Media Markt sucht sein Ladenkonzept für den Handel der Zukunft.

von Matthias Hell am 21.Oktober 2014 in Local Heroes

Mit einem Pilot-Markt in Ingolstadt verdeutlicht Media Markt seit Mitte September, dass Deutschlands größte Elektronikkette im Multichannel-Handel angekommen ist. Ein Augenschein in dem Markt zeigt, dass vieles umgesetzt wurde, aber noch nicht alles von den Kunden angenommen wird. Wie Marktgeschäftsführer Wolfgang Bachesz erklärt, soll der Pilot-Markt vor allem Lernerfahrungen möglich machen.

Marktgeschäftsführer Wolfgang Bachesz in der Pilot-Filiale

Marktgeschäftsführer Wolfgang Bachesz in der Pilot-Filiale

Mit fast 1.000 Märkten in 17 Ländern ist Media-Saturn klar die größte Elektronikhandelskette in Europa. Dennoch galt das mehrheitlich zum Handelskonzern Metro gehörende Unternehmen Ende der 2000er Jahre schon fast als hoffnungsloser Fall: nach der 2007 erfolgten Schließung der mäßig erfolgreichen Internet-Tochter Mediaonline.de verzichtete der Retailer auf ein eigenes Online-Geschäft und blieb damit in einer sich rasant wandelnden Handelswelt außen vor. Erst mit der Übernahme des Internet-Händlers Redcoon 2011 sowie der Eröffnung der Onlineshops Saturn.de und Mediamarkt.de zum Jahreswechsel 2011/12 gab das Unternehmen im E-Commerce Gas. Das seitdem Erreichte ist beeindruckend: im Jahr 2013 kam Media-Saturn auf Online-Umsätze in Höhe von 1,25 Milliarden Euro. Dabei gelingt es der Handelskette offensichtlich besser als vielen Wettbewerbern, Online-Handel und stationäres Geschäft miteinander zu verbinden: seit der Eröffnung der Media Markt- und Saturn-Onlineshops liegt die Abholrate bei den Bestellungen kontinuierlich bei rund 40 Prozent.

Dabei schien der Erfolg in Sachen Click & Collect Media-Saturn gewissermaßen in den Schoß gefallen zu sein. So ergaben regelmäßig Stichproben, dass die Abholung von Online-Bestellungen mit abgelegenen Abholschaltern und umständlichen Prozessen eher suboptimal gestaltet war – höchste Zeit für das Unternehmen, sein stationäres Verkaufskonzept in Richtung Multichannel weiterzuentwickeln. Mit dem Mitte September eröffneten neuen Media Markt unweit der Konzernzentrale in Ingolstadt ist das nun geschehen. Der frühere, 1982 eröffnete Markt – einer der ersten in der 1979 gegründeten Elektronikkette – wurde aufgegeben und stattdessen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein komplett neuer Markt gestaltet. „Für mich schließt sich damit der Kreis – wenn einer der ältesten Media Märkte zum Modernsten wird“, erklärt dazu Marktgeschäftsführer Wolfgang Bachesz, eines der Urgesteine in dem Handelsunternehmen.

„Wir wollten nichts vergessen“

Eine der Innovationen: Touchscreen-Tisch zur Handytarif-Konfiguration

Eine der Innovationen: Touchscreen-Tisch zur Handytarif-Konfiguration

Ein Augenschein in dem Markt zeigt, dass Media-Saturn in dem als Leitbild intendierten Standort nicht an Neuerungen gespart hat. Es gibt freies WLAN, am Eingang warten auf die Kunden neben einer Smartphone-Ladestation verschiedene Touchscreens, mit denen aktuelle Angebote recherchiert, der Onlineshop durchsucht und durch den Markt navigiert werden kann. Elemente wie die Onlineshop-Terminals, Instore-Navigation oder Anwendungsszenarien für vernetzte Techniklösungen begegnen einem auch beim Marktrundgang immer wieder. Weitere Highlights sind ein großformatiger Touchscreen-Tisch, auf dem sich Smartphones mit den dazugehörigen Mobilfunktarifen konfigurieren und in einem virtuellen Warenkorb ablegen lassen sowie digitale Preisschilder, die in dem Markt in verschiedenster Form getestet werden. Das Thema Click & Collect adressiert der Ingolstädter Pilot-Media-Markt zum einen durch eine zentral im Eingangsbereich positionierte Service-Theke, zum anderen durch einen an der Marktrückseite positionierten Abhol-Drive-in.

Marktgeschäftsführer Bachesz freut sich, dass es ihm die „Gunst der Stunde“ ermöglicht hat, diese Vielzahl an Neuerungen in sein Geschäft zu integrieren. „Wir hatten schon früher über einige der jetzt umgesetzten Neuerungen nachgedacht, doch war im alten Markt dafür nicht genug Platz.“ In einem Unternehmen wie Media-Saturn habe jeder ein Technik-Faible und so habe es an Ideen für den Pilot-Markt nicht gefehlt. „Jeder hatte noch ein Thema, das er in den Markt einbringen wollte – man wollte einfach nichts vergessen.“ Bachesz schätzt, dass rund die Hälfte der Neuerungen auf seinen Wünschen basiert und der Rest aus der Unternehmenszentrale stammt. Mit dem fertigen Ergebnis ist das Media-Markt-Urgestein hochzufrieden: „Ich verbringe gut 60 Prozent meiner Zeit im Markt und kann sehen, dass die Neuerungen unheimlich gut angenommen werden.“ Mit den vielen Möglichkeiten zum Anfassen und Ausprobieren sei es gelungen, den Spieltrieb der Kunden anzusprechen und wieder ein Stück mehr Neugier in den Elektronikkauf zurückzubringen.

Kunden müssen Berührungsängste verlieren

Terminals holen den Onlineshop in das Geschäft

Terminals holen den Onlineshop in das Geschäft

Wer den Pilot-Media-Markt besucht, steht jedoch schnell vor der Frage, was von den umgesetzten Neuerungen wirklich verkaufsrelevant ist und ob es sich bei vielen vermeintliche Multichannel-Innovationen nicht doch eher um Spielereien handelt. „Natürlich ist so etwas wie der Touchscreen-Tisch für die Konfiguration der Mobilfunktarife im Moment noch eher ein Spielzeug“, räumt Wolfgang Bachesz ein, „doch man könnte damit auch Waren verkaufen und können wir uns eine Ausweitung auch auf andere Produktgruppen gut vorstellen.“ Überhaupt betrachtet der Marktgeschäftsführer das Multichannel-Verkaufskonzept als Teil eines Lernprozesses – für Media-Saturn, aber auch für die Kunden: „Man sieht, dass viele mit den Neuerungen noch Anlaufschwierigkeiten haben. Aber das ist ja auch kein Wunder: Früher hat man einen auf die Finger gekriegt, wenn man ein TV-Gerät angefasst hat, jetzt soll man am besten überall alles anfassen“, so Bachesz zu den anfänglichen „Berührungsängsten“ vieler Kunden.

Ziel müsse es sein, die Multichannel-Gimmicks zu echten Verkaufsportalen zu machen. Marktgeschäftsführer Wolfgang Bachesz glaubt daran, dass viele der neu eingeführten Verkaufsformate spätestens in fünf Jahren zum Standard zählen werden. „Wir müssen versuchen, unseren Kunden eine Plattform zu geben, die einerseits traditionell ist, aber auch Zukunftstechnik miteinbindet.“ Das kann sich auf Touchscreen-Terminals und Location Based Services im Markt beziehen, aber auch auf innovative Produkte, wie einen 3D-Drucker oder das weltgrößte Curved-TV-gerät von Samsung, das es in dem Geschäft zu sehen gibt. In der Tat haben Elektronikmärkte wie Media Markt und Saturn immer von der Anziehungskraft der dort präsentierten Technik-Neuheiten profitiert und könnten deshalb auch bei der Umsetzung innovativer Verkaufsformen eine Vorreiterrolle einnehmen.


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