„Aufstehen, neu sortieren, weitermachen“: Christoph Kruse von bookingkit über die Freizeitbranche und Corona.

von Florian Treiß am 29.Juni 2020 in Interviews, News

„Dort wo Anbieter wiedereröffnen dürfen, werden auch Umsätze erzielt – und zwar schon bis zu 85 Prozent des Vorkrisenniveaus innerhalb der ersten beiden Wochen“, sagt Christoph Kruse über den Re-Start der Freizeitbranche nach dem Corona-Lockdown. Er ist Gründer und Geschäftsführer von bookingkit, einer führenden Software für Erlebnis- und Tourenanbieter in Europa. Die Freizeitbranche hat der Corona-Lockdown „mit voller Wucht getroffen“ und auch bookingkit „musste viele geplante Projekte verschieben“. Doch die vielen Auflagen des Re-Starts sind für bookingkit auch eine Chance, wie Christoph Kruse erzählt.

Location Insider: Christoph, es ist schon bald sechs Jahre her, dass wir Dich zum Launch von bookingkit interviewt haben. Wie hat sich Dein Unternehmen in der Zwischenzeit entwickelt?

Christoph Kruse: Eine ganze Menge ist passiert! Zunächst aber ist es uns gelungen, die Idee und das Startup bookingkit zu einem wichtigen und erfolgreichen internationalen Player in der Softwarebranche zu entwickeln. Heute beschäftigt bookingkit gut 70 Mitarbeiter aus knapp 20 Nationen und gilt als das führende Buchungssystem für Anbieter von Touren, Aktivitäten und Attraktionen in Europa. Dazu gehört inzwischen auch ein umfangreiches Netzwerk an Vertriebspartnern, wie z.B. GetYourGuide, Tripadvisor oder Reserve with Google. Und wir wollen weiter wachsen, neben Italien und Frankreich weitere neue Märkte erschließen und den Erlebnissektor vollständig digitalisieren.

Location Insider: Ihr fokussiert auf die Freizeitbranche, die vom Corona-Lockdown besonders betroffen war. Gab es in der Zeit des Lockdowns überhaupt noch Kunden von Euch, die irgendetwas anbieten konnten? Oder wie kamen Eure Kunden sonst durch den Lockdown?

Christoph Kruse: Diese Frage hat uns tatsächlich nahezu täglich durch die vergangenen Wochen begleitet. Und es gab tatsächlich eine ganze Reihe an Maßnahmen, die wir unseren Kunden aktiv empfohlen haben und die nicht nur das Überleben gesichert, sondern nun direkt zu einer schnellen Wiedereröffnung beigetragen haben – von alternativen Umsatzquellen und offensiver Gutscheinvermarktung über die Vernetzung mit Vertriebspartnern bis hin zu neuen Preisstrategien. Ergänzend haben wir gleich zu Beginn des Lockdowns einen Hilfsfonds aufgelegt, Brancheninitiativen unterstützt und eine „Start-Now-Pay-Later“-Kampagne gestartet – alles Dinge, die uns schlussendlich noch enger mit unseren Kunden verbunden haben.

Location Insider: Was hat der Lockdown für Euch als Software-as-a-Service-Anbieter bedeutet?

Christoph Kruse: Uns hat der Lockdown mit voller Wucht getroffen und wir mussten viele geplante Projekte verschieben, die Ausgaben begrenzen und sind auch – wie viele andere Startups, gerade in der Touristikbranche – in Kurzarbeit gegangen. Dennoch haben wir es alle gemeinsam geschafft, den richtigen Spirit zu entwickeln und nach vorn zu denken – mit viel Kreativität und Commitment unserer Mitarbeiter. Ich bin unglaublich stolz auf das Team, dass in der für uns schwierigen Zeit sehr zusammengestanden hat! Wir haben die Zeit aber auch genutzt, um beispielsweise viele unserer bisherigen Prozesse kritisch zu hinterfragen. Insofern gehen wir auf jeden Fall gestärkt aus der Krise hervor. Ich sehe uns mittlerweile sogar als Krisengewinner, auch wenn ich das zu Beginn des Lockdowns noch nicht für möglich gehalten hätte.

Location Insider: Wie läuft nun der Re-Start in der Freizeitbranche an und wo kommen dort Eure Lösungen zum Einsatz?

Christoph Kruse: Trotz der schwierigen Situation haben wir den Re-Start der Branche – schon als noch gar nicht klar war, wann er kommt – als eine enorme Chance für bookingkit begriffen. Denn die Auflagen zur Wiedereröffnung ließen sich schon immer mit bookingkit abbilden, von der Online-Buchung, über Zeitfenster-Tickets, den kontaktlosen Einlass bis hin zu einem intelligenten Teilnehmer-Management. Das haben immer mehr Anbieter, insbesondere mittlerer Größe, wie z.B. Zoos, Museen und aktuell viele Schwimmbäder, aber auch Kommunen oder Marketingorganisationen der Städte (DMOs) recht schnell erkannt und sind sogar aktiv auf uns zugekommen. Innerhalb weniger Tage konnten wir beispielsweise mit dem Zoo Stuttgart ein solches Projekt realisieren. Viele Städte setzen mittlerweile auf bookingkit als Infrastruktur für ihre städtischen Badebetriebe & Co. Hier haben die Einfachheit und Geschwindigkeit der Integration unserer Lösung – auch in vorhandene Systeme – sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt.

Location Insider: Habt Ihr für den Re-Start spezielle Services entwickelt, die zuvor noch nicht Teil von bookingkit waren?

Christoph Kruse: Wir entwickeln bookingkit ja permanent weiter, auch während der Krise, haben aber für den Zeitraum des Lockdowns und nun zur Wiedereröffnung andere Schwerpunkte gesetzt. Daher hat sich unser gesamtes Entwickler- und Kunden-Team auf eine möglichst schnelle Umsetzung aller behördlichen Auflagen und die Integration bei neuen Kunden konzentriert. Ich würde sagen, so „nah“ wie in der Krise waren wir unseren Kunden noch nie. Gerade in Krisenzeiten zeigen sich ja wahre Partner, das haben wir wörtlich genommen.

Location Insider: Konnten mittlerweile schon alle Eure Kunden wieder öffnen? Oder wo stehen die Re-Starts noch bevor?

Christoph Kruse: Es gibt derzeit äußerst positive Anzeichen: dort wo Anbieter wiedereröffnen dürfen, werden auch Umsätze erzielt – und zwar schon bis zu 85 Prozent des Vorkrisenniveaus innerhalb der ersten beiden Wochen!

Dieser Trend, erkennbar als U-Kurve, setzt sich gerade fort und beginnt sich zudem auch in Frankreich herauszubilden. Den Anfang haben die klassischen Outdoor-Aktivitäten, wie z.B. Stadtführungen oder Wassersport, gemacht, doch mittlerweile greift die Lust auf Erlebnisse um sich – zusätzlich verstärkt durch den Fakt, dass viele Menschen ihren Jahresurlaub im eigenen Land verbringen müssen und sich neue Impulse in Form von Erlebnissen suchen.

Location Insider: In wieweit wird sich die Freizeitbranche durch die Corona-Krise langfristig verändern?

Christoph Kruse: Die ohnehin bunte und lebhafte Freizeitbranche wird sich auf jeden Fall verändern! Leider wird es aber auch Insolvenzen geben, besonders bei kleineren Anbietern oder Erlebnis-Startups ohne finanzielle Rücklagen. Die Anbieter, die es schaffen oder schaffen wollen, werden ausnahmslos auch online buchbar sein – hierfür haben einfach zu viele Menschen die letzten Hemmnisse in puncto Onlineshopping während des Lockdowns hinter sich gelassen. Aber auch die genaue Steuerung von Besucherströmen, die automatische Vermarktung über Vertriebspartner oder der Umgang mit Massenstornierungen wird zur Digitalisierung des Erlebnissektors beitragen. Hinzu kommen wirklich interessante Impulse z.B. durch virtuelle Angebote, mobile Varianten von eigentlich stationären Erlebnissen oder die Neuentdeckung lokaler und regionaler Angebote.

Location Insider: Was macht Dir Mut und Hoffnung in dieser schwierigen Zeit?

Christoph Kruse: Aus unternehmerischer Sicht der unbändige Pragmatismus der Branche, in der wir tätig sind. Aufstehen, neu sortieren und weitermachen – das beeindruckt mich. Zweitens sicher auch der Spirit, den ich innerhalb des Unternehmens spüre. Privat versuche ich vor allem die positiven Seite im Umgang mit der Pandemie zu sehen. Beispielsweise die Auswirkungen auf die Arbeitswelt mit nun deutlich mehr Freiheiten und Flexibilität. Dass ich mal tagsüber von einer Sonnen-Destination aus arbeiten werde und abends ins Meer springe – das hätte ich mir zu Beginn des Jahres noch nicht vorstellen können. Jetzt kann ich das 😉

Location Insider: Vielen Dank für die spannenden Antworten!


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