Egal ob Multi-, Cross- oder Omnichannel – die Kundenzentrierung ist das A und O des Handels.

von Florian Treiß am 11.Juli 2017 in News, Trends & Analysen

e-matters-Logoe-matters, Softwarehersteller und Dienstleister für Omnichannel-Projekte, präsentiert den Omnichannel-Themenschwerpunkt von Location Insider.

Aufbauend auf einem Framework bietet e-matters mit den fertigen Modulen Shop Software, eCMS, CRM, Warenwirtschaft, Data Warehouse und Kassenlösung je nach Bedarf eine komplette Omnichannel-Lösung oder einzelne Bausteine, die an bestehende Systeme angedockt werden können.


Über alle Kanäle hinweg: Das Einkaufsverhalten der Deutschen ist genau wie der Handel selbst in beständigem Wandel. Kaufte man vor 30 Jahren noch fast ausschließlich im stationären Geschäft oder per Katalog, kam vor rund 20 Jahren Online-Shopping hinzu und noch einmal 10 Jahre später der Kauf per Smartphone. Immer neue Kanäle poppen seitdem auf und der Wandel beschleunigt sich immer mehr: Seien es Tablets, Smartwatches, Augmented Reality oder das Smart Home mit einem sprachgestützten Assistenten wie dem Amazon Echo – ständig kommt ein neuer Shopping-Kanal hinzu. Das einzige Beständige im Handel ist also der Wandel. Und die Herausforderung besteht für jeden Händler darin, seine Kunden über immer neue Kanäle zu erreichen. Für dieses Phänomen verwendet die Branche Stichwörter wie Multichannel, Crosschannel oder Omnichannel – und während viele Experten sie zum „Retter des Handels“ erklären, gibt es auch einige Skeptiker, die diese Strategien zum Scheitern verurteilen.

Multichannel-Infos im Eingang einer Leipziger Filiale von Görtz

Wie diese Buzzwords genau definiert werden, ist womöglich gar nicht so wichtig: „Multichannel, Crosschannel, Omnichannel – das ist für den Kunden nix. Der Kunde kauft einfach bei IKEA“, sagte Klaus Cholewa, bei IKEA verantwortlich für die Customer Experience, im April auf dem ECC-Forum in Köln. Wie schon sein Jobtitel andeutet, geht es vielen Händlern immer mehr darum, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und herauszufinden, was seine Bedürfnisse sind.

„Die Kundenzentrierung ist und war das A und O im Handel“, sagt IFH-Forscherin Dr. Eva Stüber in einem Interview mit Location Insider. Doch durch die vielfältigen, auch technologischen, Möglichkeiten habe das Thema in der heutigen Zeit eine ganz neue Relevanz bekommen. Man könne eindeutig sagen, „dass Händler ein bisschen den Fokus dafür verloren haben, was wichtig ist. Es wird sehr viel optimiert, sehr viel in Technik investiert und Neues ausprobiert, doch dabei werden die Kunden vergessen, um die es eigentlich geht und die im Fokus stehen sollten“, sagt Stüber weiter. Händler müssten auf die Kundenbedürfnisse eingehen und dafür zunächst herausfinden, was Kunden möchten und auch verstehen. „Darauf basierend können dann Entscheidungen darüber getroffen werden, was, wo und wie investiert wird und welche Prozesse wie umgesetzt werden“, so Dr. Eva Stüber.

Mehr selektive Käufe als Cross-Channel

IFH-Forscherin Dr. Eva Stüber

Dass immer mehr Kunden über mehrere Kanäle kaufen, steht fest. Interessant jedoch: bislang werden dabei in nur recht wenigen Fällen tatsächlich Services genutzt, die mehrere Kanäle direkt miteinander verknüpfen, z. B. die Abholung einer Onlinebestellung in einer Filiale (im Fachsprech Click & Collect genannt) oder umgekehrt die Bestellung und Lieferung eines in der Filiale nicht vorhandenen Produkts zum Kunden direkt nach Hause (Order from Store). Nur rund 6 Prozent aller im deutschen Handel getätigten Käufe sind solche Cross-Channel-Käufe, besagt die ECC-Studie „Cross-Channel – quo vadis?“ aus dem April 2017. Studienleiterin Dr. Eva Stüber sagt: „Die meisten Konsumenten verhalten sich nur selektiv und nicht Cross-Channel. Das heißt, sie kaufen heute stationär und morgen online, was mit Cross-Channel nicht viel zu tun hat, denn dafür brauche ich keine verbindenden Services.“ Allerdings spiele auch hier der gleiche Auftritt in allen Kanälen eine große Rolle, so Stüber. Heißt: Der Kunde kauft gerne bei IKEA oder Karstadt mal im Laden ein und mal online – doch eher selten verbindet er beide Kanäle direkt mit vermeintlich spektakulären Services wie Click & Collect.

Und an dieser Stelle hat sich die Diskussion in den letzten Monaten in eine merkwürdige Richtung entwickelt: Omnichannel-Ansätze wer-den als zu teuer verschrien, Händler werden zum „Multichannel-Therapeuten“ geschickt und Pure Player dafür gelobt, dass sie sich auf Online fokussieren, statt in die „Multi-Channel-Falle“ zu tappen. Dabei zeigt die selbe ECC-Studie zugleich, dass die Zahlen deutlich höher ausfallen, wenn man berücksichtigt, dass eine sehr große Zahl von 45,3 Prozent der Einkäufe Multi-Channel erfolgten, d.h. die Käufer informieren sich entweder online und kaufen dann stationär oder umgekehrt. Und hierbei tut sich eine interessante Lücke auf: Wiederum nur 11,9 Prozent der Multi-Channel-Käufe erfolgen beim selben Anbieter, z.B. indem sich jemand erst auf der Website von Karstadt informiert und dann auch dort einkauft. Umgekehrt informieren sich offenbar viel mehr Menschen erst bei einem Anbieter im Internet, kaufen dann aber bei der Konkurrenz in der Innenstadt ein und umgekehrt. Das kann eigentlich nur heißen, dass es die meisten Händler bislang eben doch nicht geschafft haben, ihre Kunden auf sämtlichen Kanälen an sich zu binden. „Nur 4,4 Prozent der Konsumenten haben stationär und online die gleichen Händler im Relevant Set“, attestiert auch IFH-Forscherin Stüber. „Zudem wissen 20 bis 25 Prozent der Kunden gar nicht, ob der Shop, bei dem sie eingekauft haben, auch ein Pendant im anderen Kanal hat“, so Stüber weiter.

Viele der großen Filialisten haben also offenkundig ziemliche Kommunikationsprobleme gegenüber ihren Kunden und verschenken wertvolle Potenziale: Wenn der Kunde in der H&M-Filiale gar nicht mitbekommt, dass er bei H&M auch online einkaufen kann, wird er beim nächsten Onlineshopping wieder zu Amazon oder Zalando gehen und nicht auf die Website von H&M. Hier müssen stationäre Händler also ihre Hausaufgaben machen, um mehr vom Onlinekuchen abzubekommen. Dabei sind schon viele Händler auf gutem Weg: bei einem Shoppingbummel begegnen dem Kunden in der Innenstadt immer mehr Hinweise in den Schaufenstern und Ladenregalen mit Sprüchen wie „24 Stunden geöffnet: kaufen Sie bei uns online ein“ oder ähnlich.

Selbst Top-Händler oft völlig blank bei Multi-Channel-Services

Prof. Gerrit Heinemann

Dennoch: viele Handelsketten behandeln das Thema bis heute nur halbherzig. So sagt Handelsforscher Prof. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein: „60 Prozent der Top 100 Händler in Deutschland sind völlig blank bei den üblichen Multi-Channel-Services wie Verfügbarkeitsabfrage, Reservierung und Click & Collect und führen zudem eher Rumpfsortimente im Online-Shop“, so Heinemann. Mehr als ein Viertel dieser Top 100 habe auch heute noch keinen Onlineshop. Und die, die bereits einen Onlineshop hätten, würden oft nur ein reduziertes Sortiment anbieten. Auch böten viele der Händler mit Onlineshop noch immer kein echtes Click & Collect mit Echtzeit-Zugriff auf den Warenbestand der Filialen, sondern ein umständliches Ship to Store aus dem Zentrallager mit mehreren Tagen Wartezeit.

„Omnichannel ist Fluch und Segen zugleich. Omnichannel erfordert, dass man das Thema versteht. Und die wenigsten Händler haben das Thema bislang überhaupt verstanden. Oft wird vorschnell der Schluss gezogen: das bringt nichts. Es bringt aber nur dann was, wenn es richtig gemacht wird. Und das fängt bei den Basics an. Wer falsche Informationen oder falsche Warenverfügbarkeiten anzeigt, wer den Kunden nicht ernst nimmt und denkt, dass Thema Omnichannel im Vorbeigehen abzuhaken, der wird scheitern“, sagt Heinemann.

Omnichannel als Lebenswirklichkeit der Kunden

Martin Wild

Martin Wild

Manche Unternehmen haben das längst verstanden und richten ihre Strategie voll auf alle Kanäle aus: „Omnichannel entspricht schlicht der Lebenswirklichkeit unserer Kunden. Kunden flirten on- und offline, sie kommunizieren on- und offline und sie kaufen auch so ein. Wir nutzen das konsequent, indem wir versuchen das Beste aus On- und Offlinewelt miteinander zu verbinden“, sagt Martin Wild, Chief Digital Officer bei der MediaMarktSaturn Retail Group, gegenüber Location Insider. Und Andreas Conrad, Director Omnichannel bei REWE Digital, glaubt daran, „dass es langfristig die Unterscheidung zwischen einem Online- und Offlinehändler nicht mehr geben wird.“ Das Entscheidende bei Omnichannel sei, „dass wir viel stärker vom Kunden her denken: Was garantiert ihm das bestmögliche Einkaufserlebnis? Unsere Hauptaufgabe ist es also, dem Kunden einen Wechsel zwischen den einzelnen Vertriebswegen auf seiner Reise durch die Einkaufswelt zu ermöglichen. Und das so lückenlos wie möglich“, so Conrad (siehe auch unsere Umfrage auf S. 14-17). Dass sich die großen Filalisten geradezu zwangsläufig mit Omnichannel beschäftigen müssen, um in der Onlinewelt nicht gegen Amazon, Zalando und Co zu verlieren, ist natürlich klar. Aber das gilt gerade auch für kleinere Händler, die in kleineren Städten schon seit Jahren unter Frequenzverlusten leiden. Doch obwohl der Onlinehandel eigentlich eine tolle Chance wäre, neue Märkte zu erschließen, sind viele Unternehmen mit dem Onlinehandel leider immer noch völlig überfordert. 66 Prozent der Händler verkaufen überhaupt nicht online, 10 Prozent haben nicht mal eine eigene Website, so eine Eurostat-Erhebung.

Weltweiter Handel bringt mehr als Click & Collect

Dabei ist ein Einstieg in den Onlinehandel nicht immer so schwierig wie befürchtet, zeigen Beispiele wie „Mönchengladbach bei eBay“. Das Projekt lief von Herbst 2015 bis Sommer 2016 und wandte sich vor allem an stationäre Händler, die zuvor noch nicht im Onlinehandel aktiv waren. Der Großteil der teilnehmenden Händler war so angetan, dass sie ihre Shops bei eBay auch nach der Pilotphase weiter betrieben. Insgesamt konnten die 79 Einzelhändler bis März 2017 mehr als 160.000 Artikel im Gesamtwert von über 6,7 Millionen Euro verkaufen und lieferten in 84 Länder. Bei dem Projekt zeigte sich auch, dass kanalübergreifende Funktionen wie Click & Collect womöglich etwas überbewertet werden: Die teilnehmenden Händler erwirtschafteten den Großteil des bei eBay erwirtschafteten Umsatzes nicht etwa bei lokalen Kunden, die die Waren nach der Online-Reservierung im Laden abholten. Vielmehr profitieren die Händler vom Deutschland- und weltweiten Onlinehandel über eBay, der für einen Großteil des erzeugten Umsatzes verantwortlich war.

Das Kunsthaus Krichel hat mit „eBay in Mönchengladbach“ gute Erfahrungen gemacht

Rolf Krichel vom Kunsthaus Krichel in Mönchengladbach sagt: „Wir haben das Projekt von Anfang an verfolgt und waren sehr erfreut, dass wir durch eBay die Möglichkeit bekamen, mit dem Onlineverkauf starten zu können. Rückblickend kann ich nur bestätigen, dass es für mich der richtige Schritt war. E-Commerce sehe ich jetzt nicht mehr als Bedrohung, sondern als heutzutage absolut notwendig an, um mehr Kunden zu erreichen.“ Den Erfolg des Projekts hat eBay mittlerweile in der 16.000-Einwohner-Stadt Diepholz wiederholt: Insgesamt verkauften 30 Diepholzer Händler in den fünf Monaten des Projekts Artikel in einem Gesamtwert von 175.000 Euro und lieferten dabei in 16 unterschiedliche Länder, unter anderem China und die USA. Als Erfolgsfaktor stellte sich dabei vor allem ein umfangreiches Online-Sortiment heraus: Aktive Händler mit mehr als 100 eingestellten Artikeln bei eBay können im Durchschnitt einen zusätzlichen Jahresumsatz von 30.000 Euro erzielen, hat eBay berechnet.

Zugleich zeigen die lokalen eBay-Projekte, dass Händler bei einem Einstieg ins Onlinegeschäft gerade dann erfolgreich sein können, wenn sie auf einen bereits etablierten Marktplatz wie eBay oder Amazon Marketplace setzen. Denn umgekehrt haben lokale Initiativen, die einen eigenen Online-Marktplatz für eine bestimmte Stadt etablieren wollen, oft viel weniger Erfolg, gerade weil sie zu sehr aufs Lokale setzen und stattdessen das Potenzial des weltweiten Verkaufs vernachlässigen.

Zalando umarmt stationäre Händler

Unerwartete Unterstützung für den lokalen Handel kommt derweil auch von Zalando, dem Angstgegner des traditionellen Schuh- und Modehandels. Deutschlandchef Moritz Hau sagte bei einem Vortrag auf dem ECC-Forum im April 2017 in Köln: „Wir haben nicht die Mission, den stationären Handel zu zerstören, sondern wollen dem Kunden den größten Mehrwert bieten.“ Zalando wolle zur Plattform werden, die sich mit dem stationären Handel verbündet: Denn sowohl online als auch offline hätten beiderseits Vor- und Nachteile, daher wolle Zalando das Beste aus beiden Welten bündeln. Wenn ein Kunde beispielsweise unbedingt einen bestimmten Sportschuh noch am selben Tag haben wolle, könne er einfach auf gut Glück in die Stadt gehen und versuchen, ihn in einem Geschäft zu finden, was aber schneller zu Frustration führen könne. „Wenn ich bei Zalando aber sehen kann, dass der Schuh in einem Laden in 300 Meter Entfernung tatsächlich in meiner Größe verfügbar ist, gehe ich gern hin. Oder aber ich sehe bei Zalando, dass er in Düsseldorf verfügbar ist, und lasse ihn mir von dort nach Köln same-day-delivern“, so der Zalando-Manager. Heißt: Onlinehandel und Omnichannel muss nicht jeder Händler auf sich allein gestellt hinbekommen – sondern auch prominente Partner wie Amazon, eBay oder Zalando können eine gute Wahl sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Whitepaper „Omnichannel – Wie der Handel seine Kunden über alle Kanäle erreicht“. Das Whitepaper können Sie hier kostenlos anfordern.


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