Chinas Onlinehandel und -services nehmen auf hohem Niveau weiter zu.

von Gastautor am 23.Juli 2021 in News, Trends & Analysen

Von Helmut Merkel

Das statistische Büro der Volkrepublik China meldet für das abgelaufene erste Halbjahr 2021 die aktuellen volkswirtschaftlichen Daten. Die Sondereffekte aus dem ersten Quartal sind weitestgehend normalisiert. Während das GDP Wachstum im ersten Quartal 2021 wegen des schlechten ersten Quartals im Jahre 2020 (Corona-bedingt) noch um 18,3% wuchs, lag das Wachstums im zweiten Quartal bei 7,9%, und aufgelaufen Q1-Q2 bei 12,7% (jeweils preisbereinigt). Das GDP liegt jetzt am Ende des zweiten Quartals kumuliert bei 53,22 Billionen (Bn.) Yuan, das sind vergleichbar 6,97 Bn. Euro oder 8,21 Bn. US$. Die Prognose für das deutsche GDP im Gesamtjahr 2021 liegt derzeit bei 4,3 Bn. USD.

  • Die Auslastung der industriellen Kapazitäten hat sich nach dem tiefen Einbruch im ersten Quartal 2020 erholt und liegt jetzt wieder knapp über der durchschnittlichen Auslastung der vergangenen zwei Jahre (77,2% Q1 und 78,4% Q2). Die Angabe des Zweijahresdurchschnitts soll helfen, die sehr hohen Wachstumsraten im Q1 zu relativieren, die durch den Corona-bedingten Einbruch in Q1/2020 bedingt sind.
  • Der Agrarsektor wuchs im ersten Quartal um 3,3% im Vergleich zum ersten Quartal 2020 und im zweiten Quartal mit 3,7% (3,6% Q1-Q2). Die Weizenproduktion hat im ersten Halbjahr um 2,1% zugenommen. Die inländische Produktion von Geflügel- und Schweinefleisch hat im 1.HJ. sogar um 23% zugenommen. Seuchenbedingt war die Schweinefleischproduktion in der Vergangenheit, auch noch im Jahre 2020, geringer.
  • Die Industrieproduktion wuchs im ersten Halbjahr mit einem Zweijahres Durchschnittswert von 7% (15,9% im Vergleich zum Vorjahresquartal). Im Vergleich zum 1.HJ 2020 wuchs der High-Tech-Maschinenbau in China um 22,6% – ein Zweijahresdurchschnitt von 13,2%. In einem Artikel der WELT vom 6.7.2021 wird beschrieben, dass China den deutschen Maschinenbau bei den Exporten überholt hat. Insbesondere die Produktion von Automobilen mit neuen Antriebsarten (+205%), die Produktion von Robotern (69,8%) und die Produktion von Computerchips (48,1%) wuchs im ersten Halbjahr rasant im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr.
  • Der Servicesektor, zu dem Transport, Lagerhaltung, Zustelldienste und Immobilienservices zählen, wuchs durchschnittlich um 5,1% im Zweijahresvergleich (15,6% im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr).
  • Der Einzelhandelssektor verzeichnete im 1. HJ. ein Wachstum von 23,3% im Vergleich zum Vorjahr, einschließlich Automobile. Das stationäre Einzelhandelsvolumen einschließlich Automobilen lag per 30.6. kumuliert bei 21,190 Bn. Yuan (2,781 Bn. Euro) – ohne Automobile kumuliert bei 18,999 Bn. Yuan (2,493 Bn Euro). Das Wachstum für den Einzelhandelssektor lag damit bei 23% im Vorjahresvergleich – ohne Automobile beträgt das Wachstum 22,2% – im Zweijahresdurchschnitt sind das immer noch 4,4%. Das Online-Handelsvolumen kletterte kumuliert im 1.HJ. auf 6,113 Bn. Yuan (802 Mrd. Euro). Damit macht der chinesische Onlinehandel im ersten Halbjahr mehr Umsatz als der deutsche Einzelhandel insgesamt in einem Jahr. Der Anteil des Handels insgesamt (stationär mit Automobilen und Onlinehandel) erreicht damit einen Anteil am GDP von 51,30%. Vor 10 Jahren lag der Anteil noch bei ca. 40%. Der Anteil des Onlinehandels im Verhältnis zum stationären Handel (ohne Automobile) liegt bei 32,2% per Ende Juni 2021. Der Anteil des Onlinehandels am Gesamthandel (ohne Automobile, stationär+Online) beträgt 24,3%. Während der Pandemie lag dieser Anteil ebenfalls bei über 30%.
  • Im stationären Handel gab es große Verschiebungen zwischen den Handelsformaten. Während der Pandemie waren Umsatzgewinner die Supermärkte und Convenience Stores. Das Umsatzwachstum im 1. HJ lag bei Supermärkten jetzt bei 6,2%, bei Convenience Stores immer noch bei 17,4%, bei Malls, Shopping Centern und Department Stores bei 29,5%, die stark aufgeholt haben, bei Professional Stores (Kosmetik, Gesundheitsartikel, Wellness, Apotheken usw.) bei 24,6% und bei Specialty Stores (Fachgeschäfte, Marken etc.) bei 32.4%.
  • Im Onlinehandel, der insgesamt 6,113 Bn. Yuan (802 Mrd. Euro) im ersten Halbjahr erzielte, entfallen auf „physische“ Produkte 5,026 Bn Yuan (658,63 Mrd. Euro). Das sind 18,7% im ersten Halbjahr im Vergleich zum 1.HJ. 2020. „Physische Produkte“ sind Lebensmittel, Alkohol und Tabak mit einem Wachstum von 23,5% im 1. HJ. (30.9% im Zweijahresdurchschnitt), Bekleidung und Schuhe mit einem Wachstum von 24,1% (9,8% im Zweijahresdurchschnitt) und FMC (Fast Moving Consumer Goods), die um 16,7% (17% im Zweijahresdurchschnitt) gewachsen sind.
  • Der Investitionssektor (Anlagegüter, Infrastruktur, High-Tech Industrie und Sozialsektor) wuchs statistisch im ersten Halbjahr auf 25,590 Bn. Yuan (3,36 Bn Euro).
  • Das Investment in die High-Tech-Industrie wuchs im ersten Halbjahr um 29,7% – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das durchschnittliche Zweijahreswachstum lag immer noch bei 17,1%. Die Investitionen in E-Commerce-Services wuchsen um 32,9% im Halbjahresvergleich. Die Bedeutung des Onlinehandels und der Onlineservices nimmt auf hohem Niveau weiterhin zu. Die Kombination von E-Commerce und Sozialen Medien spielt im Marketing in China eine entscheidende Rolle. APPS wie TikTok, BilliBili, DiDi usw. beginnen Weltmaßstäbe zu setzen.
  • Die Investitionen im Sozialen Sektor nahmen um 16,4% im Halbjahresvergleich zu. Der Beitrag für den Gesundheitssektor wuchs um 35,5% (Impfinfrastruktur) die Investitionen in Erziehung wuchsen um 14,2% im Halbjahresvergleich. Die Onlineausstattung der Schulen ist sehr gut.

High-Tech-Produktionsstätte in China (Bild: humphery / Shutterstock.com)

Insbesondere die Investitionen in Manufacturing und High-Tech-Manufacturing spiegeln die Bemühungen des neuen 5-Jahresplanes wider, technologische Unabhängigkeit vom Westen zu erlangen.

Der Handelsüberschuss des ersten Halbjahres liegt bei 1,633 Bn. Yuan (ca. 215 Mrd. Euro). Sowohl die Exporte als auch die Importe haben zugelegt. Die Struktur der Exporte verschiebt sich kontinuierlich. Der Anteil mechanischer und elektronischer Produkte an den Exporten im ersten Halbjahr beträgt bereits 59,2%.

Der Consumer-Price-Index (CPI) legte im Vergleich zum 1. HJ im Vorjahr um 0,6% zu und liegt auf der Indexreihe im 1.HJ. damit zwischen 101 und 101,5 – die Arbeitslosenquote bei 5,2% im Vergleich zum 1. HJ. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt in China im Durchschnitt immer noch bei 47,6 Stunden pro Woche.

Das verfügbare Einkommen des ersten Halbjahres lag im Durchschnitt bei 17.642 Yuan pro Kopf (2.313,54 Euro) – das entspricht einem Zuwachs von 12,6% (12% preisbereinigt) zum ersten Vorjahreshalbjahr oder 7,4 % im durchschnittlichen Zweijahresvergleich. Zwischen dem Einkommen der Stadtbevölkerung und dem Einkommen in ländlichen Gegenden besteht ein großer Unterschied. Bei der Stadtbevölkerung lag das verfügbare Einkommen bei 21.517 Yuan (2.821,03 Euro) und bei der Landbevölkerung im Durchschnitt bei 7.956 Yuan (1.043,09 Euro). Die Herkunft der verfügbaren Einkommen sind abhängige Beschäftigung 57,3%), aus selbstständiger Tätigkeit stammen 15,6% der Einkommen, aus Vermögen stammen 9% des verfügbaren Einkommens und aus Transferzahlungen stammen 18,1% der Einkommen. Transferzahlungen leisten Arbeitnehmer in den Ballungszentren, deren Familien in überwiegend ländlichen Regionen leben.

Ausgabekategorien der Haushalte im ersten Halbjahr

  1. Lebensmittel, Alkohol und Tabak: 30,8% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ., 3.536 Yuan (463,38 Euro) pro Kopf; das entspricht einem Anteil am verfügbaren Einkommen des ersten Halbjahres von ca. 20%.
  2. Housing (Kosten für die Unterbringung): 23,1% Anteil an den Gesamtausgaben des 1. HJ., 2.649 Yuan (347,16 Euro).
  3. Verkehr und Kommunikation: 12,7% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ., 1.455 Yuan (190,72 Euro) pro Kopf. Trotz der besseren Infrastruktur sind die Kosten erheblich niedriger als in Europa.
  4. Erziehung, Kultur und Erholung: 9,8% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ., 1.119 Yuan (146,67 Euro) pro Kopf.
  5. Gesundheit und medizinische Versorgung: 8,8% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ., 1.015 Yuan (133,04 Euro) pro Kopf.
  6. Bekleidung: 6,5% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ., 742 Yuan(97,26 Euro) pro Kopf.
  7. Home und Living: 5,8% Anteil an den Gesamtausgaben des 1.HJ. ,669 Yuan (87,69 Euro) pro Kopf.
  8. Sonstiges: 2,5% Anteil an den Gesamtausgaben des 1. HJ., 286 Yuan (37,49 Euro) pro Kopf.

Obwohl der Lebensstandard in China im Vergleich zum Lebensstandard in Europa immer noch nicht auf dem gleichen Niveau liegt, haben die Bürger ein gutes Auskommen und können sich Eigentumswohnung, Smartphones, Autos und Fernreisen leisten. Durch Corona hat die ohnehin hohe Sparquote in China noch zugenommen. Die Verwendung der Ersparnisse kommt derzeit dem Konsum zugute. Auch in Deutschland ist das Sparvermögen der Deutschen so hoch wie nie zuvor.

Ob es nach Corona bald eine Rückkehr zur „Normalität“ gibt, hängt unter anderem von der Wirksamkeit des chinesischen Impfstoffs ab und vom Aufkommen neuer Mutanten. In der wirtschaftlichen Entwicklung wird die Normalität durch Wachstum vorweggenommen.

Über den Autor:

Helmut Merkel ist ehemaliger Karstadt-Chef und lebt seit über zehn Jahren in Hongkong. Zusammen mit seinem Sohn hat er dort die Eurasia Global gegründet, eine Plattform zur Abwicklung von Einkäufen, Transporten und weiteren Services für Handelsunternehmen in Asien und Europa. Der Handelsexperte war außerdem von 1993-97 Chef bei Deichmann und 2004-2009 Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft für die Mittel- und Großbetriebe des Deutschen Einzelhandels (BAG), Vizepräsident des HDE sowie Präsident der International Group of Department Stores (IGDS) mit Sitz in Zürich in den Jahren 2007- 2009.


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