Contra: Warum Beacons kein Allheilmittel sind.

von Gastautor am 29.Juni 2015 in Trends & Analysen

In einem aktuellen Streitgespräch zwischen Tim Wiengarten (Rabbit Mobile) und Max Weiland (Beaconsmind) fragt Location Insider, ob Beacons Deutschland Einzelhandel retten. In den folgenden Zeilen lesen Sie die Contra-Position von Tim Wiengarten, während sie unter dem folgenden Link die Pro-Position von Max Weiland lesen.

Tim_Wiengarten_Rabbit_MobileVon Tim Wiengarten

Der stationäre Handel hat ein Grundproblem: Immer mehr Kunden kaufen verstärkt online ein. Die Einkaufsstraßen und -passagen in den Innenstädten werden zunehmend leerer. Die Abwanderung ins Internet betrifft besonders die Bereiche Consumer Electronics und Mode, also jene Segmente die schon jetzt überwiegend von Online-Käufern frequentiert werden. Und plötzlich sind sie da, die Beacons, und werden als „Retter des Handels“ gehyped. Sich einfach einen Plastiksender in den Laden zu kleben und alles wird gut, ist aber eine Illusion. Drei Gründe, warum Beacons kein Allheilmittel sind.

Beacons können nicht alle Probleme lösen

Ein guter Ausgangspunkt für Händler, um Kunden ein besseres Kauferlebnis zu bieten, ist die Frage: Was wünschen sich diese überhaupt? Händler sind gefordert, erst einmal zu erkunden, worin genau die Sehnsüchte ihrer Zielgruppe bestehen. Knapp 70 Prozent der Abwanderer vom Offline- zum Onlineshopping sehen ihre Bedürfnisse stationär nicht erfüllt. Zu den Wünschen gehören beispielsweise verfügbare Mitarbeiter, freundliche Beratung, Mitarbeiterkompetenz, Warenverfügbarkeit und Produktvorauswahl. Nicht alle sind unbedingt mit einem Funksignal an ein Smartphone zu erfüllen. Auch der menschliche Faktor, Emotionen, das Haptische, sprich das Erleben, machen oft den Unterschied zwischen dem stationären Einkauf und Onlineshopping aus.

Beacons minimieren die Reichweite

63 Prozent der Deutschen über 14 Jahre besitzen ein Smartphone. Das ist erst einmal eine gute Voraussetzung. Jeder potenzielle Beacon-Kontakt muss drei Bedingungen erfüllen, damit ihn die ortsbasierten Push-Nachrichten erreichen: Der Konsument muss die entsprechende App auf seinem Smartphone installiert, Bluetooth eingeschaltet und dem Empfang von Nachrichten zugestimmt haben. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, erreicht den Verbraucher überhaupt das, was der Sender ihm schicken will. Und selbstverständlich muss der Verbraucher am oder in unmittelbarer Nähe des Point of Sale sein. Gettings und die Net Mobile AG führten 2014 in Düsseldorf ein

Beacons-Pilotprojekt mit 72 Unternehmen durch. Von der Start-Basis von 1,4 Millionen Usern der Gettings-App blieben, nach Erfüllung aller Bedingungen, noch 0,29 Prozent der Reichweite für das Projekt übrig. Will ein Händler allen Ernstes seine Werbebotschaften nur solch einer Mini-Zielgruppe präsentieren?

Nicht nur die Kundenreichweite, auch die technische Reichweite der kleinen Funksender ist begrenzt. Theoretisch liegt diese bei etwa 50 Metern, in der Praxis ist meist bei 10 bis 15 Metern Schluss. Weiterhin haben bisherige Projekte gezeigt, dass das Funksignal durch diverse Umstände gestört werden kann: Stahlbeton, Sicherheitsglas, andere Funkfrequenzen oder sogar Regen und zu viele Menschen.

Verbraucher haben wenig Lust auf In-Store-Tracking

Datensicherheit und Datenschutz werden besonders in Deutschland immer wieder diskutiert. Laut einer länderübergreifenden Befragung des IFH Köln steht besonders der deutsche Verbraucher der Beacon-Technologie noch verhalten gegenüber und sieht darin nur einen geringen Nutzen. Erstaunlicherweise haben sogar die US-Shopper Bedenken bei der Herausgabe von Daten, so eine Konsumenten-Befragung von Opinionlab zum Thema In-Store-Tracking von Retailern. Nur knapp vier von zehn Verbrauchern würden ihrem Lieblingseinzelhändler ihr Opt-in für ein Tracking-Programm geben. Bei den Millennials sind es auch nur 42 Prozent. Lediglich jeder Vierte würde seine Daten hergeben, damit man sein Shoppingerlebnis als Ganzes verbessert. Was jeden zweiten bzw. jeden dritten Verbraucher zur Datenfreigabe ermuntern würde, wären Rabatte, Gutscheine und Gratisprodukte.

Doch welche Daten würden Verbraucher erfassen lassen? Jeder Zweite hätte kein Problem damit, wenn die Wartezeit an der Kasse getrackt würde. Etwa jeder Dritte das Kaufverhalten und Produkte, mit denen man interagiert, 26 Prozent die Bewegungen im Laden. Nur 13 Prozent wären damit einverstanden, jedes Mal erfasst zu werden, wenn sie am Schaufenster vorbeilaufen. In Deutschland wollen laut Gettings „erst“ 35 Prozent der Deutschen über jedes Angebot informiert werden, wenn sie an einem Ladengeschäft vorübergehen. Ich halte die reale Zahl für weit niedriger. Hier muss die Nutzerakzeptanz noch deutlich wachsen.

Fazit

Beacons stellen eine junge Technologie dar, die sich noch im Entwicklungsprozess befindet. Da der Einsatz der Technologie viele verschiedene Anforderungen mit sich bringt und auch nur am POS funktioniert, kann sie bestenfalls Teil einer mobilen Strategie sein. Beacons werden den Handel nicht retten. Was Händler brauchen, ist ein umfassendes Kommunikations- und Shoppingerlebniskonzept. Für reine Ladengeschäfte stellt sich die Frage: Wie können sie die Abwanderung der Kunden ins Internet verhindern? Für Multichannel-Player heißt die Frage: Wie kann das stationäre Einkaufserlebnis mit digitalen Möglichkeiten verbessert und mit dem Onlineshop verknüpft werden?

Vor allem lokale Händler sind gut damit beraten, nicht blind auf den Beacon-Hype-Zug aufzuspringen, sondern sich Hilfe bei der Frage zu holen, wie sie ihren Kunden ein möglichst umfassendes Shoppingerlebnis mit Mehrwert bieten können. Beacons können dabei ein Aspekt sein. Sie werden jedoch in deutlich weniger Anwendungsfällen eine Rolle spielen, als der Medienrummel uns aktuell glauben macht.

Lesen Sie auch den anderen Teil unseres Streitgesprächs zu Beacons, die Pro-Position von Max Weiland.

Über Tim Wiengarten:

Tim Wiengarten ist Geschäftsführer der rabbit mobile GmbH. Die Frankfurter Agentur ist spezialisiert auf die Entwicklung mobiler Business-Lösungen, u. a. für die bessere Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb.


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