Künstliche Intelligenz im Einzelhandel.

von Peter Wagner am 20.August 2019 in News, Trends & Analysen

(Quelle: Shutterstock)

Was bedeutet der Einsatz von künstlicher Intelligenz (kurz: KI oder aus dem Englischen artificial intelligence: AI) für die Zukunft des Einzelhandels? Was nach Science Fiction klingt und damit vielleicht dystopische Szenarios kreiiert, ist weit von Fiktion entfernt – genauso weit wie künstliche Intelligenz davon entfernt ist, den Menschen zu ersetzen. Eine Leseprobe aus unserem Whitepaper „Marketing-Trends für Händler & Marken“.

Bereits im Jahr 2016 kam der freundliche Pepper-Roboter mit einer einfachen künstlichen Intelligenz in kalifornischen b8ta-Läden zum Einsatz. Allein der Einsatz der neuen Technologie sorgte für mehr Popularität und so für eine Steigerung der Kundenfrequenz um 70 Prozent. Natürlich war das vor allem der Neugier der Kunden zuzurechnen. Was KI besonders für die strategische Ebene von Einzelhändlern bedeutet, betrachten wir im Folgenden.

KI für die Strategie

Grundsätzlich handelt es sich bei KI um sogenannte neuronale Netzwerke. Das Besondere an diesen Netzwerken ist, dass sie in Sekundenschnelle Datenmengen auswerten können, von denen ein Normalsterblicher nur träumen kann.

Als Händler sammelt man hunderte, tausende Datenpakete pro Stunde, Tag und Jahr: Einerseits anonyme Daten von den Mengen der Käufer und Kunden am POS oder im Online-Handel. Andererseits aber auch viele personenbezogene Daten zum Beispiel aus Loyalty-Programmen, Gewinnspielen und anderen Angeboten, die Retailer über diverse Kanäle anbieten. Weitere Daten und Datenkategorien kommen täglich hinzu. Sie alle zu assoziieren ist eine massive Aufgabe: Hier kommt die KI ins Spiel. Programmiert man sie darauf Muster zu erkennen, so kann sie zum Beispiel bestimmte Verhalten identifizieren, lohnenswerte Zeiträume für Sonderaktionen oder Analysen von Marktdaten vollständig automatisiert erstellen.

Die Zeit für nervenaufreibende Datenpflege und Datenarbeit fällt weg und Marketers können sich mehr auf kreative Aufgaben, die Planung von Kampagnen, die Konzeption neuer Produkte und Angebote konzentrieren. Derzeit führt die KI Watson von IBM die Entwicklung in diesem Sektor an. Doch nicht nur Daten, die ohnehin schon gesammelt werden, können so wertschöpfend verarbeitet werden. KIs machen den Laden der Zukunft möglich:

Eine smarte Ladenfläche kombiniert beispielsweise unterschiedliche Sensoren, Kameratechnik und RFID-Technologie. Mithilfe einer KI können nicht nur Heatmaps von Kundenflows zu verschiedenen Zeiten und Saisons erstellt oder logistische Abläufe optimiert werden. Die Kombination von diesen Informationen in Echtzeit kann auch dafür genutzt werden, um den Kassiervorgang vollständig zu ersetzen und so wertvolle Zeit der Kunden zu sparen.

1.Kassenlose Läden: Das Ende von Warteschlangen ist gesetztes Ziel von so ziemlich allen Einzelhändlern. Amazon Go, die KIs von Standard Cognition oder Sensei ermöglichen genau das, indem sie zum Beispiel verstehen, wann Kunden Produkte in das Regal zurückstellen oder welche Produkte im Einkaufsbeutel gelandet sind. Automatisch erstellen sie dann auch Berichte, welche Produkte besonders gut funktionieren und an welcher Stelle die Logistik nachgebessert werden muss. Automatisch, z.B. via NFC oder Gesichtserkennung, oder anhand von Codes werden die Kunden erkannt und der Rechnungsbetrag vom Konto des Käufers abgebucht.

2.Roboter im Laden: Eine gemeinsame Erfahrung teilen alle Menschen unserer Zeit – in Baumärkten ist es schwierig etwas zu finden, so auch Personal, das einem hilft. Der LoweBot hilft seit 2016 Kunden ihren Weg in Läden zu finden. Der Retail-Riese Walmart hingegen testet Self-Scanning-Roboter, die an den Regalen entlang gehen und überprüfen, ob Produkte noch vorhanden sind, an falscher Stelle stehen oder gar nachbestellt werden müssen. Enorme Effiziengewinne bei der Inventur, die quasi (über Nacht) täglich automatisiert durchgeführt werden kann.

3.Predictive Analytics: Laut Einschätzung von mehr als der Hälfte (53 Prozent) der IT-Experten bei deutschen Händlern wird KI vor allem im Bereich der voraus­schauenden Datenanalyse (Predictive Analytics) eine tragende Rolle spielen. Besonders Textilhändler könnten von Trendvorhersagen profitieren, um z. B. das richtige Produkt am richtigen Ort zur richtigen Zeit anbieten zu können, so eine Studie von EHI und Microsoft.

4.Text-AI: Anstelle von Robotern oder Personal schreibt man seine Bestellungen oder Fragen an eine Künstliche Intelligenz, die als Chatbot z.B. im Facebook Messenger, WhatsApp, Slack oder als Teil einer exklusiven App der jeweiligen Marke auftaucht. Es gibt verschiedene Unternehmen, die die Entwicklung eines solchen Bots anbieten, eine Übersicht der 50 erfolgreichsten Chatbotplatformen beinhaltet zum Beispiel Microsofts Bot Framework, IBM Watson Bluemix, aber auch deutsche Unternehmen wie Cognigy, Twyla und andere.

5.Stimmung erkennen: Erste KIs können die Stimmung von Konsumenten erkennen und dafür sorgen, dass sie sich wohler fühlen. Das kann im Kundenservice beispielsweise von Callcentern hilfreich sein, aber auch für Verkaufsgespräche direkt am POS. Amazon setzt eine KI-Stimmungsanalyse bei Rezensionen ein.

6.Gedanken lesen: Bei verschiedenen KIs gewinnt man den Eindruck, dass sie die Gedanken der Kunden lesen können, dabei werden hier nur verschiedene Lernmuster angewendet. Die Sephora Color IQ Anwendung scannt beispielsweise das Gesicht der Kunden, um daraufhin die perfekte Makeup Farbe zu finden. Der Modehändler Uniqlo lässt seine Kunden in sogenannte UMood-Boxen treten, zeigt ihnen verschiedene Kleidungsstücke und lernt anhand der emotionalen Reaktionen, welche Kleidung, Farben und Schnitte am besten gefallen, um daraufhin dem Geschmack entsprechende Angebote zu machen.

Voice Commerce

Bei Voice Commerce kommt eine KI zum Einsatz, die ihre Wurzeln in der Text-KI hat, also Software, die versucht natürliche Dialoge mit dem Kunden zu führen. Das Ganze nennt sich auch Conversational Commerce und hat zum Ziel, Verbraucher anhand eines Dialoges zum Kaufabschluss zu führen. Solcher Conversational Commerce läuft z.B. über bekannte Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Google Assistant, Cortana von Microsoft oder Siri von Apple.

Die Sprachassistenten sind die derzeitige Grundlage für Smarthome-Anwendungen. Mit einem einfachen Sprachbefehl lassen sich Lichter an- und ausschalten, Musik abspielen oder Termine speichern. Dem Handel können diese Anwendungen einen großen Vorteil bieten, wenn Kunden nämlich nicht mehr mit einem Chatbot schreiben müssen, sondern via natürlicher Sprache mit einem digitalen Kundenberater reden können.

Ein Blick in die Zukunft

Eine Studie von Capgemini aus dem Jahr 2018 zeigt die aktuellen Fortschritte der Implementation von KI im Einzelhandel. Dabei wurden 400 weltweit agierende Retailer befragt, die etwa 23 Prozent des globalen Umsatzes abdecken. Die Studie fand heraus, dass bereits 28 Prozent der Befragten KI-Lösungen in ihren Läden ausrollen. Dabei gibt es optimistische Perspektiven in Bezug auf die Beschäftigung: 75 Prozent der befragten Händler sagten, dass künstliche Intelligenz bisher keinen einzigen Arbeitsplatz gekostet hat, 71 Prozent gaben an, dass sie sogar für mehr Arbeitsplätze gesorgt hat und zwar auf Führungsebene oder mittlerem Management. Die häufigsten KI-Anwendungen, die von Einzelhändlern in Optimierungs- und Entwicklungsprozessen verwendet werden, sind maschinelles Lernen, Statistiken, Persönlichkeitsanalysen, Stimmungsanalysen und Verarbeitung natürlicher Sprache, so eine Studie von Comarch, Kantar TNS sowie dem KI-Projekt von Oriflame.

Besonders viel ändert sich in Meinung der Befragten allerdings für Kunden: So erwarteten die befragten Händler mit der Einführung von KI im Handel ein Verkaufssteigerung von 15 Prozent bei gleichzeitiger Senkung der Kundenbeschwerden um denselben Wert. Kritisch sehen die Verfasser der Studie von Capgemini allerdings, dass die Händler KI vor allem zur Erreichung von ROI und Kostenreduktion einführen, anstelle von kundenzentrierten Anwendungen. Auch in der strategischen Optimierung der Geschäftsaktivitäten gäbe es noch viel Wachstums- und Verbesserungspotential, so seien beispielsweise nur 7,6 Prozent der eingesetzten Lösung dafür zuständig die Versorgungskette und Logistik zu optimieren oder Diebstahl zu erkennen.

Zusammenfassung

  1. Bereits seit 2016 testen Händler verschiedene Anwendungen von künstlicher Intelligenz in ihren Läden.
  2. Für die langfristige strategische Ausrichtung des Handels sind künstliche Intelligenz und neuronale Netzwerke extrem wichtig. Sie können Mehrwert aus den Datenmassen generieren, neue Angebote und Anwendungsbereiche für Technologien entwickeln und Einsichten in das Kundenverhalten geben.
  3. Die aktuellen Trends von künstlicher Intelligenz im Handel sind der Einsatz von Robotern im Laden zur Kundenbetreuung oder für logistische Aufgaben, der Ersatz von physischen Kassensystemen durch das automatische digitale Kassieren, der Einsatz von Predictive Analytics für die bessere Sortimentsplanung, als Dialogpartner und Kundenbetreuer in Text- und Sprachform oder zur Erkennung von Geschmacksmustern und Präferenzen, bzw. das Matching passender Angebote.
  4. Der Einsatz von KI im Handel wird aller Erwartung nach steigen und dort vielfältige neue Einsatzgebiete für Personal schaffen, während alte, monotone Prozesse nach und nach automatisiert werden können.

Lesetipp

 

Dieses Beitrag erschien zuerst im Whitepaper „Marketing-Trends für Händler & Marken“ von GS1 Germany, Location Insider und mobilbranche.de und wurde für die heutige Online-Veröffentlichung aktualisiert. Lesen Sie in dem Whitepaper zudem folgende Themen:

  • Die Evolution von E-Commerce zu M-Commerce
  • Social Shopping: Einkaufen via Instagram & Co.
  • Case Study: Wie Under Armour sein Image mit Influencern stärkt
  • One Shop Fits All: Vorteile von Marktplätzen nutzen
  • Retail Media: Wie Marken in Onlineshops werben
  • Mehr Struktur, Orientierung und Inspiration in Webshops durch Online Category Management

Das Whitepaper „Marketing-Trends für Händler & Marken“ können Sie hier kostenlos herunterladen!


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