Amazon dominiert den Markt – so setzen Händler mit stationären Konzepten dagegen.

von Gastautor am 24.Mai 2018 in News, Trends & Analysen

4 Gründe, warum Retailer keine Angst vor Amazon haben sollten und was sie von dem E-Commerce-Riesen lernen können

Ed Kennedy erklärt stationäre Shop Konzepte am Beispiel von Amazon

Von Ed Kennedy (Senior Director Commerce bei Episerver)

Ob Lebensmittelversand, Video-Streaming oder Cloud-Computing: Es ist egal, in welchen Geschäftsbereich Amazon einsteigt, der Online-Händler nimmt fast immer und rasend schnell eine marktbeherrschende Stellung ein. Bei der jeweiligen Konkurrenz macht sich deswegen früher oder später Weltuntergangsstimmung breit. Das ist zwar verständlich, Amazon hat schon viele Unternehmen verdrängt, doch die Retailer und B2B-Händler sollten sich nicht von der Angst lähmen lassen. Stattdessen sollten sie anfangen, innovative und kundenzentrierte Einkaufserlebnisse zu entwickeln. Diejenigen, die nicht wissen, wie sie dabei anfangen sollen, sollten sich einfach an Amazon selbst orientieren – und dabei sogar auf stationäre Konzepte setzen.

Amazon ist nicht perfekt

Die Erfahrung zeigt: Händler, die mit Amazons Preisen konkurrieren wollen, gehen in der Regel unter. Der Kampf ist in diesem Bereich auch nicht fair, denn diese Preise werden durch das schnelle Wachstum getragen. Amazon ist nämlich längst nicht der profitabelste Retailer am Markt, nur der am schnellsten wachsende. Das geht zurück auf das berühmte Flywheel-Modell von Amazon-Chef Jeff Bezos.

Der Kern dieses Modells ist, dass die Senkung von Preisen mehr Kunden anlockt, die mehr Umsatz generieren, mit dem wiederum das Geschäft ausgebaut und letztendlich profitabler gemacht werden soll. Sollte Amazon irgendwann in der Zukunft nicht mehr so schnell wachsen, wird sich das Modell auch ändern müssen. Entweder werden die Preise steigen oder Amazon wird zur Online-Version der US-amerikanischen Großhandelskette Costco, wo die meisten Gewinne aus dem Geschäft von Mitgliedsbeiträgen abgeleitet werden und nicht aus dem Verkauf von Waren.

Diese Amazon-Strategie kann jeder nachmachen

Amazon Flywheel

In Amazons Flywheel-Modell ebenfalls enthalten ist ein weiterer sehr wichtiger strategischer Punkt, der glücklicherweise von jedem Unternehmen, auch stationären Händlern, übernommen werden kann: Amazon ist besessen von Kundenzentriertheit. Das Unternehmen versucht, wie kein anderes, zu verstehen, was die Verbraucher wollen und ihnen genau das anzubieten – am besten bevor diese wissen, dass sie es wollen.

Das geht auf eine entscheidende Erfahrung zurück, die Amazon-Gründer Jeff Bezos machte, als Amazon noch ein Online-Buchhändler war. Bezos fragte 1.000 seiner Kunden per Mail, was sie gerne online kaufen würden. Zu seinem Erstaunen gaben die meisten ausgerechnet Produkte an, die er nicht im Angebot hatte: Kleidung und Unterhaltungselektronik zum Beispiel.

Das führte dazu, dass Bezos Amazon vom reinen Händler zum Online-Marktplatz machte und damit anderen Händlern den Kontakt zu Amazon-Kunden ermöglichte – ein Schritt, der kontraintuitiv für ihn gewesen sein muss, der aber auch zum großen Erfolg führte. Die Lektion für alle anderen: Hört auf, euch um die Konkurrenz Sorgen zu machen und kümmert euch um eure Kunden! Wer es schafft, das so gut zu machen wie Amazon, wird am Markt bestehen. Das ist leichter gesagt, als getan, doch Beispiele gibt es dafür einige.

Mit stationären Konzepten gegen die Amazon-Übermacht

Da wäre natürlich Apple. Klar, das ist auch ein Riese, aber die Besonderheit bei Apple ist, dass der Tech-Gigant ausgerechnet in Zeiten, in denen immer mehr Menschen online shoppen, mit stationärem Handel so viel Erfolg hat. Das Einkaufen in einem Apple-Store ist ein ganzheitliches Tech- und Lifestyle-Erlebnis und hat auch dazu geführt, dass Apple seine Produktlinie erweitern konnte. Statt nur Computer und Smartphones verkauft Apple auch Lautsprecher, Kopfhörer und sogar Drohnen. Das macht Apple hochgerechnet auf die Ladenfläche zu einem der profitabelsten Retailer der Welt.

Warum Händler den stationären Handel nicht links liegen lassen sollten, zeigen auch die Zahlen. Schätzungen zufolge wird die Zahl von Online-Shoppern in den nächsten fünf Jahren um rund 500 Millionen auf zwei Milliarden weltweit steigen. Doch auch dann werden immer noch 84 Prozent aller Einzelhandels-Verkäufe offline passieren. Der stationäre Handel wird also nicht so schnell verschwinden, vor allem auch, weil alle Verbraucher Multi-Channel-Kunden sind.

Das Einkaufserlebnis kann auch von kleinen Unternehmen erfolgreich gestaltet werden: Das Startup Bolia.com zum Beispiel lässt seine Kunden Sofas online an ihre Wünsche anpassen. Abgeholt werden sie wiederum im Laden – auch hier wird das Einkauferlebnis online und stationär so gestaltet, dass der Kunde ein Erlebnis bekommt statt nur einen Einkauf. Bolia.com hat damit einen Nerv getroffen.

So finden Händler heraus, was ihre Kunden wollen

Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Frage zu klären: Woher wissen diese Unternehmen, was ihre Kunden wollen? Kreative Geistesblitze? Kreativität spielt zwar sicherlich auch eine Rolle, aber auch hier sollte man sich an Jeff Bezos orientieren: Er hat 1.000 Kunden angeschrieben und mit dem Ergebnis sein Geschäft umgebaut. Er ist also in den Dialog mit seinen Kunden getreten und hat eine datenbasierte Entscheidung getroffen. Und das kann nun wirklich jeder Händler. Vielleicht hat nicht jeder bereits 1.000 Adressen von Kunden, die er anschreiben kann, aber jedes Unternehmen sammelt Daten, wenn ein Kunde im Online-Shop einkauft oder die Website besucht. Die muss man nur richtig nutzen und dafür braucht es Analyse-Tools.

Die Anschaffung einer Marketing-Suite ist daher zu empfehlen, weil solche Lösungen nicht nur helfen, die Daten zu sammeln und aufzubereiten, man kann mit ihnen üblicherweise auch gleich in den Dialog mit den Kunden treten. Sie bieten zum Beispiel Lösungen für das E-Mail-Marketing und helfen Unternehmen, 1.000 Adressen oder mehr zu sammeln, zu ordnen und sie richtig zu nutzen.

Wer den Kundendialog nicht abreißen lässt, entwickelt sich mit seinen Kunden weiter und stärkt die Kundenbindung. Und loyale Kunden wandern nicht sofort ab, nur weil Amazon mit seinem Flywheel vorbeikommt.

Über den Autor

Ed Kennedy ist Senior Director of Commerce bei Episerver, wo er die Produktstrategie und die Markteinführung der Commerce-Plattform Episerver verantwortet. In den vergangenen sieben Jahren hat er Unternehmen bei der Planung und Durchführung von über 100 E-Commerce-Projekten unterstützt.


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