Kann die Omnichannel-Strategie Karstadt retten?

von Matthias Hell am 06.Mai 2014 in Local Heroes

Auch fünf Jahre nach der Insolvenz der Muttergesellschaft Arcandor ist die Zukunft von Karstadt alles andere als sicher. Mithilfe der Strategie „Karstadt 2015“ will der Warenhauskonzern sein Geschäftsmodell auf die Höhe der Zeit bringen und setzt dabei auch auf die Verzahnung von Online-Handel und stationärem Geschäft. Doch wie gut ist das Omnichannel-Konzept von Karstadt? Und wird die Verknüpfung der Einkaufskanäle den Handelskonzern retten?

Amazon ist größer: Das einstige Karstadt-Flaggschiff KaDeWe in Berlin

Amazon ist größer: Das einstige Karstadt-Flaggschiff KaDeWe in Berlin

Das Grunddilemma von Karstadt verdeutlicht bereits ein kurzer Größenvergleich: Das KaDeWe in Berlin – lange Zeit das Flaggschiff des Warenhauskonzerns, inzwischen aber an den Investor Signa verkauft – ist das größte Kaufhaus Kontinentaleuropas: auf 60.000 qm werden dort mehr als 380.000 Artikel angeboten. Was nach stationären Maßstäben nach einer unermesslichen Auswahl klingt, verblasst jedoch gegenüber den Kennzahlen von Amazon: „Amazon und mehr als 2 Millionen Marktplatzhändler bieten Millionen von Produkten an“, heißt es in den Company Facts des weltgrößten Internethändlers. Zumeist sind diese Angebote günstiger als im stationären Handel und dank der großen Logistikfortschritte im Regelfall innerhalb von 24 Stunden lieferbar.

Warenhäuser wie Karstadt haben damit ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, eine größtmögliche Sortimentsbreite zu überdurchschnittlich attraktiven Preisen anzubieten. Will Karstadt auch im E-Commerce-Zeitalter überleben, muss das Unternehmen nach neuen Wegen suchen, um einen überzeugenden Kundennutzen zu bieten – und sich auch dem Internetkanal öffnen. Online-kritische Äußerungen wie von Karstadt-„Retter“ Nicolas Berggruen („Der Feind sitzt nicht drinnen, sondern da draußen die Konkurrenz, das Internet“) sind da wenig hilfreich. Dennoch setzt die Warenhauskette im Rahmen des Modernisierungskonzepts „Karstadt 2015“ auch maßgeblich auf Online-Impulse und hat dafür im vergangenen Jahr den langjährigen Yahoo-Chef Terry von Bibra als Chief Retail Officer Omnichannel verpflichtet.

Kanalübergreifende Services sollen effizienter werden

Seit vergangenem Jahr verantwortet der früherer Yahoo-Manager Terry von Bibra das Online-Geschäft von Karstadt

Seit vergangenem Jahr verantwortet der früherer Yahoo-Manager Terry von Bibra das Online-Geschäft von Karstadt

Von Bibra setzt dabei auf ein für Karstadt maßgeschneidertes E-Commerce-Konzept: „Online ist nicht unsere Zukunft, unsere Zukunft heißt Omnichannel“, erklärt der Manager. Karstadt gehe es nicht darum, den großen Pure-Online-Anbietern Konkurrenz zu machen. „Unser Ziel ist es, unsere Karstadt-Kernkunden mit unseren Kernkompetenzen zu überzeugen und zwar über alle Kanäle“, so von Bibra. „Das ist vermutlich der größte Unterschied zwischen Karstadt und den meisten unserer klassischen Wettbewerber, die auch Omnichannel machen, aber versuchen die Kunden von reinen Online-Händlern abzugreifen.“

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Click & Collect-Konzept von Karstadt. So können sich Kunden seit Ende 2012 alle Produkte der Onlineshops karstadt.de und karstadtsports.de über eine Click & Collect-Funktion versandkostenfrei in ihre Wunsch-Filiale liefern lassen. Seit kurzem soll eine Incentivierung das Omnichannel-Modell auch intern populärer machen: Seit dem 1. April wird der Umsatz für eine Online-Bestellung immer dann einer Filiale zugeordnet, wenn ein Kunde in der Filiale online bestellt, der Artikel aus dem Lager der Filiale geliefert oder per Click and Collect in der Filiale abgeholt wird. „Damit erhöhen wir maßgeblich die Motivation der Filialen an unserem Omnichannel-Geschäft mitzuwirken“, erklärt Terry von Bibra. Später würden die Umsätze einzelnen Abteilungen zugerechnet und final könnten sogar einzelne Mitarbeiter für ihren Beitrag zum Omnichannel-Erfolg honoriert werden.

Auch was Einkauf und Sortiment betrifft, will die Warenhauskette die Vorteile der Kanalverknüpfung ausspielen: „Wir gehen alle Artikelgruppen durch und entscheiden, wie wir sie optimal anbieten können – online, stationär oder beides“, erklärt der Karstadt-Online-Chef. Beispielsweise biete Karstadt saisonale, sehr spezielle oder große Waren wie zum Beispiel Gartenmöbel nicht ganzjährig in großen Mengen in den Filialen an, online aber schon.

Die Omnichannel-Praxis bleibt hinter dem Anspruch zurück

Click & Collect soll Online-Geschäft und Filialen von Karstadt verzahnen

Click & Collect soll Online-Geschäft und Filialen von Karstadt verzahnen

Dennoch: Der Erfolg der Omnichannel-Ausrichtung lässt auf sich warten. „Unsere Online-Umsätze sind noch nicht zufriedenstellend“, räumt von Bibra ein. Trotzdem werde Karstadt weiterhin alle Wege zum Kunden nutzen, was bisher noch nicht genug geschehen sei. „Damit werden wir unseren gesamten und unseren Online-Umsatz verbessern.“

Warum es mit dem Omnichannel-Ansatz noch nicht so richtig läuft, verdeutlicht ein aktueller Test der Fachzeitschrift Internet World. Das Magazin hat die Click & Collect-Konzepte von zwölf großen Handelsketten in der Praxis getestet und fand auch bei Karstadt eine Reihe von Unstimmigkeiten. So dauerte die Lieferung von Online bestellten Artikeln – selbst wenn diese bereits stationär verfügbar waren – in die Filiale vier Werktage. Ein Wunschabholtermin konnte nicht vereinbart werden, stattdessen musste die Bestellung in einer völlig fachfremden Abteilung ohne Möglichkeit einer bequemen Artikelanprobe abgeholt werden. Der Händler verpasse so die Chance, mit seinen Kunden ins Gespräch zu kommen und diese durch fachkundige Beratung zu Mehreinkäufen zu verführen. „Da hätte der Kunde zur Abholung auch zu DHL gehen können“, so das Fazit von Internet World.

Immerhin erkannte das Fachblatt bei Karstadt auch eine Reihe von positiven Ansätzen: stationäre Verfügbarkeiten können online abgefragt werden, die Bezahlung ist wahlweise online und in der Filiale möglich und auch Retouren können einfach über das Netz erledigt werden. Die Frage ist nur, ob das reicht, um den mit 83 Warenhäusern und 28 Sporthäusern noch immer sehr groß aufgestellten Warenhauskonzern zu retten. Selbst wenn es Karstadt gelingt, sein Omnichannel-Angebot deutlich zu optimieren und weitere kanalübergreifende Services zu etablieren – Reservierung stationär verfügbarer Artikel, bessere Einbindung von Click & Collect in die jeweiligen Abteilungen, iPad-Beratung – dürfte der damit erzielte Mehrwert mittelfristig wohl nur noch ein kleineres stationäres Geschäftsmodell mittragen.


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