Interview: Stephan Theiß von Gelbe Seiten über Location-based Marketing.
von Christian Bach am 11.Dezember 2013 in Interviews„Die guten Angebote müssen den Nutzer finden“, fordert Stephan Theiß. Der Geschäftsführer von Gelbe Seiten Marketing will zukünftig mehr proaktive Empfehlungen in der eigenen App bieten. Diese personalisierten Nachrichten basieren auf den umfassenden Datensatz über nahezu alle Gewerbetreibenden in Deutschland. Die Mehrheit der Bürger kennt Gelbe Seiten, sie soll aber dauerhaft an die Angebote gebunden werden – egal per Buch, Webseite oder Anwendung.
Location Insider: Wie viele Menschen erreichen Sie über Gelbe Seiten? Und wie viele davon online bzw. offline?
Stephan Theiß: Wir erreichen mit unseren Produkten nahezu alle Menschen. Dabei unterscheiden wir unsere reinen Offline- und Online-Produkte. Bei diesen haben wir eine Webseite, die für die verschiedenen Systeme von Smartphones, Tablets und Desktop-PCs optimiert ist. Mit unseren mobilen Apps bedienen wir die Betriebssysteme von Apple, Android und Microsoft. Wir tun dies, weil sie ein schöner Shortcut sind und wir die nativen Funktionen der Geräte nutzen, wie zum Beispiel um Location-based Services und Push-Nachrichten anzubieten. Wenn man den Agof-Zahlen glaubt, erreichen wir heute über alle Bereiche ca. 6,5 Mio Nutzer im Monat. Das sind rund 5,5 Mio Menschen über PCs und knapp mehr als 1 Mio über mobile Geräte. Besucher unserer Plattformen sind eher Wenignutzer, das heißt sie suchen uns dann auf, wenn sie Informationen suchen. Gelbe Seiten begleitet sie noch nicht den ganzen Tag, da wollen wir aber hinkommen. Wir wollen täglich für sie da sein.
Location Insider: Wie wollen Sie diese tägliche Nutzung erreichen?
Stephan Theiß: Das realisieren wir über Dienste und Inhalte. Wir haben jetzt schon das Potential, den Nutzer über den gesamten Tag zu begleiten. Egal, ob ich ein Restaurant, einen Arzt oder einen Anwalt in meiner Umgebung suche, in Gelbe Seiten sind alle enthalten. Wir haben auch alle Funktionen, um mit diesen in Kontakt zu treten, sei es durch einen Anruf, eine E-Mail, eine Route usw. Das Grundsetup ist vorhanden, damit wir mehr genutzt werden. Wir gehen aktiver auf den Nutzer zu, damit er das auch tut. Daher sind Location-based Services wichtig für uns. Wir wollen damit aus der passiven Rolle heraustreten, um den Nutzer auf interessante Informationen hinzuweisen.
Location Insider: Wie genau setzen Sie Location-based Services in Ihren Apps um?
Stephan Theiß: LBS stellen einen großen Mehrwert für den Smartphonenutzer dar und verbinden die digitale mit der realen Welt. Wir bieten u.a. Routings und Augmented Reality. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter mit Bitplaces. Das Unternehmen arbeitet mit Geofencing, was wir auch in unsere Apps integriert haben. Das ist ein Dienst, den wir bisher noch nicht in der Breite anbieten. Wir testen ihn gerade sehr intensiv. Damit können wir den Nutzer lokalisieren und mit ihm in Kontakt treten. Nutzer begeben sich in ein vorher definiertes Gebiet hinein. Je nach Definition des Events senden wir ihm eine Nachricht, entweder per Push-Message oder als Inbox-Message in der App. Wir testen Geofencing gerade in Gebieten wie dem Flughafen Frankfurt, aber auch mit Geschäften. Diese können ihre aktuellen Angebote senden. Erstmals haben wir das auf der Cebit getestet. Der Dienst wird sehr positiv aufgenommen. Selbst mich hat die hohe Akzeptanz der Nutzer überrascht, die bei 70 bis 80 Prozent liegt. Die Nutzer wissen den Mehrwert zu schätzen, obwohl sie Daten preisgeben.
Location Insider: Wann wird Geofencing offiziell in die App integriert?
Stephan Theiß: Wir sind jetzt noch im Testmodus, weil wir sicherstellen wollen, dass der Mehrwert beim Nutzer ankommt. Wir achten darauf, wie oft wir ihn informieren und zu welchem Thema. Er soll nur Informationen erhalten, die ihn auch interessieren. Ich kann noch nicht genau sagen, wann die Tests abgeschlossen sind, aber ich gehe davon aus, dass wir mindestens noch ein halbes Jahr benötigen werden, bis wir in die Breite gehen. Das wird ein schleichender Prozess sein, indem wir immer mehr Angebote aufnehmen. Der Nutzer muss einfach aus dem Pull-Mechanismus raus kommen und wir müssen uns aktiv anbieten. Zusammengefasst: Die guten Angebote müssen den Nutzer finden.
Location Insider: Sie haben von Augmented Reality gesprochen. Inwiefern ist dies in der App zu finden?
Stephan Theiß: Ich kann in der App zwischen verschiedenen Ansichten wählen, Augmented Reality ist eine davon. Wenn ich beispielsweise ein Restaurant suche, bekomme ich als Standard eine Liste. Ich kann auch in eine Kartenansicht springen. Oder ich gehe in die optische Augmented Reality. Das heißt, dass ich mir Icons einblenden lasse in meinem Umkreis.
Location Insider: Was hat ein lokaler Händler von ihrer App?
Stephan Theiß: Bisher haben wir in Frankfurt und in Hannover wichtige Orte festgelegt, um Nutzer anzusprechen. In Gelbe Seiten sind nahezu alle Gewerbetreibenden Deutschlands enthalten. Es gibt insgesamt 16 Verlage in Deutschland, die für Gelbe Seiten die Kundenbeziehungen pflegen. Diese setzen auch die Kampagnen auf. Der Gewerbetreibende kann Verträge mit einem Verlag abschließen, um zum Beispiel Werbeflächen zu kaufen. Dadurch können u.a. Restaurants sichtbarer werden und ihre Nachrichten in einem bestimmten Umkreis versenden.
Location Insider: Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Gegensatz zur App von Foursquare?
Stephan Theiß: Gerade Foursquare und auch Facebook bringen einen klaren Vorteil mit: Sie haben das soziale Netzwerk und die Art, wie man mit Daten umgeht. Die Nutzer arbeiten aktiv an Informationen mit durch das Liken, Teilen und Hinzufügen. Wir gehen den umgekehrten Weg. Die Nutzer konsumieren eher, als aktiv mitzugestalten. Wir können zwar die Crowd nicht so nutzen, aber wir haben einen lokalen Vorteil. Gelbe Seiten besteht aus vielen regionalen Unternehmen. Die Verlage recherchieren vor Ort aktiv. Wir haben damit ein gepflegtes Produkt, welches aus Deutschland kommt und lokale Kompetenz bietet. Wir stellen uns damit deutlich tiefer und breiter auf durch eine höhere Qualitätsebene.
Location Insider: Wollen Sie ein soziales Netzwerk bei Gelbe Seiten integrieren?
Stephan Theiß: Die Funktionen des Teilen und Liken selbst haben wir bereits. Bei uns können Sie sich Anbieter merken und weiterempfehlen über verschiedenste Kanäle. Das läuft dann genau über Facebook oder Twitter. Wir nutzen aktiv die sozialen Netzwerke und bieten auch Bewertungen an. Wir möchten den Nutzern auch ermöglichen, dass sie Einträge ergänzen können. Diese Vorschläge geben wir an die regionalen Verlage weiter. Diese prüfen die Daten und pflegen sie ein. Wir folgen unserem Qualitätsstandard: Wir veröffentlichen nicht alles, sondern nur geprüfte Qualität. Wir wollen aber keine eigene Community aufbauen, sondern nutzen sie.
Location Insider: Welche Projekte planen Sie in Zukunft?
Stephan Theiß: Das wichtigste Projekt gerade ist die proaktive Empfehlung von unserer Seite. Nutzer sollen bei Bedarf personalisierte Nachrichten erhalten. Daher arbeiten wir an der Usability unseres Produktes. Die Informationen im Hintergrund sind gut, aber wir wollen sie noch aktiver rüberbringen. Unser Ziel ist es, dem Nutzer das Leben so einfach wie möglich zu machen.
Location Insider: Welches Ziel haben Sie in Zukunft für die Downloadzahlen?
Stephan Theiß: Da gehen wir offen ran, da wir aus einer sehr guten Situation heraus agieren. Fast jeder Deutsche kennt Gelbe Seiten. Wenn wir alle Medien betrachten, nutzen über 60 Prozent der Bürger unsere Angebote. Das wollen wir halten. Wir wollen aber mit dem mobilen Markt mitwachsen. Dabei muss die Qualität stimmen. Die Hauptsache ist, dass die Leute wiederkommen. Nur so können wir Nutzer dauerhaft binden. Man kann sicher Downloads und Nutzerzahlen online pushen, aber das ist nicht unser Ziel. Wir wollen ordentlich und sauber wachsen.
Location Insider: Mehr als 60 Prozent der Deutschen nutzen Gelbe Seiten?
Stephan Theiß: Ja, 63 Prozent über alle Plattformen im Jahr. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal eine Studie gemeinsam mit der GfK gestartet, um zu sehen, wie viele Leute Gelbe Seiten nutzen. Über diese Ergebnisse sind wir sehr erfreut. Wir kommen aus dem Bedarf heraus. Die Leute sollen Gelbe Seiten gern benutzen und die Kanäle sind dabei zweitrangig. Wir haben dafür das Buch, die App und die Webseite. Alle Deutschen sollen die Möglichkeit haben Gelbe Seiten in der richtigen Situation nutzen zu können.
Location Insider: Das Buch wird weiter vertrieben? Ich selbst habe es ewig nicht mehr in der Hand gehalten.
Stephan Theiß: Richtig, es wird auch weiter genutzt. Mir geht es aber genauso. Ich bin ein Digital Immigrant, wobei ich früh mit dem Smartphone aufwache und es abends wieder aus der Hand lege. So richtig kann ich mir die Nutzung des Buches auch nicht mehr vorstellen, weil ich täglich Smartphone und Tablet nutze. ich versuche schon seit Jahren das papierlose Büro zu erreichen. Daher ist das Buch nicht das richtige Medium. Aber es gibt noch viele Leute, die es nutzen – allein die 25 Prozent der Deutschen, die noch offline sind. Auch viele von den Onlinern nutzen das Buch noch, weil es ihnen gefällt. Allein bei Print haben wir eine Reichweite von rund 57 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das kann sich natürlich auch mit den Angeboten online überlappen: Im Internet sind es 20 Prozent aller Deutschen, rein im Mobile-Bereich noch 5 Prozent.
Location Insider: Vielen Dank für das Interview.
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