Was Händler mit Fußballclubs verbindet: Interview zur Fankultur mit Ivar Lassen.

von Florian Treiß am 30.September 2021 in Interviews, News

„Am Ende ist ein treuer Fan auch ein treuer Kunde. Das sehen wir beim Handel genauso“, sagt Ivar Lassen zur Frage, was Marken wie Dr. Babor und Breuninger mit Fußballclubs wie dem FC St. Pauli verbindet. Lassen ist Head of Project Management Digital Signage & IT bei Perfect Media Solutions (PMS) aus Hamburg, einem Full-Service Partner für die Umsetzung der Digitalen Transformation mit visuellen Medien. Im Vorfeld des Trendforum Retail (kommenden Mittwoch und Donnerstag in Frankfurt/Main) haben wir mit Ivar Lassen über sein Vortragsthema „Retail zwischen Kunst und Fankultur“ gesprochen.

Location Insider: Herr Lassen, eines Ihrer Vorzeigeprojekte ist Digital Signage beim FC St. Pauli. Wieso ist ein Digitalkonzept eines Fußballclubs auch spannend für Händler?

Ivar Lassen: Das Ziel so einer Digitalisierung im Stadion ist, dass die Identifikation mit der Marke und dem Verein noch weitergeführt wird. Der Fan soll jedes Mal etwas Neues erleben, wenn er an die gleiche Stelle kommt.

Vor allem das Storytelling wird also massiv erweitert und verlängert durch die digitalen Tools. Es wird vor dem Spiel getriggert, über die digitalen Medien im Stadion dann weiteraufgenommen, und nach dem Spiel auch noch fortgeführt. Diese Bindung, die man da aufbauen kann, schlägt sich dann einfach in der Treue nieder.

Am Ende ist ein treuer Fan auch ein treuer Kunde. Das sehen wir beim Handel genauso.

Location Insider: Kunden zu Fans machen kann mit digitalen Elementen passieren, aber da spielt sicher nicht nur das Digitale eine Rolle?

Ivar Lassen: Nein, nicht nur. Für mich als Kunde, wenn ich zum Händler gehe, will ich mich aufgehoben fühlen und gut beraten werden. Die digitalen Tools sind nur die Möglichkeit, das noch zu erweitern und zu unterstützen. Der Laden, der nur aus Displays besteht, den wird es auch in Zukunft nicht geben, und das ist auch nicht unser Ansatz. Wichtiger ist eine Positionierung, die insgesamt dort hineinpasst. Letztlich muss es zum Händler oder eben zum Produkt passen, das ich dort verkaufen möchte.

Location Insider: Können Sie Beispiele nennen von Retail-Projekten, wo PMS aktiv ist und was Sie da machen?

Ivar Lassen: Ein schönes Beispiel aus den letzten Jahren ist Dr. Babor, die haben für ihre Expansion die Flagshipstores komplett neu durchdacht und designt. Dazu sind wir gemeinsam alle möglichen Touchpoints des Kunden durchgegangen und haben geprüft, was macht Sinn? Das sind hochwertige Produkte, die hochwertig beworben und auch schön ausgestellt werden. Und wir haben geschaut, an welcher Stelle wollen wir welche Emotionen erzeugen, oder wie sollen die Leute dort geleitet werden in diesem Erlebnis.

Zusätzlich sind die Themen Sound und Duft umgesetzt worden, so dass ein perfektes multisensorisches Erlebnis geschaffen wird, was dadurch die Produkte aufwertet – ohne dominant zu sein.

Der Fokus für die digitalen Tools liegt hier vor allem auf dem Schaufenster und großformatigen Screens im Verkaufsraum. Mit dem Auftritt im Schaufenster werden Kunden aufmerksam gemacht und begrüßt, im Geschäft dann die Produktlinien beworben und die Emotionen verstärkt.

Digital Signage ist ein zentrales Element in den Flagshipstores von Dr. Babor (Bild: PR)

Ein anderes Beispiel ist Breuninger, die ihre komplette Kampagne über alle Medien ausspielen. Das heißt, egal ob im Print oder Newsletter, auf Instagram oder Litfasssäule – alle Touchpoints werden optisch genauso auch im Instore-Signage-Bereich umgesetzt, so dass ich als Kunde Farbmuster und Produkte wiedererkenne. Das ist Multichannel-Marketing in sehr gelungener und intelligenter Form.

Gezeigt werden die Inhalte bei Breuninger dann vor allem auf großformatigen Displays und LED-Wänden.

Location Insider: Welche Technologietrends am Point of Sale finden Sie am relevantesten, um das Einkaufs- oder Shoppingerlebnis auch technologisch zu unterstützen und attraktiv für die Kunden zu machen?

Ivar Lassen: Tatsächlich ist es vor allem Technik, die wirklich funktioniert! Das, was in den letzten Jahren immer wieder abgeschreckt hat, ist Technik, die nicht funktioniert. Sei es nun bei einer „passiven Ausspielung“, dass da ein Display vor sich hindudelt, aber nicht mit einer klaren Ausrichtung steht, oder irgendwelche Touch-Applikationen, die nicht sauber programmiert sind. Oder sogar der Verkäufer auf der Fläche, der damit gar nicht umgehen kann, die Technik somit gar nicht in sein Verkaufsgespräch einbinden kann. Der entscheidende Technik-Trend ist, dass die Technik funktioniert  – und den Berater und den Kunden unterstützt.

Ansonsten ist ein klarer Trend, dass deutlich mehr LED-Lösungen im Handel zu sehen sein werden in den nächsten Jahren. Technologisch wird das einfach bezahlbarer und damit attraktiver und man ist nicht mehr auf das typische 16:9-Format eingeengt. Das erlaubt noch mehr Kreativität.

Location Insider: Wie wird denn ein Shopping-Erlebnis mit Digital Signage aus Ihrer Sicht emotional?

Ivar Lassen: Wir reden nicht über Einkaufen im Sinne von Milch, Butter und Brot holen, sondern um Shopping von speziellen Produkten. Ich gehe in einen Laden, um mich beraten zu lassen, oder mir etwas zeigen zu lassen, vielleicht auch schon mit einem festen Vorsatz, dass ich ein bestimmtes Produkt möchte.

Bei Digital-Signage-Lösungen und der darauf angepassten Beratung hängen gewisse Gedanken daran, wie sich die Kunden mit dem Produkt sehen, oder welchem Role Model sie nacheifern. Das ist hochemotional, und das kann ich natürlich pushen: bei einer schönen Kosmetik, wie wohl sich die Kundin damit fühlt, bei einer hochwertigen Hose, wie bequem die ist, oder bei einem Fahrrad, wo der Kunde auf dem Display sieht, wie man mit dem Mountainbike durch den Wald preschen kann. Das verstärkt die Vorfreude und auch den Wunsch danach, ein Produkt zu erstehen und überzeugt vielleicht noch für ein Upgrade. Im Grunde dient Digital Signage also dazu, das Wunsch-Produkt bereits in Action zu sehen bzw. zu erleben.

Location Insider: Wie wird der Babor- oder Breuninger-Kunde zu einem Fan und kommt immer wieder, genau wie der Dauerkarten-Inhaber von St. Pauli?

Ivar Lassen: Der Kunde muss sich in der DNA und dem Wertesystem der Marke oder des Händlers wiederfinden. Das können exklusive Artikel sein, das heißt, dass ich dieses Produkt nur bei diesem Händler bekomme, oder nur über diesen Kanal. Oder dass irgendwelche Role Models dort einkaufen. Es muss emotionalisiert werden, weil nur das dann eine Art Fankultur schafft. Es muss eine klare Identifikation sein plus ein Erlebnis. Und genau wie beim Fußball muss ja nicht jeder gleich „Ultra“ werden – von einem „normalen Fan“, der vielleicht nur zu ein paar Spielen pro Saison kommt bzw. nur ein paar Mal im Jahr in den Store des Händlers kommt, hat dieser auch sehr viel!

Location Insider: Vielen Dank für das Interview!

Veranstaltungstipp

Das Credo des Trendforum Retail (6. und 7. Oktober 2021 in Frankfurt/Main) lautet: „Gib dem Kunden einen Grund zu kommen, gib ihm einen Grund zu bleiben und einen Grund, darüber zu sprechen!“, wie Veranstalter Daniel Schnödt sagt. Digitalisierung endet also nicht am faszinierenden POS, sondern verbreitet sich bis in die Küche oder den Urlaubsort.

Die zweitägige Veranstaltung startet wie immer mit einer Storetour durch die Retailszene Frankfurts. Beim gemeinsamen Vorabendevent nehmen die Teilnehmer*innen sich die Zeit zum gemeinsamen Networking. Der zweite Tag wird gespickt sein mit Top-Referenten und Best Practises aus dem Einzelhandel. Der Fokus der diesjährigen Veranstaltung liegt neben den digitalen Aspekten auch auf den neuen Säulen des Retails mit autonomen Formaten, Experience Economy und auch revolutionäre Erlebniswelten.

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