung auf später, vielleicht sogar den Sankt-Nimmerleins-Tag, verschoben haben. Jedenfalls ist die Konsequenz hieraus, dass auch im Onlinehandel ein überaus brutaler Ausleseprozess herrscht und auch hier von den heute bestehenden Onlinehändlern sicherlich ebenso 80 Prozent in 10 / 15 Jahren nicht mehr existieren werden, natürlich auch in diesem Fall zum großen Teil wieder ersetzt durch Neugründer.

Als wichtige Rahmenbedingung bleibt zu erwähnen, dass auf der Verbraucherseite die Einkommen in den letzten Jahren netto real nicht gewachsen sind und bei Anhalten des politischen Denkens in Deutschland – nämlich Exportorientierung vor Binnenkonjunktur – auch hier keine Änderung zu erwarten ist, so dass von dieser Seite kein Wachstumsschub in den Handel kommen wird. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die zunehmende Überalterung der Bevölkerung und den sehr häufig fehlenden Bedürfnissen von älteren Menschen, ihren persönlichen Konsum „anzukurbeln“.
Das Ergebnis all der vorgenannten analytischen Bemerkungen ist sehr eindeutig: Der gesamte Einzelhandel in Deutschland wächst nur nominal, aber dieses Wachstum findet ausschließlich im E-Commerce statt, so dass der klassische Einzelhandel, der stationäre Handel, bereits Umsätze verliert – und zwar nicht nur relativ an Marktanteilen, sondern absolut an Werten. Das gilt vor allen Dingen für den Non-Food-Handel, da im Lebensmitteleinzelhandel der E-Commerce momentan nur geringe Marktanteile hat erobern können, s.o.

Zu den Entwicklungen im Handel generell gibt es von der Ulrich Eggert Consulting.Köln zwei kostenlose Downloads „Megatrends II – Starke Veränderungen im Handel“ bzw. einen zweiten kostenlosen Download zum Thema „Gewaltige Marktanteilsverschiebungen im Handel bis 2025 / 2030“ auf der Homepage www.ulricheggert.de/kostenlose-studien. Auf der gleichen Site finden Sie aber auch eine weitere kostenlose Studie zum Thema „Wachstum mit Internet & E-Commerce“, quasi für die „Gegenseite“.

B. Stärken des stationären Handels als Chance!?

Nun, welche Stärken könnte der stationäre Handel nutzen, um im Wettbewerb gegen den Onlinehandel auch in Zukunft noch einen Fuß auf die Erde zu bekommen? Da wären z.B.:

1. Sinnlichkeit der Einkaufsgestaltung
Die Haptik, das Riechen, das Schmecken und das Fühlen unterscheiden den stationären Handel allemal vom Internet.

2. Erlebnis
Der stationäre Handel kann vor Ort in seinem Laden Erlebniswelten aufbauen und auch den Einkauf leichter als Spaßfaktor gestalten, als es im Internet möglich ist.

3. Persönlicher Verkauf & Beratung
Der stationäre Handel setzt Verkäufer ein, die dem Kunden Empfehlungen aussprechen, ihn beraten und von Fehlkäufen abhalten können.

4. Persönliche Beziehung
Es können persönliche Beziehungen zum Kunden aufgebaut werden, die langfristig an-gelegt sind, aber auch die momentane Kaufsituation direkt und sofort berücksichtigen können. Das jedoch erst ermöglicht eine langfristige Kundenbindung.

5. Inhaber vor Ort
Insbesondere im mittelständischen Fachhandel mit nur einem Outlet spielt der Inhaber eine wichtige Rolle in der Beziehung zum Kunden: Er ist die entscheidende Person, hier können Wünsche geäußert und Reklamationen ausgesprochen werden.

6. Ergänzungslieferungen
Im Moment des Kaufs fehlende Ware kann durch Ergänzungslieferungen nachgereicht werden, im besten Falle – wie zum Beispiel bei Apotheken – am gleichen Tag oder doch vielfach am nächsten Tag durch Direktbezug vom Großhändler, Hersteller, Importeur oder wen auch immer.

7. Sofortige Inbesitznahme
Das ist noch immer ein nicht unwichtiger Punkt: Der Kunde kommt in den Laden, kauft und nimmt die gewünschte Ware sofort mit nach Hause.

8. Kommissionierung und Direktabholung
Auch im stationären Handel kann man Ware bestellen, sei es per Telefon, per E-Mail oder wie auch immer, die Ware kann vorkommissioniert werden, der Kunde nimmt sie durch Besuch in Augenschein und holt sie ab und verfügt damit sofort über die gewünschte Ware.
Diese Aspekte der Stärken des stationären Handels bilden eine nicht unwesentliche Basis für Überlegungen, wie der stationäre Handel trotz, gegen oder abseits des E-Commerce auch in Zukunft sich entwickeln und weiter bestehen kann.
Aber machen wir uns nichts vor: Die E-Commerce-Unternehmen werden alles daran setzen, diese Stärken des Fachhandels möglichst weitgehend auch in die eigenen Unternehmen zu integrieren! Oder anders ausgedrückt: es geht um Kampf, Wettkampf.

C. Konsequenzen für den stationären Handel

Natürlich spricht Vieles dafür, dass der stationäre Handel im Wettbewerb mit dem E-Commerce wohl dauerhaft mehr oder weniger den Kürzeren ziehen wird. Denn die Folgen des Onlinebooms bei weiterhin wahrscheinlich nicht nennenswert ansteigenden verfügbaren Einkommen der Verbraucher sind doch mehr oder weniger offensichtlich: Jeder einzelne Cent, der im Internet ausgegeben wird, fehlt in den Kassen des stationären Handels. Das macht es für viele Läden immer schwieriger, wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Dadurch könnten nicht nur viele Geschäfte unter die Räder kommen, sondern ganze Stadtzentren, zumindest aber Straßenzüge der Städte, sind in Zukunft immer mehr den Gefahren des Leerstands und damit der verminderten Bedeutung ausgesetzt. Wie Städte mit diesen Entwicklungen umgehen können, dazu gibt es eine kostenlose Kurzstudie der Ulrich Eggert Consulting.Köln unter dem Namen „Digitalisierung von Stadt & Handel“.

Der eingangs zitierte Martin Weigart äußert an der dort genannten Stelle, dass mit dem Onlinehandel ein historischer Unfall im Ansatz korrigiert würde:

„Nicht mehr länger sind wir für die Befriedigung unserer Konsumbedürfnisse von den begrenzten Angeboten in lokalen Geschäften abhängig, aus denen wir nach einer mal kürzeren, mal längeren Anreise oder Anfahrt unfreiwillig mit leeren Händen wieder herausmarschieren und in denen Waren teilweise viel zu lange herumliegen und auf Käufer warten.“

Mit welchen Strategien der stationäre Handel auf den Onlineboom reagieren kann, um selbst auch in Zukunft noch einige Scheiben vom Konsumbrot für sich abschneiden zu können, soll in diesem und den folgenden Abschnitten näher untersucht werden.

Zunächst einmal geht es aber in diesem Kapitel darum, die ganz globalen Konsequenzen zu entwickeln, die der stationäre Handel ziehen muss, um zu überleben. In beiden darauf folgenden Abschnitten sollen dann daraus einzelne Strategieaspekte abgeleitet werden. In diesem Sinne sind folgende Konsequenzen für den Handel zu nennen:

1. Der Handel muss sich ständig neu erfinden.
Jeder Händler ist dazu aufgefordert, seinen momentanen Auftritt als Handelsunternehmen grundsätzlich in Frage zu stellen. Das gilt nicht nur heute, das gilt tagtäglich auch in Zukunft. Er muss ständig überlegen, was er anders, was er besser machen kann. Die kreative Zerstörung aus eigenem Ansatz ist angesagt!

2. Kooperation, Kooperation, Kooperation, …
1 Übersicht - Überlebensstrategien EggertWer als stationärer Händler meint, er könne alles alleine machen, hat bereits verloren. Er soll doch gleich versuchen, seinen Laden noch heute zu verkaufen, morgend gibt es nichts mehr dafür, vgl. auch Übersicht 1. Vom Grundsatz her gibt es dreierlei Möglichkeiten der Kooperation:

a) Horizontal mit anderen Händlern
b) Vertikal mit Lieferanten retrograd oder vertikal mit Kunden vorwärtsgerichtet
c) Lateral mit völlig anderen Unternehmen wie etwa Logistikunternehmen oder auch mit Imageträgern.

Bezog sich die Kooperation früher zumeist auf den Einkauf – und deshalb gehört letztlich jeder Händler in irgendeiner Form in eine Verbundgruppe hinein –, so geht es heute vielmehr um den Verkauf, um den Vertrieb und damit auch um Werbung und vor allen Dingen das gesamte Marketing. Es geht um Kostensenkung durch größere Losgrößen in allen Aspekten der 2 Übersicht - Überlebensstrategien EggertUnternehmensführung. Es geht aber auch um regionale, um standortbezogene Kooperationen, etwa in örtlichen Werbegemeinschaften bzw. Citymarketing. Noch in den 1980er Jahren hatten nicht kooperierende Händler in Deutschland einen Marktanteil von etwa 20 Prozent, dieser ist mittlerweile auf 3, vielleicht noch 4 Prozent gesunken. Kooperierende Händler halten sich im Markt und gewinnen Marktanteile, am stärksten gewinnen jedoch die Unternehmen, die Systemen angehören: Vertikalsystemen, Verbundsystemen, Filialsystemen, Franchisesystemen usw., s. Übersicht 2. Es zeigt sich, dass in der Langfristentwicklung Filialsysteme auf Grund ihrer Konsistenz und Markenführung den Franchisesystemen überlegen sind und Franchisesysteme den einfachen Systemen von Verbundgruppen.

3. Vertikalisierung
3 Übersicht - Überlebensstrategien EggertDiese spezielle Form der Kooperation gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es geht darum, mit den Lieferanten zu kooperieren und mit ihnen markenorientierte Systeme zu bilden, die auch ergänzend verstärkt im Internet tätig werden. Die Lieferanten, die vertikale Systeme bilden, gewinnen im Markt und mit ihnen ihre Handelspartner. Diese Lieferanten müssen nicht Hersteller sein, sie können auch Importeure oder Verbundgruppen sein oder eben reine Marken wie z.B. Polo Ralph Lauren. Details dazu in Übersicht 3.
Auf der anderen Seite kann dieser retrograden Vertikalisierung eine vorwärtsgerichtete Vertikalisierung gegenübergestellt werden, nämlich zum Beispiel in der Form, dass der Händler seine eigenen Filialen zu Franchisepartnern macht und die Filialleiter zu Führern dieser Outlets.

4. Marke
4 Übersicht - Überlebensstrategien EggertStarke Marken ermöglichen einen starken Auftritt und damit eine bessere Zukunft. Das bedeutet für den Handel, dass er die richtigen Markenlieferanten in seinem Portfolio führen muss. Das heißt aber auch auf der anderen Seite, dass er Marken haben muss, die niemand anders hat, nämlich Eigenmarken! Mit Eigenmarken kann er preislich mithalten und trotzdem eine gute Kalkulation erzielen, s. Übersicht 4. Das Entscheidende ist jedoch, dass der Händler sich selbst zur Marke machen muss – zur Retail Brand. Er muss aus der Rolle herauskommen, nur Verteiler von Waren mit Fremd-Marke zu sein, er muss der Verkäufer (s)einer Marke sein – nämlich der Verkäufer seiner selbst!

5. Neue Kommunikationstechniken
Wenn schon kein E-Commerce aufgebaut werden soll oder kann(?), so ist es jedoch unausweichlich, dass jeder Händler im Internet aktiv ist, nämlich dort eine entsprechende Homepage führt, die mehr bietet als nur Name, Sortiment und Wegbeschreibung. Er muss in die Themen Social Media und Content Marketing einsteigen, d. h., er muss Downloads, Fotostrecken, Spaß und Unterhaltung und so weiter und so fort bieten.

6. Mehrwert durch Problemlösung
5 Übersicht - Überlebensstrategien EggertDer künftige Händler muss mehr bieten als nur Spezialisierung auf Ware: Es geht um Problemlösung, d. h.: Ware + Dienstleistung + Service + Beratung + Information + After-Sales-Services usw. Die Beratung spielt eine entscheidende Rolle dabei und jeder Kunde muss das Gefühl haben, dass er ein bevorzugter Kunde ist, s. Übersicht 5.

7. Erlebnis & Inszenierung
Es muss Spaß machen, den örtlichen Handel zu betreten und nicht als Couch Potato das Smartphone oder den Tablet zu bedienen. Dazu bedarf es einer Inszenierung des Hauses mit Erlebniskraftcharakter hin zum Lifestyle-Handel.

8. Flexibilität
Siehe Punkt 1: Das Unternehmen muss sich ständig neu erfinden. Das bedeutet auch, dass alles im Fluss bleiben muss – alles ist in Bewegung und muss ständig den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden angepasst werden.

9. Outsourcing
Bei allen diesen Überlegungen ist es unabdingbar, dass der Händler / das Unternehmen sich auf die Bedürfnisse des Kunden konzentriert und versucht, die gebotene Leistung zu optimieren. Das geht aber nur, indem Nebenaktivitäten auf andere verlagert werden. Niemand muss die Buchhaltung selbst im Hause machen, niemand muss selbst im Hause Röcke kürzen, niemand muss selbst die Ware zum Kunden ausfahren. Dafür gibt es Dienstleister, die im Namen des Händlers auftreten.

D. Grundsatzstrategien

Bei der Entwicklung von Grundsatzstrategien geht es weniger um die marktorientierte Profilierung und dadurch dem Onlinehandel Anteile vorzuenthalten, sondern mehr um Überlegungen, wie die Unternehmensexistenz überhaupt gesichert werden kann.
Im Detail könnten das u.a. folgende Aspekte sein:

1. Finanzierung & Liquidität
Die letzte Finanzkrise hat gezeigt, dass Unternehmen auch bei der schönsten Markt-strategie in Schwierigkeiten geraten, wenn sie nicht über ausreichend liquide Mittel verfügen, um kurzfristige Rückschläge zu überbrücken. Dabei spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle, eine ausreichende langfristorientierte Finanzierung ist Basis aller weiteren Überlegungen. Dabei müssen zur Sicherung der Liquiditätslage Bedarfsspitzen mit eingerechnet werden.
Letztlich geht es hier um so etwas wie die Unternehmensvorsorge.

2. Kosten
Kostenoptimierung ist eine ständige Aufgabe der Unternehmensleitung. Diese muss ständig nach Möglichkeiten der Kostenreduzierung Ausschau halten und die Mitarbeiter anregen, geplante Budgets einzuhalten und selbst zu versuchen, Ausgaben und Kosten zu reduzieren. Kostenbegrenzung ist eine wesentliche Voraussetzung für Liquidität.
Zum Thema Kosten senken gibt es von der Ulrich Eggert Consulting.Köln zu den Themen „Kosten senken mit System“ und „Kostenoptimierung“.

3. E-Business
6 Übersicht - Überlebensstrategien EggertE-Business bedeutet die elektronische Steuerung der Geschäftsprozesse in Unternehmen, E-Commerce als elektronischer Verkauf oder E-Procurement als elektronischer Einkauf sind hierbei nur die Aspekte am jeweiligen äußeren Rande. EDI, RFID, QR-Codes, Supply Chain Management, Customer Relationship Management und ähnliche Dinge gehören hierzu, vgl. Übersicht 6.

4. Innovationen & Innovationsorientierung
Das Unternehmen muss sich nicht nur ständig neu erfinden, sondern es muss genauso ständig überlegen, wie sein Auftritt insgesamt neu gestaltet werden kann. Dazu gehören innovative Sortimente, innovative Kommunikationstechnologien, Sozialinnovationen zur Mitarbeiterführung, Geschäftsmodellinnovationen usw. Innovationen sind das Lebenselixier eines jeden Unternehmens, denn Neues findet eigentlich immer das Interesse der Verbraucher, zumindest zunächst.

5. (Regionale) politische Aktivitäten
Wer sich bei Gelegenheit über politische Entwicklungen vor Ort beschweren will, muss auch politisch aktiv sein. Jeder Händler muss nicht gleich Bürgermeister werden wollen, aber die Mitarbeit in entsprechenden Gremien für Citymanagement bzw. Stadtmarketing usw. sind nicht nur von Nutzen, sondern wesentliche Voraussetzung.

6. Homepage
Auch der Händler, der nicht für sein Unternehmen E-Commerce aufbauen möchte, benötigt einen Auftritt im Internet, wie schon an anderer Stelle erwähnt. Dazu gehört die Homepage verbunden mit Content Marketing, E-Mail-Marketing, Social Media und auch Location Based Services (LBS) auf Basis von Apps usw.

7. Nutzen durch Mehrwert bieten
Jedes Handelsunternehmen muss sich aus Sicht des Kunden nützlich machen. Nur, wer dem Kunden einen Nutzen stiftet, wird bei seinen Kaufentscheidungen auch berücksichtigt. Nutzen bedeutet Kundennähe und das nicht unbedingt in regionaler Sicht, sondern vor allen Dingen in gedanklicher/geistiger Hinsicht.
Kein Mittelständler ist in der Lage, durch Preiskriege seinen Unternehmensfortbestand zu sichern. Statt Preiskriegen muss er Mehrwerte aufbauen, wie ebenfalls schon an anderer Stelle erwähnt. Mehrwerte zielen auf den Nutzen ab, den der Kunde durch einen Besuch des Hauses erreichen möchte. Das geht zum Beispiel um Informationen, Beratung, Erlebnisse, Spaß und Freude, …

8. Investitionen
Unternehmen, die überleben wollen, dürfen Investitionen nicht scheuen. Die hier genannten Aspekte der Grundsatzstrategien und die noch folgenden Detailstrategien werden zeigen, wohin die Investitionen fließen können oder müssen.

7 Übersicht - Überlebensstrategien EggertE. Strategische Detailansätze

An dieser Stelle muss nun detailliert überlegt werden, wie die vorgenannten Konsequenzen und Grundsatzstrategien in den jeweiligen Unternehmen ausgefüllt werden können. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren dazu verzeichnet Übersicht 7.
8 Übersicht - Überlebensstrategien Eggert

In der etwa 25-seitigen kostenlosen Kurz-Studie „Überlebensstrategien für den stationären Handel – abseits (?) vom E-Commerce“ entwickelt die Ulrich Eggert Consulting in Köln etwa 30 strategische Ansätze. Übersicht 8 greift daraus Auszüge auf.

F. Stadtmarketing

In der Regel hilft die schönste Handelsstrategie nichts, wenn das Umfeld negativ aufgebaut ist. Das entscheidende Umfeld ist sicherlich die direkte Nähe, aber von großer Bedeutung ist auch das Gesamtumfeld, also die Stadt bzw. die City oder der Vorort bzw. die Einkaufsstraße, wo das Handelsunternehmen angesiedelt ist.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ist das Thema Kooperation für selbstständige Handelsunternehmen in Zukunft immer wichtiger. Eine der entscheidenden Kooperationen ist neben dem klassischen Einkauf und dem Gesamtvertriebsaspekt die regionale Kooperation – also die Kooperation, die hilft, den Standort interessant zu machen. Dazu gehört das Stadtmarketing bzw. Citymanagement.
9 Übersicht - Überlebensstrategien Eggert

E-Commerce und Internet haben auf die heutigen Städte eine ähnliche Wirkung wie die Ansiedlung von Einkaufszentren oder SB-Warenhäusern auf der grünen Wiese für die Citys von Mittelstädten, s. Übersicht 9. Der E-Commerce führt zu sinkenden Umsätzen und damit sinkenden Erträgen des innerstädtischen Einzelhandels, in Fortsetzung zu Leerständen und damit häufig zum Tradingdown der anderen Händler, die versuchen, durch Preissenkungen Kunden an sich zu binden. Das führt insgesamt zur sinkenden Attraktivität und einer weiter sinkenden Kundenfrequenz – und die Katze beißt sich so in den Schwanz. In diesem Fall muss es gelingen, die Abwärtsspirale zu durchbrechen mithilfe von freiwilligen Initiativen von allen Beteiligten.

Dazu zählen Handel, Gastronomie und Vergnügungsbetriebe, Gewerbe, Dienst-leistungen, Kunst und Kultur, die Eigentümer, aber auch und vor allem die Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Und es wäre gut, wenn es gelingt, Investoren einzubinden. Es muss ein Stadtmarketing aufgebaut werden mit Standortmarketing, Tourismusmarketing, Citymarketing, 10 Übersicht - Überlebensstrategien EggertEventmarketing und Verwaltungsmarketing, s. auch Übersicht 10. Gegebenenfalls kommt Vorort- oder Straßenmarketing dazu. Je kleiner die Städte sind, umso wichtiger ist die Integration von Wochenmärkten in das Stadtmarketing. Vgl. dazu den fast 100 seitigen kostenlosen Download „Die Digitalisierung von Stadt & Handel“ auf www.ulricheggert.de/kostenlose-studien.
Erfolgsvoraussetzungen für ein künftiges Stadtmarketing werden sein, dass man vernünftige Planungen von Maßnahmen durchzieht, die auch realisiert werden können, dass man sich nicht an Wunsch- und Traumvorstellungen orientiert. Es bedarf einer starken Kommunikation mit Nutzenargumentation und geeignetem Slogan. Erfolge müssen kommuniziert und Misserfolge analysiert werden – es bedarf bei einem sinnvollen Stadtmarketing der ständigen Abwechslung, parallel müssen jedoch Traditionen entwickelt werden. Es sollten Sponsoren gefunden werden aus der örtlichen Wirtschaft oder auch notgedrungen von überregionalen Unternehmen. Für das finanzielle Clearing ist es wichtig, Banken zu integrieren – der Aufbau von City-Cards hilft, das Gesamtkonzept zu unterstützen. City-Cards wären in diesem Fall zu verstehen als Kreditkarten, die innerhalb der Städte – natürlich auch woanders – genutzt werden und wo jeder Kunde, der in einem Geschäft der City einkauft, besondere Bonuspunkte erhält. Er sollte keine Rabatte erhalten, sondern 11 Übersicht - Überlebensstrategien EggertEnde des Jahres einen Bonus ausgezahlt in Form von Geld oder anderen Leistungen erhalten, und zwar umso mehr, je mehr er in der herausgebenden City/Kommune eingekauft hat. Dies dient der Kundenbindung und Kaufkraftsteigerung im Ort, es erhöht das Wir-Gefühl in der Händlerschaft wie auch zwischen Händlern und Kunden am gesamten Ort. Gerade hierfür sind die vorgenannten Banken erforderlich. Übersicht 11 zeigt einige Vorschläge für Kommunen.
Man sieht, es gibt Möglichkeiten, als Händler neben dem Internet zu bestehen, es hat jedoch keinen Sinn, gegen das Internet zu arbeiten, sondern allenfalls trotz Internet, möglichst jedoch mit dem Internet!
Köln, im April 2015; Ulrich Eggert Consulting; www.ulricheggert.de

Über Ulrich Eggert

Dipl.- Kfm. Ulrich Eggert ist seit über 35 Jahren mit und für den Handel sowie die Absatz- und Konsumgüterwirtschaft beratend und forschend tätig. Bevor er sich als freiberuflich aktiver Unternehmensberater und Forscher niederließ, war er über 30 Jahre für die frühere BBE-Unternehmensberatung GmbH in Köln aktiv. Er ist heute tätig als Handels-, Trend- und Zukunftsforscher, Unternehmensberater, Fach-Autor, Referent und Moderator sowie Organisator vielfältiger Veranstaltungen.


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