Digitalisierung des Handels: Die wichtigsten Trends 2021.
von Florian Treiß am 10.Mai 2021 in Highlight, News, Trends & AnalysenDiese Expertenumfrage wird Ihnen präsentiert von xplace, dem internationalen Lösungsanbieter und Systemintegrator für die Digitalisierung der Customer Journey am Point of Sale.
Wir haben führende Händler und Handelsexperten gefragt: Welche Themen für die Digitalisierung des stationären Handels halten Sie für besonders wichtig? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Umfrage aus Unternehmen wie Conrad, dm, Lidl, MediaMarktSaturn oder Rose Bikes nennen viele verschiedene Themen, von elektronischen Preisschildern über Künstliche Intelligenz bis hin zu Self-Checkout-Systemen. Bei den Antworten im Mittelpunkt: Kunde bzw. Kundin. Aber auch interne Prozesse, die Kunden nicht bemerken, können durch die Digitalisierung verbessert werden. Lesen Sie hier, was die Expertinnen und Experten sagen.
Christoph Werner, Geschäftsführer von dm-drogerie markt (Fotografin: Christina Riedl)
Digitalisierung ist nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck. Der Zweck des Einzelhandels ist es Kunden ein möglichst attraktives Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Dies gelingt vor allem dann, wenn jeder Kunde sich in seinen Bedürfnissen bestmöglich wahrgenommen fühlt und eine entsprechende Leistung beim Einkauf erlebt. Diese Personalisierung kann mit dem Mittel der Digitalisierung besser erreicht werden als ohne. Auch kann Digitalisierung dabei helfen, die Prozesse im Unternehmen effizient und stabil zu organisieren. In diesem Falle ist Digitalisierung das Mittel zum Zwecke der Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
Florian Gietl, Deutschland-Chef MediaMarktSaturn
Für uns bedeutet Digitalisierung maximale Kundenfokussierung. Bei allen Technologien und Innovationen, die wir im stationären Handel einsetzen, stehen die Bedürfnisse der Kunden im Fokus. Innovative Technologien ermöglichen es uns, das Einkaufserlebnis am POS noch kundenorientierter zu gestalten. Hierbei werden Themen wie Self-Checkout-Systeme, digitale Services oder KI sicherlich auch die kommende Zeit prägen. Dennoch ist Omnichannel für uns der zentrale Baustein. Wir verbinden online und stationär zu einem nahtlosen Einkaufserlebnis: Mit unseren Mitarbeiter-Smartphones können die Berater am Regal Produktinformationen abrufen oder Produkte aus anderen Märkten und Lagern bestellen. Bestellungen in den Onlineshops kann man sich hingegen zur Abholung in den Wunsch-Markt liefern lassen. Darüber hinaus beschleunigen neue Technologien auch interne Prozesse. So optimieren wir Bereiche wie Sourcing, Logistik, Back Office oder die interne Kommunikation fortlaufend mit digitalen Lösungen.
Jan Sperlich, Geschäftsführer GRAVIS
Wie bei jeder Aktivität im Einzelhandel misst sich die Relevanz von Digitalisierungsmaßnahmen im Store am Mehrwert für unsere Kund:innen. Für GRAVIS stehen Convenience und Transparenz im Vordergrund aller Optimierungen.
Deshalb hat die digitale Vernetzung aller Prozesse seit einigen Jahren höchste Priorität. Das beginnt mit dem SCM, geht über die Bereitstellung elektronischer Daten für Lieferanten und Großkund:innen und reicht bis zu automatisierten Artikelanlagen und Bestellauslösungen beim Lieferanten. So konnten wir z.B. den Repair-Prozess vollständig automatisieren – von der Terminreservierung und der Fehleranalyse, über die Ersatzteilbestellung, bis hin zur Verfolgung des Reparaturstatus.
Die vollständige Digitalisierung aller Prozesse ist aber nur eine Seite, die andere ist es, den damit einhergehenden Veränderungsprozess auch intern eng zu begleiten. Schulungen zu veränderten Customer Journeys, Agilitätsprogrammen, zum generellen Umgang mit Veränderung und dem Erlernen neuer Führungsskills stehen deshalb bei uns auf der Tagesordnung.
Rolf Schumann, Chief Digital Officer, Schwarz Gruppe
Lidl Plus ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierungsstrategie der Schwarz Gruppe. Mit der App verfolgen wir das Ziel, digitale Services mit dem stationären Einkauf zu verbinden. Dadurch wollen wir neben einem verbesserten Einkaufserlebnis, den Nutzen und die Zufriedenheit unserer Kunden steigern. Mit Lidl Pay, der bundesweiten neuen Bezahlmöglichkeit in der Lidl-Plus-App, können unsere Kunden noch schneller und einfacher bezahlen. Darüber hinaus werden den Kunden nun zum Beispiel personalisierte Inhalte auf Basis ihres bisherigen Einkaufsverhaltens in der App angezeigt. Zudem bieten wir mit dem LidlPlusWLAN in unseren Filialen einen kundenfreundlichen Internetzugang an.
Auch das Thema „elektronische Preisschilder“ ist für Lidl ein bedeutendes Zukunftsthema. Mit der innovativen Technik wollen wir die Prozesse in unseren Filialen für die Mitarbeiter optimieren, indem die tägliche Preisauszeichnung von Hand entfällt. Zudem sparen wir damit große Mengen Papier ein. Wir haben bereits eine Lidl-Filiale in Neckarsulm vollständig mit elektronischen Preisschildern ausgerüstet. Mit dem bundesweiten Roll-out aller rund 3.200 Filialen werden wir voraussichtlich im Laufe des Kalenderjahres 2021 starten.
Tim Böker, Director Retail Rose Bikes
Vom Point of Sale (POS) zum Point of Experience (POX) – Als Händler muss man sich darüber im Klaren sein, dass nichts mehr so ist wie früher. Der Handel als transaktionsgetriebenes Geschäftsmodell wird weichen müssen und einem serviceorientierten Erlebnismodell Platz machen. Und hier ist das Ladengeschäft nur noch ein Teil in der Customer Journey – der jedoch eine ganz besondere Aufgabe hat: Produkte haptisch erlebbar machen und mit Services punkten. In Zukunft wird es darum gehen, den Retail Store mit allen anderen Touchpoints – sei es Online, Social Media oder Customer Care – zu verknüpfen und mit Hilfe von digitalen Prozessen zu einem Kundenerlebnis zu formieren. Das ist die neue Interpretation von Omnichannel.
Julia Ritter, Inhaberin, desiary.de
Als Multichannel Händler mit 12 Jahren Erfahrung im Design Handel können wir unsere Insights aus einem turbulenten Corona-Jahr 2020 teilen. Wir waren schon vor Corona digital aufgestellt aber Corona hat uns aufgerüttelt einmal alles auf den Prüfstand zu stellen. Das Jahr hat im März mit der Panik und dem Chaos begonnen, es war klar das uns die stationären Umsätze wegbrechen werden bei weiterlaufenden fixen und variablen Kosten.
Daher haben wir online umso mehr Gas gegeben. Eines unserer Erfolgsrezepte war schon immer mit vielen Absatzkanälen und mit vielen Marketingkanälen zu arbeiten. Das haben wir 2020 noch verstärkt, wir haben unseren Online Shop relaunched, haben das Shopsystem gewechselt, haben die Middleware und die Warenwirtschaft gewechselt und haben und hier eine bessere Infrastruktur geschaffen die uns weiteren Wachstum und neue Partnerschaften ermöglicht hat. Das hat so gut geklappt das wir mittlerweile mit unserer Systeminfrastruktur Ansprechpartner für Hersteller und andere Brands aus Möbel und Interior geworden sind, die unsere Systeme und unser Know How nutzen um schnell neuen Umsatz auf Plattformen wie douglas.de, rewe.de, otto.de und weiteren zu generieren.
Jan Weischer, Geschäftsführer BabyOne (Fotografin: Hanna Witte)
Digitalisierung bedeutet für uns zuallererst einmal Veränderungsfähigkeit! Den notwendigen Wandel im Handel mit der notwendigen Geschwindigkeit vorantreiben zu können ist nur mit einem offenen, schnellen und veränderungsfähigem Mindset möglich.
Wenn wir dann auf konkrete Maßnahmen eingehen ist – wie bei allen Entscheidungen, die wir als Händler treffen – auch bei der Digitalisierung des stationären Handels aus meiner Sicht am wichtigsten, immer mit der Frage zu starten: Wie können wir einen Mehrwert für unsere Kund*innen schaffen? Wir versuchen jede Maßnahme von unseren Kund*innen aus zu denken; Digitalisierung als Selbstzweck bringt uns nicht weiter. Es gibt natürlich auch eine Fülle von Digitalisierungsthemen, die unsere Kund*innen nicht direkt mitbekommen, wie die Digitalisierung von internen Prozessen, aber auch hier ist immer unser Ziel, unsere Berater*innen auf der Fläche zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die direkte Kundenberatung zu ermöglichen. Bei alledem braucht es natürlich IT-Unterstützung. Unser Unternehmensmotto für dieses Jahr lautet dementsprechend „Alles ist IT“ – und so verstehen wir auch die Marschroute für unsere Zukunft. In unserer Franchise-Welt war das Thema „Ship-from-Store“ z.B. schon ein riesiger Schritt in diese Richtung. Es gibt aber auch weniger offensichtliche Ansatzpunkte, wo Digitalisierung dem stationären Handel nützt: Wir haben z.B. eine E-Learning-Plattform eingeführt, damit unsere Filialen sich austauschen und voneinander lernen können – was direkt auf unsere Beratungskompetenz einzahlt. Prozesse, Kanäle und Informationen müssen intuitiv und reibungslos ineinandergreifen und uns in die Lage versetzen, Kundenwünsche, Warenflüsse und Kommunikationswege datenbasiert im Auge zu behalten und daraus Erkenntnisse gewinnen, die uns stets am Puls der Zeit halten.
Rien Jansen, Geschäftsführer Einkauf, Marketing und Retail bei bonprix
Digitalisierung sollte immer aus Sicht der Kund*innen gedacht werden. Wo ist es sinnvoll, die Offline- und Online-Welt miteinander zu verbinden, um den Spaß am Shoppen in den Vordergrund zu stellen und eine inspirierende Ansprache kanalübergreifend erfolgreich zu gestalten? In unserem Hamburger bonprix Store versuchen wir dies zu erreichen und die Pain Points des stationären Handels bestmöglich zu beseitigen. Wir bieten unseren Kundinnen eine voll assistierte Shoppingtour per App: über das Smartphone kann die Mode gescannt, zur Anprobe in die Kabine bestellt und kontaktlos bezahlt werden. Nicht verfügbare Größen lassen sich per Klick nach Hause bestellen. So gehen Komfort, Inspiration und Service Hand in Hand. Aber auch für die interne Prozessoptimierung bietet die Digitalisierung enorme Chancen. Durch spezifische Store Analytics können wir Kund*innenbedürfnisse viel besser verstehen und beispielsweise Warenbestände effizienter steuern. So lernen und erneuern wir permanent, aber immer mit demselben Ziel vor Augen: der Kundin das bestmögliche Shoppingerlebnis zu bieten.
Julia Greven, Marketingberaterin, philla BrandXitement
Händler sollten die Möglichkeiten der verschiedensten digitalen Kommunikationskanäle aktiv wahrnehmen (Telefon, VideoCall, Chat, Email, Messenger, Newsletter, Social Media) um mit ihren Kunden in Kontakt zu kommen – sowie auch zu bleiben!Darüber hinaus empfehle ich die Erweiterung der Vertriebskanäle durch die Nutzung von Social Media, Marktplätzen und Vermittlungsplattformen.
Im Bereich des Kundenservice wäre eine flexible Auswahlmöglichkeit der Bezahlsysteme für Kunden wichtig. Ob im Ladenlokal oder online: Bezahlen muss einfach, flexibel und so praktisch wie möglich sein. Schon vor der Covid-Krise wies der Trend deutlich in Richtung bargeldloses und berührungsloses Bezahlen (= vor allem Schnelligkeit). Auch durch eine Flexibilisierung im Bereich der Warenauslieferung könnte der stationäre Handel den Kunden mehr Optionen bieten. Das zum Beispiel vielen Händlern erst jetzt in der Corona Krise bekannt gewordene click & collect Angebot ist nur ein Beispiel.
Einzelhandelsgeschäfte haben die große Chance sich als Local Hero zu positionieren, sowohl stationär wie auch digital. Dank Social Media ist die Eingrenzung auf eine bestimmte Region und Zielgruppe einfacherer denn je. So kann man durch verhältnismäßig günstige lokale Onlinewerbung in z.B. Stadtviertel-Foren und Gruppen, auf sich aufmerksam machen. Darüber hinaus gibt es Anbieter (wie bspw. findeling oder regyonal) die sich auf die online-Stationär Verknüpfung spezialisiert haben und online suchende Kunden zu einem stationären Geschäft in Ihrer Nähe vermitteln.
Jürgen Groth, Geschäftsführender Direktor Conrad Electronic Stores
Artikel aus der Filiale nach Hause bestellen oder online in die Filiale bzw. zur kontaktlosen Abholstation – reibungsloser Omnichannel Access auf allen Kanälen ist unerlässlich, um Kund*innen einfache und schnelle Beschaffung zu ermöglichen. Auch Beratungsangebote müssen eingebunden werden, angefangen bei der Online-Terminvereinbarung bis hin zur Videoberatung. Fachberatung generell muss digitaler gedacht werden: Über Chats und Hangouts kann das Know-how von Kolleg*innen aus anderen Filialen einbezogen und so ein umfassendes Expertennetzwerk genutzt werden. Auch die Einbindung von Testberichten und Produktrezensionen im Rahmen der digitalen Preisauszeichnung zahlt auf dieses Konto ein. Online hilft außerdem unsere Community Conrad@YourSide weiter: Neben Antworten auf Technik- und Servicefragen werden dort auch technische Projekte vorgestellt. Im Bereich Robotik ist ebenfalls digitaler Pioniergeist gefragt: Bereits seit 10 Jahren ist in einigen Conrad Filialen ein Serviceroboter unterwegs und seit Oktober 2019 verstärkt Verkaufsroboter „Alex“ unser Filialteam in Berlin Schöneberg.
Sergio Bucher, Konzern-Vorstand Brands and Retail, Otto Group
Die für unsere Kund*innen wichtigste Technologie haben sie selbst immer an Bord: ihr Smartphone. Es geht also nicht darum, irgendwelche Leihtablets zur Verfügung zu stellen, sondern die eigene Technologie im Store wirklich im Sinne der Besucher*innen auszurichten. Wie das funktionieren kann, zeigt der Bonprix Fashion Connect Store in Hamburg. Im Backend ist es vor allem wichtig, die eigenen Prozesse, zum Beispiel das Bestandsmanagement, zu digitalisieren.
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