Das war meine dmexco 2017.

von Gastautor am 22.September 2017 in News, Trends & Analysen

Von Frederic Handt, Managing Director Bonial Deutschland

Von Krise oder gar Bedeutungsverlust der dmexco war in vielen Vorberichten die Rede. Davon kann keine Rede sein. Die dmexco 2017 hat ein Ausrufezeichen gesetzt, und was für eines. Mein persönlicher Messerückblick.

Wer die dmexco im Vorjahr besucht hat, wird sich erinnern. Es war schlicht zu voll. Kaum Luft zum Atmen, kein Raum für vernünftige Gespräche – die Besucher standen sich im reinsten Sinn des Wortes gegenseitig auf den Füßen. Die im Vorfeld als mutig bezeichnete Entscheidung, in diesem Jahr Tickets zu verkaufen, war goldrichtig. Mit 99 Euro scheint die Preisschwelle hoch genug gewesen zu sein, um genau die Besucher abzuschrecken, die in erster Linie kommen, um Gadgets einzustecken. Der Besucherrückgang in diesem Jahr bedeutet deswegen gerade nicht, dass die dmexco ihren Zenit überschritten hat. Sie brachte schlicht mehr Qualität.

Tolle Gespräche – auf und neben den Bühnen

Auch in diesem Jahr waren tolle Gäste auf den Bühnen und Panels versammelt. Schon allein dafür hätte sich die Fahrt nach Köln gelohnt. Dabei mussten sich die Referenten durchaus auch kritische Fragen gefallen lassen. So ist Donald Trump sicherlich der derzeit bekannteste und umstrittenste Twitter-Nutzer weltweit. Der US-Präsident hält mit seiner eigenen Meinung nicht hinter dem Berg und polarisiert. Jack Dorsay rief uns allen auf Nachfragen noch einmal ins Gedächtnis, dass es zum Wesen der Demokratie gehört, Menschen zu erlauben, ihre Meinung zu äußern. Das gelte auch für den Präsidenten der USA. Die Aufgabe von Twitter sei es, Diskussionen und Gesprächen Raum zu geben. Und diese Chance nutzen neben Trump viele Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik weltweit.

Wer es nicht nach Köln geschafft hat, oder aus Zeitgründen eine Veranstaltung verpasst hat, sollte sich den YouTube-Kanal der Messe ansehen. Hier gibt es viele Zusammenfassungen Aufzeichnungen.

Online und Offline verschmelzen immer mehr. Das gilt für Handel und Marketing gleichermaßen. Multi- und Omnichannel verknüpfen Einkaufserlebnisse der Kunden auf den unterschiedlichen Kanälen. Und auch im Marketing wird sich dieser Trend noch verstärken. Online begonnene Kampagnen werden dann offline fortgesetzt. Dies geschieht einerseits durch segmentierte Push-Nachrichten, welche auf Nutzerpräferenzen bzw. -verhalten basieren. Eine weitere Möglichkeit das von Retailern gwünschte “Drive to Store” zu fördern, ist der Einsatz von Geo-Targeting, mit dem die Nutzer in der Nähe eines Marktes angesprochen werden. Auf kaufDA und MeinProspekt führen wir auch bereits Kampagnen sowohl für Händler als auch für Markenhersteller durch, welche beide Ansätze miteinander kombinieren. Auch mit Digital Signage direkt am POS lassen sich Kampagnen verlängern. Der stationäre Handel jedenfalls bleibt in vielen Segmenten einfach unverzichtbar.

Meine 6 Learnings der dmexco 2017

Was nehme ich von der dmexco 2017 mit nach Hause? “Digitale Transformation” ist hier stets das dominierende Thema. Auch Personalisierung, Programmatic Buying und künstliche Intelligenz beschäftigen unsere Branche ja bereits seit einiger Zeit. Es gab einige weitere Themen, die sich in den Vordergrund spielten:

1. VR und AR drängen aus der Nische

Aktuell sind Virtual Reality und Augmented Reality noch in einer Nische. Aber ich bin mir nach einem Rundgang auf der Messe sicher, dass das nicht mehr lange so bleiben wird. Gerade die neue Version von Apples Betriebssystem für seine neuen iPhones werden AR einen Schub verleihen. Keine Frage, die Technologie ist anspruchsvoll und eine App mit Nutzwert für den Kunden zu entwickeln, ist zeitaufwändig und kostet auch Geld. Bonial hat hier bereits früh begonnen, erste Erfahrungen mit einer VR-App zu sammeln. Auch aus Sicht des stationären Handels wird das Thema VR mit Sicherheit an Relevanz gewinnen. Denn damit entstehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten, um Erlebnisse am POS interessanter zu machen und weiter aufzuwerten. Für einige Segmente mag die Einkaufsentscheidung zu Hause auf der Couch dadurch noch bequemer werden.

2. Marketingabteilungen und Sales brauchen ein gemeinsames Planungssystem

Heute empfinden Kunden auf ihrer Reise durch das Web zahlreiche Anzeigen als irrelevant, ja sogar störrend, weil sie das entsprechende Produkt bereits gekauft haben.   Daher werden Lösungen, die über klassische ERP-Systeme für einzelne Unternehmen hinausgehen, für die Zukunft unabdingbar sein. Das Aufbrechen von (Daten-)Silos bleibt dabei ein wichtiges Thema. Das betrifft nicht nur die Kommunikation von Vertrieb und Marketing innerhalb einer gegebenen Organisation. Vielmehr werden entlang einer Wertschöpfungskette die Grenzen zwischen Abteilungen, Kunden, Wettbewerbern und Lieferanten verschmelzen, quasi zu einer Wertschöpfungs-Gemeinschaft mit ganzheitlichem Blick auf den Kunden.

3. Vertrauen zählt

Ein Wort tauchte in vielen Vorträgen auf: „Vertrauen“. Es ist der Anfang von allem, aber auch das Ende, wenn das Vertrauen verloren geht. Kunden wollen Werbung sehen, die sie als relevant wahrnehmen. Werbung, die einen Nutzen verspricht. Vertrauen in eine Marke fassen. Doch viel zu oft werden die geweckten Erwartungen nicht eingelöst. Händler und Marken wollen darauf vertrauen, dass ihre Botschaften nur auf Plattformen auftauchen, die sie als passend und seriös einstufen. Und sie wollen den Zahlen von Werbeplattformen vertrauen können. Das unterstrich insbesondere der Vortrag von P&G-Chief Brand Officer Marc Pritchard.

4. Handelsplattformen werden zu Anzeigenplattformen

Paid Media auf Händler-Seiten war ein Thema des Panels „The Conquerors of the Last Mile in Digital Advertising“. Auf Amazon erreichen viele Marken inzwischen mehr Nutzer als auf den eigenen Corporate-Websites. Da ist es nur logisch, dass Zalando, Amazon und andere Plattformen klassische Publisher angreifen. Alibaba fährt in Asien bereits nennenswerte Umsätze über Paid Ads ein. Die Werbetreibenden kaufen sich aber dort nicht nur Werbeleistung ein, sondern erhalten auch Insights über die Konsumgewohnheiten ihrer Zielgruppen. Und nicht zuletzt verschmelzen dort Branding und Performance. Auf unserem Messestand haben wir in zahlreichen Terminen mit Kunden “Bonial Connect” und “Bonial Reach” vorgestellt. Zwei neue Produkte, die dem Einzelhandel dabei helfen, ihre aktuellen Angebote auf der eigenen Website zu präsentieren und bei Bedarf die Reichweite der Bonial-Plattformen kaufDA und MeinProspekt hinzuzuschalten. Dies haben bereits erste führende Händler und Markenhersteller implementiert.

5. Datenschutz ist mehr als Hygienefaktor

Wie nicht anders erwartet, bewegt der Umbau des europäischen Datenschutzrechts die gesamte Branche. Der Schutz persönlicher Daten an sich ist nichts Neues. Die Europäische Datenschutzgrundordnung präzisiert nur viele Ansätze. Für Unternehmen bedeutet es aber, sich spätestens jetzt über zwei Aspekte Gedanken zu machen. Das ist einerseits die Prüfung, ob die eigenen Ansätze und Systeme den neuen Rahmenbedingungen entsprechen. Aber viel wichtiger wird es, sich Argumente zu überlegen, die den Kunden davon überzeugen, die Einwilligung zur Nutzung von persönlichen Daten zu geben.

Den Datenschutz nicht einzuhalten, kann ab dem kommenden Jahr doppelt bestraft werden. Auf der einen Seite durch die Behörden. Aber viel schwerer durch die Kunden. Durch Vertrauensverlust in den Händler oder die Marke.

6. Maschinelles Lernen ist Chance, keine Bedrohung

Künstliche Intelligenz (KI) ist ohne Zweifel eine Revolution im Marketing. Der Einsatz von maschinellem Lernen und selbstlernende Systeme werden im Gebiet “Vorhersagen” eine zunehmend bedeutendere Rolle spielen und immer besser werden. Händler und Unternehmen erhalten Unterstützung bei der Suche nach Antworten auf die Frage, was die Kunden wirklich wollen, bzw. zu kaufen wünschen. Ist eine ausreichende Datenbasis vorhanden, hilft KI dabei, das richtige Produkt über den richtigen Kanal zu kommunizieren und auch verfügbar zu haben. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis es von KI generierte Werbemittel geben wird, die auf den jeweiligen Kunden abgestimmt sind. Spannend wird die Frage, ob es uns gelingt, den Fokus der Entwicklung auf die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen zu legen. Media-Saturn zeigt das mit dem Roboter Paul, der in den Märkten Aufgaben übernimmt, um die Verkäufer zu entlasten.

Mein Fazit: Die dmexco ist ein Mekka der Branche und war wie immer lohnend, denn sie ermöglicht einen Blick in die Zukunft. Diese ist de Facto bereits Gegenwart – sie ist nur ungleich verteilt und deshalb in unterschiedlichem Maße für alle Marktteilnehmer spürbar. Es ist an uns, sie aktiv zu gestalten.

Über den Autor

Frederic Handt ist Managing Director von Bonial Deutschland mit den Marken kaufDA und MeinProspekt. Der 44-Jährige hat unter anderem 8 Jahre bei Procter & Gamble erfolgreich in verschiedenen Führungspositionen gearbeitet. Zuletzt war er dort im Geschäftsbereich Global Customer Innovation und Shopper Marketing tätig. Danach übernahm Handt beim New Yorker Unternehmen Harry’s die Geschäftsführung für den Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland.


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