Verschaffen Scansation, Snabble & Co dem Self-Checkout mehr Schwung?

von Andre Schreiber am 28.November 2018 in Highlight, News, Trends & Analysen

Seit 20 Jahren wird daran gearbeitet, in den Märkten tauchen Tunnelscanner nach wie vor kaum auf. (Foto: Diebold Nixdorf)

„Ich warte gern“ – dieser Satz fällt in der Kassenzone von Super- oder Baumärkten eher selten. Es gibt wohl kaum etwas, was einen so sehr die Verschwendung von Lebenszeit spüren lässt, wie die Schlange vor der Kasse. Mit Self-Checkouts werden die Kunden selbst aktiv und kommen zumindest gefühlt schneller voran.

Wie ja zuletzt Adyen in seinem Retail Report herausgefunden hat,  drücken Warteschlangen im Laden deutlich auf das Einkaufserlebnis. Bereits 5 Minuten Wartezeit können bei den Kunden dazu führen, den Laden nicht wieder aufzusuchen. Ein Hauptärgernis ist dabei sicherlich die Warterei an der Kasse. Denn schließlich hat man schon eingekauft und muss nur noch das notwendige Übel des Bezahlens hinter sich bringen.

Selbst bei optimaler Personalplanung kann es im Laden immer mal wieder zu Schlangen beim Bezahlen kommen. Papierstaus, Schichtwechsel oder auch Kunden, die beim Bezahlen einfach genüsslich in ihren Kleingeldvorräten kramen, führen zum Stau.

Diesen ganzen Ärgernissen kann der Kunde ausweichen, wenn er selbst seine Artikel scannt.

Von der gefühlt gesparten Zeit

Wenn die Kunden die Produkte im Wortsinn selbst in die Hand nehmen, um sie an einer SCO-Station (SCO = Self-Checkout) zu scannen, warten sie gefühlt dynamischer.

Sie sparen aber mit Sicherheit keine Zeit. Dazu braucht es keine Statistiken, die das nachweisen, sondern es genügt einfache Beobachtungsgabe. Schauen Sie sich einmal an, wie schnell eine Kassenfachkraft beim nächsten Aldi Ihres Vertrauens die Artikel scannt und nehmen Sie sich die Zeit und verfolgen Sie einige Bezahlvorgänge an der SCO-Station eines Rewe-Markts. Das sind Welten!

Das Paradoxe an dem Thema ist allerdings, dass die Kunden mit Sicherheit behaupten würden, dass sie Zeit sparen. Hier trickst uns unsere Psyche aus. Während wir an der Kassenschlange zur Untätigkeit verdammt sind und uns langweilen, oder uns vorstellen, was wir in dieser Zeit alles erledigen könnten, sind wir beim SCO aktiv. Gestalten unsere Zeit. Das fühlt sich dynamischer an.

An und für sich ein Glücksfall für den Händler, denn die Aktivität wirkt sich positiv auf das Einkaufserlebnis aus. Zumindest so lange, wie alles auch funktioniert. Zum Frust wird das dann spätestens dann, wenn das Verkaufspersonal eingreifen muss, oder den Eindruck hat, eingreifen zu müssen. Das kann dann emotional auch schon einmal in die falsche Richtung gehen. Denn nicht jeder, der sich beim SCO Zeit lässt, hat ja auch gleich ein Problem, bei dem er Hilfe benötigt.

Wenn das alles den Kunden so zufriedenstellt, ist man schnell bei der Frage, wieso man SCO dann in der Praxis nicht viel häufiger sieht?

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Kein Schnäppchen für den Handel

In seiner Ausgabe 3/18 berichtete das Branchenblatt „Retail Technology“ über eine Diskussion am runden Tisch, zu der die Vertreter der führenden Lösungsanbieter wie NCR, Toshiba, Diebold Nixdorf, Fujitsu und ITAB zusammenkamen. Das mehr oder weniger einhellige Ergebnis hatte sich bereits angedeutet, wenn man sich die Presseberichte der Unternehmen im Jahresverlauf angesehen hatte. Eine so richtig aufsehenerregende Zahl an neuen Kunden und Installation hatte keiner zu vermelden.

Die Markterhebung zum Thema aus dem Jahr 2017 zeigt, wie tief das Thema eigentlich in der Nische steckt. Stand August 2017 waren in 488 Geschäften Self-Checkout-Systeme im Einsatz. Und in weiteren 41 Geschäften das sogenannte Self-Scanning verfügbar. Wir reden von Deutschland wohlgemerkt.

Self Checkout bei Edeka Paschmann

Den Blick in die Preislisten der Hersteller kann man sich getrost schenken. Dass eine Station für SCO nicht gerade preiswert ist, ist ganz offensichtlich. Die schmalen Margen im Handel mit Fast Moving Consumer Goods (FMCG) lassen die Investionsbudgets am Boden bleiben. Entsprechend halten sich die Händler nach wie vor stark zurück.

Verschiedene technische Ansätze

Ganz neu ist die Idee, den Kunden die Ware scannen zu lassen, nicht. Vor 20 Jahren hat NCR seine erste Self-Checkout-Installation durchgeführt. Wohl fast genauso lange arbeitet die Industrie an der effizientesten Form des SCO.

Bei einem Tunnelscanner führt das System die vom Kunden auf das Laufband gelegten Artikel automatisch durch eine Scaneinheit. An ihrem Ende muss der Kunden die Produkte nur noch einpacken. Das klingt toll, funktionierte aber bisher nirgendwo so zufriedenstellend, dass das Thema über Testinstallationen hinausgekommen wäre.

Würth verwendet Tunnelscanner zwar in seinem in Zusammenarbeit mit Wanzl entwickelten 24-Stunden-Laden. Hier betreten die Kunden aber einzeln den Laden und das System hat es hier mit adrett verpackten Ersatzteilen und Werkzeugen zu tun. Kein wüstes „Durcheinander“ von Eier- und Milchkartons, zwischen denen dann auch noch Äpfel und Bananen liegen.

Ein anderer Ansatz drückt den Kunden Handerfassungsgeräte in die Hand, damit die Produkte damit gescannt werden. Das ist auch alles andere als preiswert, und offen ist dabei, was der Kunde nun weniger schlecht findet: An einer konventionellen Kasse zu warten, oder aber auf das leere Regal mit den Handscannern zu schauen.

So verwundert es wohl nicht, dass von den eher überschaubaren SCO-Installationen die Mehrzahl Scan-Stationen sind. Diese funktionieren wie die klassische Kasse nur ohne Personal und mit besonderer Benutzerführung.

Mit Snabble können Kunden bei Edeka-Paschmann ihre Produkte selbst scannen. (Foto:Snabble)

Wie Snabble, Scansation & Co dem Thema wieder Schub verleihen könnten

Und an dieser Stelle treten interessante junge Unternehmen auf, die mit einem anderen Ansatz daher kommen. Wenn der Kunde ohnehin mit seinem Smartphone den Laden betritt, warum es dann nicht gleich zum Scannen der Ware nutzen?

Das bietet gleich eine Reihe von Vorteilen:

  • Tatsächlich wird der Einkauf schneller, denn die Produkte können nach dem Scannen bereits in der Einkaufstasche verstaut werden.
  • Der Ansatz umfasst zumindest die Option, den Laden völlig ohne Besuch der Kassenzone zu verlassen. Snabble hat dies nun via Twitter angekündigt. Der „Amazon Go“-Effekt lässt grüßen.
  • Über die dazugehörende App hat der Kunde stets einen Überblick über seinen Einkauf.
  • An der Kasse muss lediglich ein Code vorgezeigt werden. Danach kann dann bereits gezahlt werden.
  • Für den Händler ergeben sich geringere Investitionskosten, denn die Kunden bringen den Scanner ja gleich mit.

Eines der Unternehmen, auf das bereits einige Player im Lebensmitteleinzelhandel vertrauen, ist Scansation. Das Unternehmen hatten wir an dieser Stelle schon einmal kurz vorgestellt.

Der Kunde profitiert hier von der Zeitersparnis. Die Zwischenschaltung einer App bietet indes noch einen weiteren Vorteil.

Wenn man ihn denn zu nutzen weiß. Denn die App kann dann auch die Aufgabe eines weiteren Touchpoints übernehmen. Zum Produkt, das der Kunde zuletzt gescannt hat, könnten ergänzende Artikel angeboten werden. Oder aber es werden Rabatte angezeigt. In ihrer Gesamtheit bieten die Transaktionen der Kunden in der App natürlich auch eine interessante Datenbasis, mit der sich ein umfassendes, wenn auch anonymes Kundenprofil erzeugen lassen würde.

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Einen ganz ähnlich Ansatz verfolgt Snabble, das sich in Praxistests ebenfalls im Lebensmittelhandel bewährt. Die Ausgründung des Softwarehauses Tarent nutzt ebenfalls einen Code, der an der Kasse vorgezeigt wird.

Und während die Branchenriesen weiterhin an Tunnelscannern forschen, haben findige kleinere Unternehmen vielleicht bereits die Lösung gefunden, um der Vision des Supermarkts ohne Kassenschlangen näherzukommen.


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