Kleine Sender mit großen Erwartungen – Was können Beacons ?

von Markus Gärtner am 20.Oktober 2016 in News, Trends & Analysen

american-eagle-shopbeaconDie Einen halten sie für die Heilsbringer des Handels, die Andern für völlig überschätzt – die Erwartungen, wie Beacons sich entwickeln gehen je nach Experte recht weit auseinander. Die kleinen Funksender sind vor einigen Jahren aufgetaucht, haben den großen Durchbruch aber noch nicht geschafft. Unacast schätzte vor kurzem, das rund 6 Mio Beacons bereits auf dem Markt sind, laut ABI Research sollen es bis 2021 rund 400 Mio weltweit werden. In den USA sollen bereits 93 Prozent aller Baseball-Stadien mit den kleinen Sendern ausgerüstet sein. Bei den Händlern ist die kleine Hoffnung noch weit weniger im Umlauf: Nach einer Forrester-Umfrage nutzen erst 3 Prozent der befragten Geschäfte Beacons, aber immerhin über 40 Prozent testen oder planen einen Einsatz. Trotzdem sind z.B. QR-Codes bei den meisten Händlern noch beliebter.

Aber wie funktionieren Beacons überhaupt? Die kleinen Bluetooth-Sender werden an geeigneten Stellen – also am Regal, in der Filiale oder auch draußen – installiert und senden ein Signal (der Name bedeutet „Leuchtfeuer“). Die Beacons reichen dabei bis zu 30 Meter weit, wenn das Signal nicht gestört wird. Betritt ein Kunde den Sendebereich kann sein Standort auf ein bis zwei Meter genau erkannt werden, er darauf basierend spezifische Informationen erhalten und auch sein Verhalten analysiert werden. Das Ganze läuft anonym, denn die Daten können keiner Person zugeordnet werden. Trotzdem können die Daten wertvolle Erkentnisse für Firmen liefern, z.B. wie sich eine Person am Point of Sale bewegt, wie lange sie an einer Stelle stehenbleibt usw. Dafür müssen allerdings einige Voraussetzungen bestehen: Der Besucher muss die jeweilige App des Unternehmens installiert haben, Push-Nachrichten akzeptieren und seine Bluetooth-Funktion einschalten. Und das sind bereits drei Punkte, bei denen potenzielle Kunden verloren gehen können – wer hat z.B. schon immer sein Bluetooth an? Manche befürchten auch, dass die Händler ihre Kunden mit Nachrichten zuspammen. „Ein Grund, warum Apples iBeacon-Technologie bisher versagt hat: 99 Prozent der iBeacon-Erfahrung passiert in dem Moment, wo der Nutzer einen Laden betritt und dann mit Rabatten und Angeboten bombardiert wird“, meint Praveen Kanyadi von SpotCues.

Beacons können auf vielfältige Weise zum Einsatz kommen, u.a.:

  • zur Kundenbindung (Besucher erhalten für Aktionen z.B. Punkte, die sie einlösen können wie bei Shopkick oder bestimmte Services werden automatisch freigeschaltet)
  • zur individuellen und standortbezogenen Kundenansprache via App („Schau mal hier, in dem Regal vor dir ist der Käse gerade im Angebot“)
  • zur Kundenanalyse (Anzahl der Besuche in den Filialen, Verweildauer, Interaktionen) Diese Infos können auch für die Verknüpfung mit anderen Kanälen genutzt werden, wie der eigenen Homepage oder Werbung in der App.
  • zur Indoor-Navigation (bei der der Nutzer z.B. auch gezielt auf einen bestimmten Weg geleitet werden könnte)

Konkret könnte das so aussehen: Die Studie „Connected Life 2016“ von TNS Infratest differenziert drei verschiedene Kaufsituationen beim Besucher: Stöbern und Entdecken, Routine-Einkauf und Einkauf unter Druck. Beacons können nun helfen zu erkennen, in welcher Lage sich der Konsument befindet und via App-Nachricht darauf reagieren. Steht ein Kunde lange an der selben Stelle, könnten ihm neue personalisierte Angebote gezeigt werden. Jemand, der schnell durch den Laden geht, will wahrscheinlich nur bestimmte Produkte finden – auch dabei kann ihn eine wegweisende Nachricht oder eine Suchhilfe unterstützen oder versucht werden, ein höherwertiges Produkt schmackhaft zu machen. Solche Bedürfnisse oder Ziele können natürlich umgekehrt auch auf einzelne Filialen angewendet werden, wenn z.B. in bestimmten Läden die generelle Verweildauer gesteiert werden soll. „Vieles spielt sich heute virtuell ab, vor allem auf Smartphones, und der Bezugspunkt zur physischen Welt fehlt oft noch. Beacons sind dazu der entscheidende technologische Baustein, um standortbezogene Services zur Verfügung zu stellen und so beide Welten zusammenzuführen. Das hat im Handel dann die Folge, dass stationäres und Online-Einkaufserlebnis verschmelzen und sich gegenseitig ergänzen“, wirbt Michael Kappler, Mitgründer und Geschäftsführer von Beaconinside, um mehr Anerkennung für die Sender.

Macy's US-Warenhauskette US-Händler shutterstock_229276813Bei vielen Händlern bzw. Unternehmen sind die Leuchtfeuer schon am Brennen:

  • Das US-Kaufhaus Macy’s hat mittlerweile einige Tausend Beacons in seinen Häusern angebracht und arbeitet dabei mit Shopkick zusammen. Kunden können bei dem System für bestimmte Aktionen im Laden Punkte erhalten, etwa wenn sie eine Umkleidekabine betreten. Das hat in Deutschland u.a. Karstadt getestet.
  • Esprit hat in Österreich 20 Filialen mit Beacons ausgerüstet, lässt dort Bonuspunkte sammeln und präsentiert Sonderangebote.
  • real ließ in Kooperation mit Partnern Beacons in Warenpaletten integrieren und konnte so den Abverkauf exakter nachverfolgen. Kunden erhielten außerdem einen Hinweis auf Coupons, wenn sie sich dem Produkt näherten.
  • Ein Aachener Hitmarkt ließ anlässlich der Fußball-EM bei einem Gewinnspiel via Beacons drei Fußbälle in seinem Laden suchen und lotste die Teilnehmer somit durch das Sortiment.
  • In dem Projekt „Digitales Viertel Köln“ wurden sogar bei rund 90 Händlern in zwei Stadtteilen testweise Beacons angebracht.
  • Bierhersteller Heineken informiert seine Fans in Neuseeland, wenn sie an einer Bar vorbeikommen, die die Sorte hat. Landesweit wurden 500 Beacons positioniert.
  • McDonald’s bietet in seinen McCafés teils kostenlos digitale Medien, auf die die Kunden automatisch Zugriff erhalten, wenn sie den Bereich betreten.
  • Die Bayerische Staatsbibliothek in München führt ihre Besucher mit 250 Beacons und der App BSB-Navigator durch das Gebäude.
  • Das Museum Industriekultur in Nürnberg liefert am jeweiligen Standort Extrainfos  zu den Exponaten, das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München bietet via Beacons sogar ganze Ausstellungsrundgänge an.

Noch sind Beacons aber weder bei Händlern noch bei ihren Kunden völlig angekommen – teils aus Unkenntnis, teils aus Vorbehalten. Für den Kunden muss der Mehrwert klar sein, der durch das standortbezogene so genannte Proximity Marketing entsteht. Mögliche Datenschutzprobleme müssen klar kommuniziert bzw. gelöst werden. Die Händler brauchen ein solides Gesamtkonzept für den breiten Einsatz und die Verwaltung von Beacons. Und einen kompetenten Technologie-Partner, mit dem die kleinen Leuchtfeuer auch wirklich ihre volle Strahlkraft entfalten können. Nur dann können die Sender dem stationären Handel zu mehr Einsicht verhelfen, offene und versteckte Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen.

In unserer neuen Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:


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