Die radikale Revolution im stationären Einzelhandel. Teil 1: Stories statt Stores.

von Gastautor am 08.Januar 2018 in Highlight, News, Trends & Analysen

So war „This is Story“ während der Weihnachtszeit gestaltet – die Inspiration dafür lieferte der Film „The Greatest Showman“. (Copyright: „This is Story“)

Von Wolf Jochen Schulte-Hillen

Vor über drei Jahren eröffnete Rachel Shechtman am Ostausgang des Chelsea Piers auf der 10th Street in NYC Ihr Ladengeschäft „This is Story“, was mich bei jedem meiner Besuche erneut fasziniert und wo ich – anders als bei den vielen anderen Storebesuchen – immer etwas überraschendes Neues finde und dann auch kaufe.

Beeindruckt bin ich zugleich auch von der wachsenden Generation an „Statement Stores“, die in den letzten zehn Jahren eröffnet haben: Apple, vor allem auch die internationalen Sportswear-Marken wie die LAB Stores von Nike, adidas originals und der Conceptstore Generation, angeführt von Colette, Merci, Open Ceremony und Urban Outfitters und neuerdings auch Arket von H&M.

Mit ihrem Laden zeigt Rachel Shechtman dem stationären Einzelhandel, wie ihrer Ansicht nach stationärer Handel in Zukunft aussehen sollte. Das Besondere, das Revolutionäre an dem Konzept ist, dass all diese „experience selling“-Formate besondere Erlebnisse verkaufen, die sich von anderen Vertriebsformen deutlich unterscheiden. Sie verkaufen etwas anderes statt Stores, nämlich Stories.

Die uneingeschränkte Kooperation mit optimal aufgestellten Markeninhabern ist das, was „This is Story“ in New York und andere neue stationäre Händler auszeichnet. Zwar tritt die Marke selbst mit dessen Webshop in direkten Wettbewerb, bekommt aber im Gegenzug von den Händlern – auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen – entsprechend gute Konditionen.

Die im Laden von Rachel Shechtman sorgfältig ausgewählten Warenkompositionen (siehe auch ein Bericht der Washington Post dazu) sind wie die Speisen verschiedener Brands in einer Sterneküche kuratiert. Die Marken lernen von der Customer Experience sowie den dargebotenen „Stories“ und können ihre Brand parallel zu ihren eigenen Storeerfahrungen – ohne direkten Wettbewerb zueinander – individueller profilieren. Showrooming kann nicht besser umgesetzt werden, um eine perfekte Voraussetzung für optimales Brandbuilding zu generieren.

Nach meinem Blick auf ein gelungenes Beispiel eines kleinen individuellen stationären Handelsformates nun mein Statement zum filialisierten klassischen stationären Einzelhandel. Ich bin der Meinung, dass der Handel in Zukunft nur überlebt, wenn er sich entscheidet, welchen Weg er gehen will:

  • Geht er eine Liaison mit den neuesten, sich permanent verändernden technologischen und von der digitalisierten Robotic getriebenen Entwicklungen ein, wie sie Amazon, Zalando, Alibaba, Rakuten oder JD.com eingehen?

oder

  • entscheidet er sich für die – in ihren Warenbereichen – besten Verkaufsmanager, für ein auf seine Zielgruppe klar ausgerichtetes Sortimentsprofil in einer dazu passenden Atmosphäre und einen perfekten Service?

Zwischenlösungen sehe ich für den filialisierten Einzelhandel in Zukunft nicht mehr. Es ist also eine große Herausforderung, aber dennoch eine machbare Aufgabe, vor allem für die großen Warenhäuser und Supermärkte.

Den Weg, den die großen Pure Player wie

  • Amazon mit Wholefoods,
  • Otto Group mit ihren stationären Handelsgeschäften,
  • Alibaba mit den Sun Art Departmentstores,
  • JD.com mit Wal Mart als große Herausforderung an alle Pure Player
  • Zalando u.a. mit der Bestseller Gruppe und Marc O’ Polo gehen,

zeigt, dass die von Algorithmen, Internet der Dinge und künstlicher Intelligenz getriebenen Datentransfer-Schnittstellen zwischen stationärem Handel und e-commerce die Zukunft des Handels sein werden. Vor allem realisieren sie Lösungen, wie und wann die Bedürfnisse der im Zeitalter der vollständigen Digitalisierung aufwachsenden Generationen in Zukunft befriedigt werden können.

In Teil 2 meiner Ausführungen gehe ich gesondert und intensiver auf die vielfachen digitalen Notwendigkeiten mit Bezug zum stationären Handel 2030 ein. Lesen Sie den Teil 2 hier. >>

Berichten Sie mir gerne von Ihren persönlichen Erfahrungen und teilen mir Ihre Anregungen und Bedenken mit. Sie erreichen mich unter wjsh@shselection.de.

Über den Autor:

Kaum einer kennt den deutschen und internationalen Handel so gut wie er: Wolf Jochen Schulte-Hillen gründete 1973 SH Selection, ein Vertriebsunternehmen für Sportbekleidung, das seit 1996 als internationales Beratungsunternehmen operiert. Er verhalf Kunden wie Sephora, Benetton, Skechers oder Zara zum deutschen bzw. europäischen Markteintritt und auch gleich zu passenden Immobilien. Zudem entwickelte er Nutzungskonzepte für Shoppingcenter wie das Alexa in Berlin. Heute ist Schulte-Hillen als Beirat in internationalen Organisationen und für Einzelhändler, Kommunen, Investoren und Entwickler mit dem Schwerpunkt Standort- und Unternehmensentwicklung tätig. Nebenbei hält der frühere Leichtathlet seit über 50 Jahren den deutschen Staffelrekord über dreimal 1.000 Meter. Im Sommer beantwortete Wolf Jochen Schulte-Hillen unseren Händler-Fragebogen.


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