Angebotskommunikation per Messenger statt Handzettel: Das kann nicht die Lösung sein!

von Florian Treiß am 12.Januar 2023 in Highlight, Kommentar, News, Trends & Analysen

Blick in einen Rewe-Prospekt von 2020 – heute sind die Preise angesichts der Inflation natürlich höher

Seit Obi vergangenen Sommer gedruckte Prospektwerbung abgeschafft hat und auch Rewe als erster großer Lebensmittelhändler für Sommer 2023 das Ende seiner Handzettel angekündigt hat, fragen sich viele Experten aus der Handelsbranche, ob die Mehrheit der Bevölkerung denn wirklich bereit für ein Ende der gedruckten Prospekte ist. So sagte Handelsforscher Carsten Kortum von der DHBW Heilbronn dazu in einem Interview:

„Digitalisierung erreicht im Handel noch nicht alle Kund:innen. Dieses ist auch sehr gut an der Verbreitung und Nutzung der digitalen Kundenkarten zu sehen. Die meisten Händler erreichen nicht die 30%. Zur Diffusion der Innovation fehlen die Late Majority nach Rogers und die Laggards. Diese machen erfahrungsgemäß 50% in einem sozialen System aus, in diesem Fall der Gesamtheit der Haushalte.

Derzeit sieht jeder Händler Fehler in der Verteilung von Haushaltshandzetteln unmittelbar an den Abverkäufen. Somit läuft ja jede Woche in Deutschland das Feldexperiment zur Einstellung der gedruckten Kommunikation.“

Handzettel eignen sich nur schlecht fürs Smartphone

Zwar gibt es längst digitale Alternativen, die Prospekte auf Smartphones, Tablets und Computer abbilden, wie etwa die Plattformen von Bonial oder Offerista. Doch die haben längst nicht die Reichweite der gedruckten Prospekte. Auch wenn Rewe seinen Handzettel mittlerweile auch per WhatsApp verschickt und Aldi und Kaufland bereits nachgezogen haben, so werden auch solche Services nicht alle relevanten Haushalte erreichen. Zumal sie eigentlich auch ziemlich schlecht gemacht sind: Sie bedienen noch immer die Blätter-Logik aus der Papierwelt. Doch wer will allen Ernstes 20 bis 30 Seiten pro Woche von jedem Händler auf seinem Smartphone durchblättern, wo die Darstellung relativ klein ist gegenüber einem gedruckten A4-Prospekt? Das Ende schnell in einem wilden rein- und rauszoomen, wenn man nicht vorher den Spaß daran verliert.

Etwas innovativer ist da schon der neue Chatbot von Rewe auf Instagram, mit dem Nutzer*innen im Nachrichtenbereich von Instagram kommunizieren und sich unter anderem wöchentlich über neue Coupons in der Rewe-App informieren können. Doch genau dieser Coupon-Bereich in der Rewe-App ist eigentlich viel übersichtlicher als der klassische Handzettel und umfasst nur ca. 10 bis 20 Coupons pro Woche, die man relativ schnell durchscrollen kann und die mich persönlich auch nicht so überfordern wie die oftmals über 50 unterschiedlichen Coupons pro Woche in der Rossmann-App.

Wieso nicht Angebote per Tinder-Prinzip?

Die Zukunft der Angebotskommunikation muss also eigentlich anders gedacht werden. Wieso nicht eine Angebotsdarstellung in einer App nach dem Tinder-Prinzip, bei dem Nutzer*innen nach rechts wischen, wenn ihnen ein Angebot gefällt und es dann in einer Einkaufsliste gespeichert wird. Oder aber nach links wischen, wenn es ihnen nicht gefällt und in die Tonne kann. Dazu noch eine gehörige Portion Personalisierung, so dass z.B. nur Eltern mit Babies überhaupt Pampers-Werbung angezeigt bekommen, andere Nutzer*innen aber nicht, so dass somit auch gleich die Relevanz der Angebote für den persönlichen Bedarf steigt.

Neu: Showcases von Apple Business Connect

Ergänzung vom 19.1.2023: Vor wenigen Tagen hat Apple unter dem Namen Apple Business Connect eine neue Lösung vorgestellt, die es Unternehmen ermöglicht, ihre Standorte in Apple-Diensten wie Apple Karten, Nachrichten, Wallet, Siri und anderen Apps individuell zu gestalten. Das ist auch für Handelsunternehmen spannend, denn Apple zählt weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer*innen für diese Dienste – und ein Apple-Pendant zu Google-Unternehmensprofilen (früher „Google My Business“ genannt) fehlte bislang. Spannend daran für die Angebotskommunikation: Der Service enthält auch die neue Funktion Showcases, mit der Firmen potenzielle Kund*innen auf Angebote aufmerksam machen können. Showcases sind ab sofort für Unternehmen in den USA verfügbar und werden in den kommenden Monaten weltweit ausgerollt. Mehr zu dieser Lösung in meinem gesonderten Artikel Stationäre Läden im Web sichtbarer machen mit Apple Business Connect.

EHI attestiert hohes Potenzial für digitale Angebotskommunikation

Doch wie auch immer die Zukunft der digitalen Angebotskommunikation  im Detail aussehen wird – das EHI Retail Institute attestiert dem Thema einen massiven Bedeutungsgewinn: Während digitale Medien im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bis 2025 von 16,9 Prozent auf 31,8 Prozent wachsen sollen, werden spezifische, printbasierte Handelsmedien einen deutlichen Rückgang von 58 Prozent auf 36,2 Prozent erleben, so eine aktuelle Prognose aus dem EHI-Marketingmonitor 2022 bis 2025. Siehe auch die Grafik oben. „Die Branche verändert sich drastisch und die Händler suchen neue, innovative Wege zur Kundschaft – beispielsweise Messenger-Dienste und unternehmenseigene Apps. Crossmedia ist die Zukunft“, erklärt EHI-Forscherin Marlene Lohmann dazu.

Meine Meinung

Selbst wenn Händler durch die Umstellung von Printwerbung auf Digital ihre eigenen Kosten drücken können, so ist noch nicht ausgemacht, dass die Angebote in Zukunft womöglich an Bekanntheit verlieren – denn nicht jeder will und kann auf dem Handy oder PC nach Sonderangeboten stöbern. Und auch der Nutzen für die Umwelt könnte kleiner sein als gedacht, denn digitale Werbung kann zum Beispiel zu höherem Stromverbrauch bei Konsument*innen führen. Mehr dazu auch in diesem Beitrag von Stores + Shops.


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