Interview mit Xenia Giese: Wie der deutsche Einzelhandel die Technologie von Microsoft einsetzt.
von Florian Treiß am 22.Juli 2019 in Interviews, News„Der deutsche Handel ist schon seit Jahren Microsoft-Kunde“, sagt Xenia Giese. Als Industry Solution Executive Retail & Consumer Goods ist sie bei Microsoft Deutschland eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen für Einzelhändler. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, in welchen Einsatzfeldern heute Microsoft-Lösungen im Handel zum Einsatz kommen. Zudem wirft sie einen Ausblick auf die „Smart Stores“ der Zukunft und erklärt, in wie weit Retail-Kunden des Unternehmens aus den Erfahrungen aus den Flagship Stores von Microsoft profitieren wie etwa dem, der jüngst in London eröffnet wurde.
Location Insider: Frau Giese, was sind die wichtigsten Lösungen von Microsoft für Händler?
Xenia Giese: Microsoft sieht sich grundsätzlich als Plattformanbieter für Cloud-Lösungen, die idealerweise unseren Kunden helfen, nicht nur ihre bestehenden Geschäftsprozesse zu modernisieren, sondern idealerweise auch mithilfe von digitalen Technologien neue Geschäftsprozesse zu entwickeln. Das ist natürlich gerade im Handel extrem wichtig, um die digitale Transformation zu meistern. Wir haben im Handel viele neue Kanäle:. Die klassische Filiale, die teilweise totgesagt wurde, erlebt jetzt gerade wieder einen Aufschwung. Viele Online-Händler gehen auf die Fläche, weil sie merken, das ist eigentlich der optimale Kanal, um dem Kunden ein Erlebnis zu bieten und überhaupt die Kundenbeziehung aufzubauen.
Von Produktivitätswerkzeugen bis zu Smart Stores
Location Insider: In welchen Einsatzfeldern kommen Microsoft-Lösungen im Einzelhandel zum Einsatz?
Xenia Giese: Für Händler bieten wir dabei Lösungen in vier Handlungsfeldern:
- Wir geben Mitarbeitern in den Filialen und Warenlagern digitale Werkzeuge an die Hand aus unserem Microsoft 365-Portfolio, um beispielsweise untereinander effizienter kommunizieren zu können. Da geht es beispielsweise darum, Zettel oder Post-its abzulösen und die Filialplanung oder Schichtplanung digital zu machen. Sodass alle Mitarbeiter gleichzeitig den gleichen Blick darauf haben und beispielsweise untereinander Schichten tauschen können, sich mit ihren Abteilungsleitern direkt abstimmen können und so weiter. Und, und das finde ich persönlich wichtig, es bietet den Mitarbeitern auch einen Rückkanal in die Zentrale . Microsoft Teams bietet eine Chat-Funktion, mit der ich dann auch aus der Filiale mit Mitarbeitern in der Zentrale in Kontakt treten und direkt eine Rückfrage stellen kann.
- Zweitens geht es um den Endkunden. Da geht es aktuell vielfach darum, die Kunden besser kennenzulernen und auch besser zu prognostizieren, was der Kundenbedarf morgen und übermorgen sein wird. Im Microsoft-Portfolio sind das zum einen analytische Ansätze, um z.B. Abverkaufsdaten auszuwerten und mithilfe von künstlicher Intelligenz Prognosen zu treffen. Und auch um Erkenntnisse zu gewinnen, wie man den Kunden besser beraten kann.
- Drittens geht es um das Thema Supply-Chain, operative Prozesse, die sich auch ein Stück weit in der Filiale wiederfinden. Im Fashion-Segment ist es beispielsweise so, dass wir häufig einbezogen werden, wenn es darum geht, die Lieferkette zu optimieren. Vielleicht auch mithilfe des Internet der Dinge, Sensoriken zu nutzen, um eine Lieferkette effizienter zu gestalten. Im Lebensmittelhandel ist es so, dass Händler auf intelligente Filialen schauen. Inwieweit kann man die Filialprozesse effizienter gestalten? Auch geht es in diesem Handlungsfeld um die Effizienzsteigerung der IT-Systeme und den Wechsel von On-Premise in die Cloud.
- Unser viertes Handlungsfeld ist ein Stück weit die Kür des Ganzen. Da dreht es sich um die Transformation von Geschäftsprozessen mit digitalen Mitteln. Da geht es darum, vornehmlich Filialen intelligent zu gestalten und Smart Stores zu entwickeln.
Location Insider: Wo stehen die deutschen Händler im Schnitt?
Xenia Giese: Man hat häufig den Eindruck, dass die nordamerikanischen Händler weiter sind als vielleicht wir in der DACH-Region oder in Europa. Ich glaube, der Händler in der DACH-Region ist traditionell etwas zurückhaltender, was die Kommunikation angeht und ich glaube auch, dass wir gerade in Deutschland einen relativ starken Wettbewerb haben, weshalb man eher etwas zurückhaltender ist. In den letzten zwei bis drei Jahren haben die Händler in Deutschland aber verstanden, dass sie aktiv werden müssen. Ich habe den Eindruck, dass viele unserer deutschen Händler mittlerweile ein Stück weit ihre Kultur ändern, weg vom reinen: wir setzen Lösungen ein, die fertig und die zu 100 Prozent getestet sind, hin zu einem Pilotierungsgedanken und agilen Ansätzen, weil man nicht alles vorausdenken kann, da der Markt doch sehr dynamisch ist.
Location Insider: Welche deutschen Händler setzen Microsoft-Lösungen ein?
Xenia Giese: Der deutsche Handel ist schon seit Jahren Microsoft-Kunde, was die Produktivitätswerkzeuge angeht und auch vielfach das Betriebssystem. Karstadt setzt auf unsere Telefonie, also Skype beispielsweise. Adidas nutzt unter anderem Power-BI, unser Analytics-Front-End, zur Darstellung von Filial-KPIs. Ein sehr ganzheitlich gedachtes Konzept ist das von dm – Drogerie-Markt, das vor eineinhalb Jahren 25.000 Smartphones für die Filialmitarbeiter in den Einsatz gebracht hat. Auf diesen Smartphones laufen unter anderem die Teams und Yammer, über die Mitarbeiter untereinander kommunizieren. Da werden Gruppen erstellt, um eine bestimmte Promotionsaktion zu teilen, auch mit Fotos, die man dann kommentieren kann. Und da werden viele Videos zur Verfügung gestellt, die die Mitarbeiter anschauen können, um sich weiterzubilden.
IoT und KI als Basis für intelligente Filialen
Location Insider: Vor ein paar Monaten erschien die Studie „Smart Stores, AI & IoT“ von EHI und Microsoft, in dem es unter anderem auch darum ging, dass künstliche Intelligenz (KI) und das Internet der Dinge (IoT) die Zukunft des Handels bestimmen werden. Wieso sind das so wichtige Megatrends?
Xenia Giese: IoT und KI bilden im Grunde die Basis für intelligente Filialen oder Smart Stores. Der erste Smart Store, der auf der öffentlichen Landkarte erschienen ist, war der Amazon-Go-Store Ende 2016. Diese autonomen Stores basieren darauf, dass man eine Filiale möglichst automatisiert betreiben kann, vielleicht sogar ohne Mitarbeiter. Die Technologie, die es ermöglicht, ist das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz. Diese autonomen Filialen müssen in der Lage sein zu messen, welchen Bestand sie haben. Wo stehen wie viele Artikel in welchem Regal? Und sie müssen in der Lage sein, zu messen, welcher Kunde jetzt gerade in der Filiale ist und welchen Artikel er aus dem Regal nimmt. Stellt er ihn zurück oder nimmt er ihn tatsächlich mit und verlässt den Laden? Das heißt, er muss dafür bezahlen. Das ist die Herausforderung. Man begegnet dieser Herausforderung mithilfe von Sensorik. Das kann eine Kamera sein oder sowas wie Gewichtsmatten in einem Regal oder auch RFID und NFC, die in der Lage sind, Artikelbewegungen aufzuzeichnen und zu korrelieren mit Bewegungen von Kunden. Diese Sensoren werden mithilfe der IoT-Infrastruktur untereinander verknüpft, sodass Daten gesammelt und ausgewertet werden können. Was Künstliche Intelligenz auszeichnet, ist, dass sie aus Massen an Daten Muster erkennen kann und diese Muster in die Zukunft prognostizieren kann. Das ist relevant im Umfeld eines autonomen Stores.
Location Insider: Nicht jeder Händler will gleich autonome Filialen. Wo können IoT und KI in bestehenden „normalen Läden“ eingesetzt werden?
Xenia Giese: Das kann beispielsweise eine bestehende LEH-Filiale sein, die mit Internet-der-Dinge-Technologie nachgerüstet wird, wie Sensorik für das Überwachen von Tiefkühlgeräten, um festzustellen: wann gibt es Anomalien bei diesen Kühlgeräten, die darauf hindeuten könnten, dass gerade das Kühlgerät die Temperatur verliert, die es eigentlich haben sollte und das Ganze dann zu Schwund führt. Im Beispiel des Kühlgeräte-Monitorings würde dann ein Mitarbeiter eine Benachrichtigung auf sein Smartphone erhalten und darum gebeten werden, dass genau das Kühlgerät XY überprüft wird und gegebenenfalls dafür gesorgt wird, dass alles ordnungsgemäß gekühlt wird, Schwund vermieden werden kann, was dann einen direkten Effekt auf Umsatz und Gewinn beim Händler hat.
Neuer Flagship-Store in London
Location Insider: Microsoft ist auch selbst als Händler aktiv. In wie weit profitieren Retail-Kunden von Microsoft von Erfahrungen aus Microsoft-Stores?
Xenia Giese: Gerade in unseren physischen Filialen setzen wir unsere Technologie ein. Das ist dann beispielsweise das Thema Mitarbeiterkommunikation oder auch die Kommunikation zwischen den Filialen und den Zentralen. Unsere Flagship-Stores, von denen der neueste am 11. Juli in London eröffnet wurde, zeigen gern, wie sie sich mit unseren Technologien aufstellen. Das neueste Thema ist die HoloLens, unsere Mixed-Reality-Brille. In die Brille werden Hologramme in der realen Umgebung dargestellt. Das heißt, ich kann die virtuelle und die reale Welt gleichzeitig wahrnehmen. Und unser Flagship-Store in London wurde mithilfe der HoloLens geplant, weil das Microsoft-Stores-Team in Redmond sitzt und nicht immer hin- und herfliegen konnte. Ein Kollege in London hat mit der HoloLens den bestehenden Store-Grundriss und die Räume vermessen. Und dann konnten die Kollegen in Redmond und der Kollege in UK sich zusammen das Store-Layout als Hologramm gemeinsam ansehen und so möglicherweise notwendige Änderungen abstimmen.
Location Insider: Vielen Dank für das Interview!
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