Composable Commerce statt „All-in-One“.

von Florian Treiß am 02.September 2021 in News, Shoptech, Trends & Analysen

In der Vergangenheit war der Markt für Shopsysteme geprägt von Komplettlösungen, die Backend und Frontend aus einer Hand boten. Doch diese Systeme lassen sich oftmals nur schwer an die individuellen Herausforderungen von Unternehmen anpassen. Erfolgreiche Unternehmen „komponieren“ daher heute lieber ihr E-Commerce-Setup aus verschiedenen Lösungen, die über Schnittschnellen kommunizieren. Warum „Composable Commerce“ die Zukunft des E-Commerce ist und was das alles mit dem Akronym „MACH“ zu tun hat, lesen Sie hier.

Wieso ein Produkt von der Stange nehmen, wenn man seinen Kunden mehr bieten will als einen 08/15-Onlineshop? Das fragen sich immer mehr wegweisende Unternehmen wie Bang & Olufsen, Danone, flaconi, Lego, REWE, Tonies oder Zoo-Royal. Stattdessen entscheiden sie sich, ihren Erfolg im E-Commerce noch stärker selbst in die Hand zu nehmen, indem sie für jeden Geschäftszweck und für jeden Anwendungsbereich die bestmögliche Lösung suchen und integrieren.

Diese Strategie beim IT-Setup nennt man „Best-of-Breed“, und hier kommen auch das Akronym MACH und der Begriff „Composable Commerce“ ins Spiel: „Composable Commerce beschreibt die Möglichkeit, Lösungen verschiedener Anbieter parallel im eigenen Commerce-Setup einzusetzen und jederzeit auszutauschen, eine Art Plug-and-Play also. MACH ist der Ansatz, der dies überhaupt erst ermöglicht. Und Software-Anbieter, die ein MACH-Setup ermöglichen, sind die besten ihrer Art ‒ also Best-of-Breed“, sagt Kelly Goetsch, Präsident der MACH Alliance und CPO von commercetools.

MACH: Entwickeln in Schallgeschwindigkeit

Doch was genau versteht man unter MACH? Das Akronym steht für eine hochmoderne Software-Architektur, die auf den vier Prinzipien Microservices, API, Cloud und Headless fußt. Zugleich spielt der Begriff auf Schallgeschwindigkeit an, die seit fast hundert Jahren kurz MACH1 genannt wird und nach dem Physiker Ernst Mach benannt ist. MACH steht also nicht nur für die vier oben genannten Technologie-Säulen, sondern zugleich auch für eine extrem hohe Geschwindigkeit in der Softwareentwicklung. Eine moderne MACH-Architektur ermöglicht Händlern und Marken somit, Innovationen im Eiltempo zu testen und auszurollen.

Wie im Vorspann angedeutet, wurde der Markt für Commerce-Lösungen in der Vergangenheit von All-in-One-Lösungen dominiert, die ein komplettes Backend (also die Business-Logik im Hintergrund) und Frontend (also das, was Nutzer im Webshop sehen) enthalten. Beispiele hierfür sind Systeme wie Hybris, Magento oder OXID, auch bekannt als „Monolithen“. Doch diese All-in-One-Lösungen sind für Händler und Marken, die bereits die Zukunft mitdenken, einfach viel zu starr in ihrer Struktur. Gerade wenn ein Unternehmen in verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Marken präsent ist und womöglich diverse Business-Logiken wie B2C, B2B oder auch Direct to Consumer abdecken muss, stoßen diese Monolithen an ihre Grenzen.

Headless Commerce zerlegt Shops in „Kopf“ und „Körper“

Immer mehr Händler und Marken setzen deshalb auf Headless Commerce. Dieser von commercetools bereits seit 2013 verfolgte Ansatz bedeutet die Zerlegung eines Shopsystems in „Kopf“ und „Körper“ des Systems. Während der „Körper“ in diesem Bild für den E-Commerce-Kern des Systems im Backend steht, lässt sich der „Kopf“ beliebig austauschen und steht etwa für den vom Kunden sichtbaren Teil des Webshops, eine App oder einen Alexa Skill. Auch der Verkauf über Marktplätze wie Amazon Marketplace kann bei diesem Ansatz einfach als eine Art zusätzliches Frontend angesehen werden, das über APIs auf dieselben Produktdaten und Warenbestände zurückgreifen kann. Die Anbindung weiterer Frontends wie einer Mitarbeiter-App oder POS-Terminals im stationären Handel sind ebenfalls jederzeit problemlos möglich.

Mag der Aufwand anfangs hoch erscheinen, einen bestehenden Shop auf Basis eines „Monolithen“ in eine Headless-Struktur zu migrieren, so lohnt sich dieser Schritt schnell: Denn ist das Commerce-System erst einmal umgestellt, kann sich das Business enorm beschleunigen ‒ schließlich sind Unternehmen künftig nicht mehr auf große Updates eines Monolithen angewiesen, sondern können ihre Shops in kurzer Zeit umgestalten.

Microservices, API und Cloud

Während Headless für den letzten Buchstaben des Akronyms MACH steht, sind auch die drei anderen Prinzipien Microservices, API, Cloud für ein fortschrittliches Commerce-Setup enorm wichtig:

Microservices sind kleine, in sich geschlossene Anwendungen, die von dedizierten Teams individuell entwickelt und betrieben werden. Das Verteilen einer komplexen Geschäftslogik auf viele kleine, miteinander verbundene Services ermöglicht eine agile Entwicklung, kürzere Release-Zyklen und eine schnellere Time-to-Market des kompletten Systems. Durch Microservices können Webseiten, Onlineshops und Social-Media-Lösungen nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt werden ‒ custom-made für jedes Bedürfnis. Dabei lassen sich von Unternehmen selbst entwickelte Microservices mit denen verschiedener Lösungsanbieter wie z. B. commercetools über APIs (siehe nächster Stichpunkt) kombinieren. Ein Onlinehändler, der an seinen Geschäftserfolg in der Zukunft denkt, kann also Best-of-Breed-Lösungen verschiedener Anbieter parallel nutzen und zugleich auch individuelle Eigenentwicklungen einsetzen.

API steht für „Application Programming Interface“ und bezeichnet eine Programmierschnittstelle, über die verschiedene Elemente eines IT-Systems miteinander kommunizieren können, so zum Beispiel die bereits genannten unterschiedlichen Microservices. APIs helfen also Unternehmen dabei, ihr digitales Business effizienter und schneller voranzutreiben und im besten Fall ganz neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Cloud Computing bietet einen schnellen Zugriff auf flexible und kostengünstige IT-Ressourcen, die nach Bedarf skaliert werden können. Statt eigene Server „on premise“ auf dem eigenen Firmengelände zu betreiben oder dezidierte Server bei einem Webhosting-Anbieter zu mieten, teilen Cloud-Plattformen wie Amazon Web Services oder Google Cloud die für den Betrieb notwendigen IT-Ressourcen dynamisch zu. Das bringt Kostenvorteile und sorgt zugleich dafür, dass der Shop auch bei Traffic-Spitzen wie zum Beispiel am Black Friday nicht in die Knie geht.

Keine Angst vor Aufwand und Kosten

Doch bedeutet ein so individuelles Setup mit diversen Microservices nicht zwangsläufig auch einen höheren IT-Aufwand und höhere Kosten? Nicht unbedingt: Denn auch wenn die Lizenz einer All-in-One-Lösung auf den ersten Blick mitunter günstiger wirkt als die Kombination verschiedener Best-of-Breed-Lösungen, so lässt diese Betrachtung etwas Entscheidendes außer acht: Die Zeit, die Unternehmen für das Reparieren von Bugs, individuelle Anpassungen oder Workarounds monolithischer Plattformen aufwenden müssen, ist ein schwer vorhersehbarer Kostenfaktor, der bei der Überlegung der Gesamtbetriebskosten berücksichtigt werden muss. Denn oftmals werden unzählige Arbeitsstunden der IT-Abteilung oder externer Agenturen dafür verschwendet, Abstürze zu beheben oder Anpassungen am Monolithen vorzunehmen. Somit kann eine All-in-One-Lösung das Wachstum des Unternehmens verlangsamen oder im schlimmsten Fall gar zu Umsatzeinbrüchen führen.

Über 300 API-Endpunkte von commercetools

Der MACH-Ansatz hingegen steht für maximale Flexibilität. Unternehmen, die darauf setzen, können enorm schnell Veränderungen an ihrem Shoptech-Setup vornehmen. Damit gewinnen sie mehr Zeit, um ihren Kunden über alle Touch­points hinweg das beste Einkaufserlebnis zu bieten. Schließlich müssen diese Unternehmen das E-Commerce-Rad nicht neu erfinden, sondern können aus einer Vielzahl von am Markt verfügbaren Microservices auswählen. So bietet allein commercetools über 300 individuell nutzbare API-Endpunkte. Mit diesen vorgefertigten Software-Bausteinen können Unternehmen ganz einfach und individuell ihre eigene Infrastruktur bauen und je nach Bedarf skalieren. So bietet commercetools Funktionen etwa für Produktdarstellungen, Rabatte, Einkaufswagen, Checkout, Payment und Versand.

Zugleich versteht commercetools „Best-of-Breed“ als Teamwork: Die Commerce-Komponenten der Plattform sind nur ein Teil des Puzzles für außergewöhnliche digitale Erlebnisse, externe Systeme ‒ wie Frontends (über CMS), Zahlungssysteme oder eigene Nischenfunktionen wie z. B. der Winefinder von Flaschenpost aus der Schweiz ‒ müssen sich mühelos integrieren lassen. Deshalb bietet commercetools seinen Kunden mit seinem Integration Marketplace direkten Zugang zu Lösungen anderer Partner ‒ und niemand muss sein Shop-Frontend komplett selbst entwickeln, sondern kann dabei auf Anbieter wie z. B. Frontastic oder Vue Storefront zurückgreifen.

Außerdem bietet commercetools ein Merchant Center inklusive Produktinformations-Management (PIM). Dabei handelt es sich um eine intuitive Benutzeroberfläche, über die Nicht-IT-affine Mitarbeiter direkt im Browser die wichtigsten Daten und Prozesse verwalten können. Dazu zählen Produktdaten, Bestellungen und Kundendaten für alle Verkaufskanäle. Zusätzliche Funktionen wie konfigurierbare Formulare und Stapelverarbeitung helfen dabei, tägliche Aufgaben schnell und einfach zu erledigen.

Kundenzentriert denken: Konzentration auf die Frontends

Wenn Unternehmen die Technologie von commercetools verwenden, erhalten sie anders als bei All-in-One-Lösungen kein Frontend für den Webshop dazu. Doch was zunächst nach einem Nachteil klingen mag, ist einer der großen Vorteile des Headless-Ansatzes: Händler können sich darauf konzentrieren, ihren Kunden ein individuelles digitales Erlebnis zu bieten und sich so von ihren Wettbewerbern abheben. Zudem bieten Unternehmen heute oft verschiedene Frontend-Arten an, von der Website über Mitarbeiter-Apps bis hin zu Angeboten für vernetzte Geräte wie Connected Cars oder smarte Kühlschränke. All diese Frontends können per API auf dasselbe Backend zugreifen und damit auf die gleichen Daten. Mit entsprechender Erfahrung können Unternehmen so hocheffizient auch komplexe Handelsplattformen aufsetzen. Selbst Maschinen oder Roboter können per API angebunden werden, um Teile oder Komponenten genau dann zu produzieren, wenn sie über die Plattform bestellt wurden, also On-Demand-Produktion. Das ist beispielsweise auch für den Bereich „Mass Customization“ spannend, also in großen Mengen hergestellte und dennoch individuelle Produkte wie zum Beispiel unterschiedlich bedruckte T-Shirts.

Unendliche Möglichkeiten, maximale Flexibilität

Die Möglichkeiten, die „Composable Commerce“ mit sich bringt, sind also schier grenzenlos. Zugleich erlaubt es die MACH-Architektur, in kurzer Zeit neue Ideen umzusetzen. Gerade Unternehmen, die mit unterschiedlichen Marken in verschiedenen Ländern aktiv sind, können ihr Business dadurch viel effizienter machen: So hat beispielsweise die dänische Salling Group, zu der auch der Lebensmitteldiscounter Netto (mit Hund) gehört, aufgrund niedrigerer Betriebskosten im Allgemeinen und der Konsolidierung ihrer Webshops von zwei auf eine Plattform ihre IT-Wartungskosten signifikant um 75 Prozent senken können. Außerdem konnte das Unternehmen den Turnus seiner Releases von einmal alle 14 Tage auf mehrmals täglich erhöhen. Dass sich die Flexibilität von commercetools im Business schnell bezahlbar macht, zeigt zudem eine andere Zahl: In kürzester Zeit stieg der Online-Umsatz um 20 Prozent, nachdem die Salling Group während des ersten Corona-Lockdowns sehr schnell den Service „Click & Collect“ implementieren konnte. Äußerst positive Erfahrungen mit der hohen Geschwindigkeit von commercetools machte auch REWE Digital: Kurz nach Beginn der Corona-Krise rollte das Unternehmen innerhalb von nur zwei Monaten 500 zusätzliche Abholstationen aus. „Hunderte zusätzlicher REWE Click & Collect-Stationen in so unruhigen Zeiten, wie wir sie derzeit erleben, einzurichten, wäre ohne die commercetools-Plattform nicht möglich. Denn dank der Headless-Architektur können wir unser Handels-Ökosystem flexibel und ungleich schnell anpassen und ausbauen“, sagt Dr. Robert Zores, CTO bei REWE Digital.

Lesetipp

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Whitepaper „Composable Commerce“, das wir von Location Insider mit freundlicher Unterstützung von commercetools erstellt haben. Erfahren Sie darin, warum und wie erfolgreiche Brands mit Composable Commerce ihr individuelles Commerce-Setup aus den besten Lösungen am Markt (“Best-of-Breed”) zusammenstellen, um ihre Kundinnen und Kunden noch individueller anzusprechen.

Die weiteren Themen des Whitepapers „Composable Commerce“ im Überblick:

  • Umfrage: Die wichtigsten Technologietrends im Digital Commerce
  • Erfolgsstories von CHRONEXT, flaconi und Flaschenpost (CH)
  • Interview mit Wolford-Manager Rainer Knapp zu Composable Commerce
  • Hands-on: Wie der Systemwechsel zu Composable Commerce gelingt
  • Wie die MACH Alliance das Thema Composable Commerce vorantreibt
  • Glossar mit den wichtigsten Begriffen rund um Composable Commerce

Gratis-Anforderung des Whitepapers „Composable Commerce“:

Das Whitepaper „Composable Commerce“ können Sie hier kostenlos anfordern!


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