Ist die lokale Marktplatzlösung von Euronics die Onlineshop-Killerapplikation für Verbundgruppen?
von Matthias Hell am 24.März 2015 in Trends & AnalysenVerbundgruppen gehören in Sachen E-Commerce zu den schwersten Fällen: Ein dezentrales Netz aus Hunderten eigenständiger Ladenbetreiber mit einem zentralen, für die Kunden attraktiven Onlineshop zu vereinen, sei zu komplex, so die gängige Meinung. Die Unterhaltungselektronik-Verbundgruppe Euronics hat sich dieser Komplexität jedoch mit einem geradezu detailbesessenen Ehrgeiz gestellt. Hinter der nun gestarteten Onlineshop-Lösung des Verbunds steht ein lokaler Marktplatz, der die Bedürfnisse von Euronics-Mitgliedern und Kunden gleichermaßen befriedigen soll.
Um sich die Herausforderung für Euronics zu vergegenwärtigen, muss man nur einen Blick auf die E-Commerce-Lösungen der beiden anderen deutschen Unterhaltungselektronik-Verbundgruppen werfen: Expert kündigte im Sommer 2014 einen übergreifenden Webshop an und brachte im Jahresendgeschäft dann doch nur einen Online-Warenkatalog auf den Markt – informierten Kreisen zufolge war der interne Widerstand gegen die Shoplösung zu groß. Electronic Partner wiederum versucht, die angeschlossenen Händler mit Online-Marketingmaßnahmen und einer Warenanfrage im Netz als vermeintliche „Local Heroes“ zu positionieren. Ab Mitte 2015 soll eine ergänzende Onlineshop-Lösung starten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei aber um ein Fulfillment durch die Zentrale mit einer Umsatzbeteiligung der angeschlossenen Händler.
Der seit dem Sommer 2014 bekannte Ansatz von Euronics sieht dagegen vor, tatsächlich die gesamte Vielstimmigkeit der Verbundgruppe im Netz abzubilden: Im Idealfall soll schlussendlich jeder Euronics-Händler – und davon gibt es in Deutschland immerhin mehr 1.700 – seinen eigenen Onlineshop betreiben. Dazu können sich Euronics-Mitglieder aus dem Warenangebot der Verbundgruppe ihr Online-Sortiment zusammenstellen, dieses individuell bepreisen und wenn gewünscht um eigene Produktschwerpunkte ergänzen. Der zentrale Onlineshop unter euronics.de wird so zum Online-Marktplatz, ähnlich wie eBay oder Amazon. Sucht ein Kunde dort ein Produkt, wird ihm mittels automatischer Lokalisierung das Angebot des jeweils nächstgelegenen Händlers angezeigt, der den gewünschten Artikel online anbietet und ggf. auch im Ladengeschäft vorrätig hat. Auf diese Weise soll nicht nur den Euronics-Händlern eine saubere Lösung geboten werden, sondern soll auch der Endkunde mit einem Onlineshop überzeugt werden, der ein maximales Warenangebot mit einem Höchstmaß an lokaler Nähe verbindet.
Honoriert der Kunde die hohe Komplexität?
Seit 12. März ist die Shoplösung nun online und konnte zum Start mit 208 teilnehmenden Euronics-Händlern aufwarten. Das Produktsortiment liegt aktuell bei rund 25.000 Artikeln, soll aber bald auf 100.000 Einträge wachsen. „Mit jedem Händler, der ein neues Produkt aus unserem Sortiment online anbietet oder einen eigenen Artikel hochlädt, wächst unser Warenangebot“, erklärt dazu Euronics-Chef Benedict Kober. Wie komplex die Marktplatzlösung in der Praxis ist, verdeutlichte der Vorstandschef der Verbundgruppe mit einem Beispiel: ein Kunden bestellt ein Smartphone mit einer dazugehörigen Hülle. Für beide Teile der Bestellung stammt das jeweils nächstgelegene Angebot jedoch von zwei verschiedenen Euronics-Händlern. Was für den Endkunden nach einer ganz gewöhnlichen Online-Bestellung aussieht, löst hinter den Kulissen also zwei separate Bestellvorgänge aus, an denen neben den beiden lokalen Fachhändlern ggf. noch die Euronics-Zentrale oder die Industrie beteiligt sind. Denn die Euronics-Händler können auch für jedes Produkt festlegen, ob sie dieses selbst versenden wollen oder ob der Versand in ihrem Namen erfolgen soll – aus dem Euronics-Zentrallager, aber auch im Dropshipping-Verfahren durch einen Hersteller oder Distributor.
Man kann schwerlich anders, als die Verbundgruppe für die Inkaufnahme von so viel Komplexität zu bewundern. In Deutschland hat bislang wohl noch kein Einkaufsverbund versucht, den Gegensatz zwischen einem zentralen Onlineshop und der dezentralen Händlerstruktur mit diesem Aufwand zu lösen. Dennoch bleibt die Skepsis, ob sich Euronics mit der Marktplatzlösung nicht überhoben hat: bei geringmargigen Produkten könnten aufwändige Lieferprozesse, wie von Benedict Kober beschrieben, schnell zu einer Kostenexplosion führen – von Retouren ganz zu schweigen. Und dann stellt sich die noch wichtigere Frage, wie gut die Kunden den Euronics-Onlineshops annehmen werden. Klar ist, dass Funktionen wie die Lokalisierung und Verfügbarkeitsanzeige für jeden Artikel den Kundenbedürfnissen entgegenkommen. Doch führt das System auch dazu, dass Euronics-Produkte mit ihren Preisen auf Vergleichsportalen nicht präsent sind – und Preisinformationen sind im Online-Kontext nun einmal eines der wichtigsten Instrumente, um Kunden in Shops zu holen.
Viele Verbundgruppen – nicht nur im Elektronikbereich – werden die weitere Entwicklung des Euronics-Onlineshops genau verfolgen. Denn dass sich Euronics an der Quadratur des Kreises versucht hat, steht außer Frage. Ob die Verbundgruppe damit auch wirtschaftlich erfolgreich sein wird, muss sich jedoch noch zeigen.
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