Der Marktplatz wird erwachsen und heißt jetzt Plattform.

von Gastautor am 29.Juli 2019 in Marktplätze, News, Trends & Analysen

Von Daniel Nill

Wollte vor wenigen Jahren noch jeder einen Marktplatz haben, steht nun die Plattform ganz oben auf der Wunschliste des Mittelstands. Der zentrale Wert erfolgreicher Plattformen bildet sich aus der entstehenden Datenhoheit sowie der Pionier-Funktion, die sie im jeweiligen Markt einnehmen. Durch Daten werden die Inhaber in die Lage versetzt, Vorhersagen über Marktentwicklungen zu treffen und bekommen eine qualitativ hochwertige Entscheidungsgrundlage für sämtliche Geschäftsbereiche. Von Predictive Procurement über Predictive Marketing bis hin zu Predictive Pricing ist perspektivisch vieles möglich. Zunächst sichert die Plattform als Intermediär langfristig die Nähe zum Kunden – und wer den Kundenzugang hat, gewinnt.

Raum für interne und externe Innovatoren

Innovation funktioniert heute plattformökonomisch. Das heißt, Unternehmen öffnen mit einem Basisprodukt oder -service den Raum für externe Innovatoren, die die Idee weiterentwickeln und zusätzliche Produkte erfinden können. Ziel ist es, Unternehmen ein umfassendes, neues und digitales Ökosystem zur Verfügung zu stellen, dem es gelingt, auch die Produkte und Services von Wettbewerbern mit einzubeziehen. Das Zentrale dabei: Wettbewerber teilen auf der Plattform ihre Daten miteinander. Das machen sie vor allem, um über die Plattform Zugang zu Endkunden zu bekommen, die über bisherige Vertriebswege schlicht nicht mehr zu erreichen sind.

Gute Plattformen charakterisiert, dass sie sowohl Kunden, die eine Plattform nutzen, als auch Lieferanten, die Produkte oder Dienstleistungen auf der Plattform anbieten, gleichermaßen Vorteile bringt. Es reicht nicht, nur einen Mehrwert für den Endkunden zu bieten, wenn nicht klar ist, warum sich ein zusätzlicher Lieferant – möglicherweise gar ein Wettbewerber – auf die Plattform begeben soll.

Wer zuerst kommt, besetzt die Mühle

Die Hoheit über die Daten ist essenziell. Wer die erfolgreichste Plattform der Branche betreibt, kann auch die meisten Mehrwerte generieren. Er ist an der Schnittstelle zwischen Kunden und Lieferanten, er besitzt und besetzt Daten und Informationen, die benötigt werden, um Business-Konzepte zukunftsfähig zu machen. Über sorgfältig erhobene und strukturierte Daten können etwa neue Bedarfe erkannt werden. Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass Daten etwa zum Nutzerverhalten noch stärker genutzt werden, um neue Services zu entwickeln, die dann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil liefern – zumindest für die Betreiber von Plattformen, die es geschafft haben, sich zuerst mit einem marktrelevanten Angebot an die zentrale Schnittstelle ihrer Branche gesetzt zu haben. Ein Beispiel dafür sind etwa Predictive Baskets, also Warenkörbe, die aufgrund gesammelter Nutzerdaten Kundenpräferenzen voraussagen und bereits mit den gewünschten Produkten selbst bestücken.

Aus einer Innensicht heraus kann man keine Plattform initiieren

Wer versucht, eine Plattform in einem wettbewerbsstarken Umfeld zu etablieren und dabei vor allem das Ziel hat, Preise zu drücken oder die Marge zu erhöhen, wird straucheln. Wer Innovation schaffen will, muss herausfinden, was den Kunden begeistern wird.
Die Innenansicht wird zur Außenansicht und die Plattform zum Geburtshelfer der schon lange beschworenen Kundenzentrierung.

Vom Marktplatz zur Plattform – fünf Entwicklungsschritte des Mittelstands

Schritt 1: Plattformen sind der ganzheitliche Entwicklungsschritt nach dem linearen Marktplatz „Ware – Zulieferer – Kunde“. Der reine Warenverkauf wird auf einer Plattform um Mehrwerte wie Dienstleistungsfunktionen, Informationen und Content erweitert. Wettbewerber schließen sich im Sinne der „Co-opetition“ zusammen.

Schritt 2: Automatisierung – Der einzelne Mitarbeiter hat immer weniger Interaktion mit einem System, weil die Beschaffungsprozesse automatisiert abgebildet werden.

Schritt 3: Alle Transaktionen finden automatisiert statt. Der eigene unternehmensinterne Bedarf wird automatisiert und als Prozess an die Plattform gegeben. Der Zulieferer kann dann die Bestellung in die Produktion des Unternehmens eingeben und eine direkte Fertigung ermöglichen.

Schritt 4: An der automatisierten Plattform nehmen menschliche Akteure nur noch steuernd teil, etwa, in dem sie Lieferanten auswählen. Der operative Einkauf hingegen läuft über künstliche Intelligenzen und Algorithmen. Das System sucht den besten Lieferanten für das benötigte Produkt in der gewünschten Qualität zu dem bestmöglichen Preis in der Lieferzeit.

Schritt 5: Die Endstufe der Plattform braucht kein Interface mehr, weil sie keinerlei menschliche Interaktion mehr benötigt.

Über den Autor:

Daniel Nill ist CEO bei Turbine Kreuzberg und begleitet Unternehmen bei der Entwicklung von Digitalstrategien von der Implementierung neuer Vertriebskanäle bis zur Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells. Sein Schwerpunkt ist das Geschäft im B2B-Bereich sowie im Raum Süddeutschland, Österreich, Schweiz. Daniel Nill leitet den Unternehmensstandort Stuttgart.


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