Einfach ungerecht: Die neue Bonpflicht gilt nicht für offene Kassen.

von Florian Treiß am 19.Dezember 2019 in Highlight, Kommentar, News

Kassenbons landen oft im Papierkorb (Bild: A & G GmbH)

Kaum ein Thema polarisiert den Handel dieser Tage mehr als das neue Kassengesetz inklusive Belegausgabepflicht, das zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Doch während Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kurz vor knapp plötzlich die Nebelkerze Umweltschutz zündete und sich nun Dienstleister über kostenlose Promo für die Alternative eBon freuen, ist in der öffentlichen Diskussion bislang eines außer acht geblieben: Das neue Gesetz ist schlicht ungerecht. Denn: Die neue Beleg-Ausgabepflicht gilt nicht für offene Kassen. Eine entsprechende Anfrage von Location Insider hat das Bundesfinanzministerium heute ausdrücklich bestätigt. Heißt: Die neuen Vorschriften gelten grundsätzlich nur für Händler, die elektronische Registrierkassen, iPad-Kassensysteme etc. nutzen – aber nicht für Händler, die weiter mit offenen Ladenkassen ohne technische Registrierung der Umsätze arbeiten.

Wer einmal sehen will, wieviel Schindlunder mit solchen offenen Kassen getrieben werden kann, dem empfehle ich einen Besuch auf einem Weihnachtsmarkt seines Vertrauens: Zumindest hier in Leipzig gibt es nur an wenigen Ständen überhaupt Registrierkassen, die meisten Stände arbeiten hingegen mit offenen Geldkassetten. Einmal die mittlere Portion Schmalzgebäck bitte – und 3,50 Euro landen ohne jegliche Registrierung in einer offenen Lade auf dem Tresen. Kartenzahlung, bei der der Umsatz registriert würde? Natürlich Fehlanzeige. Beim Glühweinstand genau das selbe, und die Verkäufer führen nicht einmal eine handschriftliche Strichliste oder ähnliches, um die Umsätze zu erfassen. Das es anders geht, zeigt z.B. dieser Tweet von einem norwegischen Weihnachtsmarkt:

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Konsequent wäre gewesen, hätte der Gesetzgeber elektronische Registrierkassen verpflichtend für alle Händler und Gastronomen gemacht. Diese Pflicht war in ersten Referentenentwürfen des Gesetzes vorgesehen, wurde aber auf Druck der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion schließlich gestrichen. Bei Verabschiedung des „Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“, wie es in voller Länge heißt, in Bundestag und Bundesrat Ende 2016 tauchte die Registrierkassenpflicht nicht mehr auf. Dabei hat das Gesetz das Ziel, samt seiner Bonpflicht „Transparenz zu schaffen und damit im Kampf gegen Steuerhinterziehung zu helfen“, wie das Bundesfinanzministerium es gegenüber Location Insider formuliert. Stattdessen koketiert Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nun: „Wenn ich ein Brötchen kaufe, dann schau ich nicht auf dem Bon nach, ob es einen Betrug gibt.“ Dabei sollte der Minister mit gutem Beispiel vorangehen – zumal viele Bäckereien bis heute nicht über Registrierkassen verfügen.

Unterm Strich heißt das: Händler, die schon länger auf den transparenteren Weg der elektronischen Ladenkasse setzen, sind die Dummen, weil sie ihre Systeme nun mit einer technischen Sicherheitseinrichtung, kurz TSE, aufrüsten müssen und künftig jedem Kunden immer einen Bon geben müssen, auch wenn er darauf verzichten würde – sei es auf Papier oder elektronisch. Umgekehrt darf aber jeder Unternehmer alternativ auch „eine offene Ladenkasse (anstelle des Einsatzes eines elektronischen Aufzeichnungssystems) verwenden. Dabei sind jedoch die gesetzlichen Vorschriften, wie z. B. § 146 Abgabenordnung (einzelne, vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Aufzeichnungen) oder etwaige handelsrechtliche Vorschriften, sowie die konkretisierenden Verwaltungsvorschriften und dazu ergangene Rechtsprechung zu beachten“, so das Bundesfinanzministerium. „Unabhängig davon, ob eine offene Ladenkasse oder ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird, kann die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben mittels der Kassen-Nachschau verifiziert werden“, so die Pressesprecherin des Ministeriums weiter. Eine Bonpflicht gilt aber eben bei diesen offenen Ladenkassen eben nicht – und die Aufzeichnungspflichten bei offenen Kassen sind zunächst erstmal auch nur ein Papiertiger.

Viel Spaß also beim Kontrollieren all der Händler mit ihren offenen Kassen, liebe Finanzämter. Immerhin: Das neue Gesetz soll nach Inkrafttreten evaluiert werden, was aber sicherlich erst ein bis zwei Jahre später passieren dürfte. Bis dahin wird der Griff in die offene Kasse zwecks Steuerhinterziehung wohl weiter kein größeres Problem für unehrliche Händler sein.


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