Lieferroboter und ihr langer Weg in die Zukunft.
von Markus Gärtner am 01.Dezember 2016 in Trends & AnalysenVielleicht müssen einige Menschen an R2D2, den pfiffigen Droiden aus „Star Wars“, denken, seit vor kurzem die ersten Tests mit Lieferrobotern auf Deutschlands Wegen laufen. Nur sind diese Exemplare kleiner und kantiger – und sie tragen zwar nicht die Baupläne des Todessterns in sich, aber zumindest die Zukunft des Lieferservice, wenn es nach dem Hersteller geht. Der passenderweise auch Starship Technologies heißt. Das britisch-estnische Unternehmen, das 2014 von den beiden Skype-Mitgründern Ahti Heinla und Janus Fris gestartet wurde, schickt derzeit seine Roboter u.a. für Hermes in Hamburg und für Metro bzw. Media-Saturn in Düsseldorf in die Spur. Das Ziel der Roboteroffensive lautet: Mehr Bequemlichkeit für den Kunden, weniger Autoverkehr in der Stadt, die Umwelt freut sich über weniger Verschmutzung, die Händler über ein modernes Image. „Der Einsatz von Robotern kann die Zustellung von Päckchen und Paketen speziell im städtischen Raum nachhaltig revolutionieren“, hofft Hermes-Deutschland-Chef Frank Rausch. „Das ist für uns alle Neuland”, betont Volker Barth, geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Media Markts. „Aber wir sind stolz, dass wir als allererstes Geschäft in Deutschland einen Lieferroboter im Einsatz beim Endkunden haben.“
Bei stetig wachsendem Onlinehandel braucht die Gesellschaft neue Logistiklösungen – auch wenn sie erst Mal nur die so genannte letzte Meile bis zum Endkunden betreffen, denn mehr als rund 5 Kilometer schaffen die kleinen rollenden Lieferanten nicht. Wenn ein Kunde per App seinen Lieferzeitpunkt angegeben hat, fahren die Liefer-Bots los: Sie sind rund 6 km/h schnell, können 10 bis 15 Kilo transportieren und sollen mittels neun Kameras und Sensoren auch Hindernisse erkennen und aufkommende Probleme lösen. Noch werden sie aber bei den Tests von Menschen begleitet: Ein Mitarbeiter geht mit, außerdem sitzt im Kontrollzentrum in Tallinn ein weiterer, der den Roboter kontrolliert und ebenfalls mit den begegnenden Menschen sprechen könnte. Ihn alleine durch die Straßen fahren zu lassen, würde wohl noch mehr Aufregung verursachen. Schon jetzt muss der humane Begleitschutz die rollende Hoffnung vor Kindern mit Spieltrieb oder fassungslosen älteren Fußgängern schützen. „Star Wars“ wirkt ja auch generationenübergreifend. Am Zielort angekommen können die Kunden dann per SMS oder App versendetem Code ihr Paket entnehmen und den Rollboter wieder nach Hause bzw. an die Ladestation schicken.
So weit die Idee. Ob in mittelferner Zukunft wirklich Massen von kleinen Lieferrobotern problemlos über und durch die Fußgängerwege navigieren, scheint derzeit noch aus mehreren Gründen unrealistisch. Zum Einen gibt es in Deutschland noch überhaupt keine Regelungen für einen solchen Einsatz im Verkehr, für die Tests gilt eine Ausnahmegenehmigung. Auch die geringe Transportkapazität ist ein Problem: Kann jedes Gefährt auch schon zwei Pakete tragen, bräuchte es trotzdem zig Roboter, um nur einen einzigen Boten mit einem Kleinbus zu ersetzen. Ein Bote schafft in der Stunde im Schnitt rund 15 Pakete, der Roboter eins. Und wie bei jeder Innovation sind die Lieferroboter natürlich am Anfang noch viel zu teuer. Dennoch erhofft sich Starship, dass in Zukunft die Lieferungen nur einen Dollar Gebühren kosten sollen – die „Personalkosten“ somit unter denen für Mensch mit Auto oder Fahrrad lägen. Derzeit zahlen die Testkunden für die Expresslieferung 15 Euro. Hauptproblem könnte aber sein, dass die Menschen es nicht nur ablehnen, für den blitzschnellen Service extra zu zahlen – sondern dass sie ihn gar nicht brauchen. Denn jüngste Statistiken zeigen, dass auch Same-Day-Delivery noch keinen großen Anklang in der Bevölkerung findet. Auch die Gewerkschaft verdi sieht für die vermeintlich billigere rollende Konkurrenz keine Zukunft in der Branche, in der eh schon viele Mitarbeiter prekär bezahlt werden. Außerdem – quasi die dunkle Seite der Macht – darf der Roboter auch bei der Ausnahmegenehmigung nur im Hellen fahren und muss damit zumindest im Winter schon am späten Nachmittag aus dem Verkehr gezogen werden. Die zeitliche Flexibilität, sein eigentlicher Vorteil, ist damit auch hinüber.
Trotzdem könnte der Roboter nach Abschluss der Testphase schon 2017 zum Einsatz kommen, plant Allan Martinson von Starship. Über 50 Roboter sind weltweit bereits im Test, in Tallinn auch ohne menschlichen Begleiter daneben. Deutschland, USA und Großbritannien könnten aufgrund von Kaufkraft und Infrastruktur Kernmärkte werden. Auch kleinere Händler hätten schon Interesse. Sollten die Roboter den Durchbruch schaffen, würden 50 bis 100 von ihnen von einem Mitarbeiter in der Zentrale überwacht werden, ansonsten aber autonom liefern. Auch R2D2 hat schließlich mal klein angefangen.
wiwo.de, handelsblatt.com, spiegel.de, etailment.de, lead-digital.de, springerprofessional.de (mit Bücherliste)
In unserer Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:
- Lieber verlässlich statt blitzschnell – Same Day Delivery kommt bei vielen Kunden noch nicht an.
- Click & Collect – Brückenbauer zwischen den Welten
- Mobile Payment im Handel – geht’s irgendwann los in Deutschland?
- Sensorkameras – Analytiker an der Ladendecke.
- Indoor Navigation – Digitale Wegweiser im Laden-Labyrinth
- Kleine Sender mit großen Erwartungen – was können Beacons?
- Geofencing im Handel: Den Kunden locken, aber mit Zurückhaltung.
- Zeitsparer oder Preistreiber – Elektronische Preisschilder im Handel.
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