Die Gesichtserkennung, die keine war.
von Andre Schreiber am 28.Juni 2017 in NewsWir Journalisten lieben knackige Begriffe. Und wie anders als mit „Gesichtserkennung“ hätte man auch die von real versuchsweise eingesetzte, doch komplizierte Technik beschreiben sollen? Fakt ist, damit ist jetzt erst einmal Schluss.
Was für ein Aufreger! Eigentlich wollte real, oder besser, das von der Kette mit dem Betrieb der Digital-Signage-Technik beauftragte Unternehmen, eine neue Technologie ausprobieren. Mit der Kamera wurde das Bild der Kunden vor dem Display aufgenommen und anschließend von einem maschinellen System verarbeitet. Passend zum erkannten Typ wurde dann Werbung ausgespielt. Binnen weniger Tage verbreitete sich die Nachricht in der deutschen Medienlandschaft. Und nicht nur Fachmedien, sondern besonders die Publikumspresse stürzte sich auf das Thema.
„real setzt Gesichtserkennung an der Kasse ein“. Und das impliziert ja sehr viel mehr, als geplant war und derzeit technisch überhaupt möglich ist. Denn es ging nicht darum, festzustellen, dass der Herr Müller aus Musterdorf bei real an der Kasse ein Paket H-Milch kauft. Denn dazu müsste das System ja auch eine Referenz haben, wie Herr Müller überhaupt aussieht. „Erkannt“ wurde also gar nicht der Herr Müller als Person, sondern lediglich, dass es sich bei ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Mann mittleren Alters handelt. Und da Männer mittleren Alters sich vielleicht besonders für das Shampoo einer bestimmten Marke interessieren, hätte das Display ihm dann ein passendes Angebot unterbreitet.
Fachmedien stellten die berechtigte Frage nach dem Nutzen. Denn schließlich könnte der Herr Müller in dem Moment, wo das System ihm die Werbung zeigt, bereits schon wieder einen Schritt weitergegangen sein, oder gar nicht mehr auf das Display schauen. Die Publikumspresse dagegen stürzte sich genüsslich stärker auf den Aspekt der Überwachung. Dabei wurde gern die Tatsache ausgeblendet, dass letztlich in unseren Innenstädten Totalüberwachung herrscht. Jeder TV-Zuschauer, der einmal die Sendung „XY“ gesehen hat, weiß das. Da können Verdächtige durch ganze Straßenzüge hindurch verfolgt werden. Kameras an der Tankstelle, öffentlichen Plätzen, in Parkhäusern und privaten Gebäuden machen es möglich. Die Fachleute des bayerischen Datenschutzes stuften das Verfahren insofern als unbedenklich ein, weil die Daten nicht einmal gespeichert wurden, sondern lediglich für Sekunden verarbeitet wurden.
Doch alle sachlichen Argumente kamen zu spät. Als jetzt auch noch Schlagzeilen auftauchten, die von einem Strafantrag gegen real sprachen, zog das Unternehmen die Notbremse. Wie der Presse mitgeteilt wurde, endet das Projekt.
Bleibt indes die Frage, wie ein so hochprofessionell geführtes Unternehmen wie real die Situation dermaßen falsch einschätzen konnte. Sowohl bei der Einführung der Technologie an sich, wie auch in der nachfolgenden Kommunikation.
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