Pokémon Go – Wie kleine Monster dem Handel helfen können.
von Markus Gärtner am 19.September 2016 in News, Trends & AnalysenNormalerweise würden sich wohl die Menschen erschrecken, wenn sie einen Drachen oder andere Fantasiewesen auf der Straße oder im Laden sehen. In jüngster Vergangenheit haben derartige Monster aber eher Verzückung ausgelöst. und zwar bei Millionen von Spielern – und auch bei vielen Unternehmen, die verstanden haben, den Trend um Pokémon Go gewinnbringend für sich zu nutzen.
Das Spiel basiert auf Augmented Reality, das heißt die reale Welt wird um künstliche Zusätze wie virtuelle Objekte, Bilder, Videos – oder eben kleine Monster – ergänzt. Pokémon Go hat die Nischentechnologie mit einem monströsen Tritt Richtung Mainstream befördert. Die Spieler navigieren via Smartphone durch die reale Welt, sehen auf ihrer Handykamera dann in die echte Welt projizierte digitale Wesen, die sie jagen, sammeln und gegeneinander kämpfen lassen können. Das Spiel hat kurz nach dem Start im Juli einen weltweiten Hype ausgelöst – mit Download-Rekordzahlen, in die Höhe schnellenden Börsenwerten und Menschenmassen, die wie verrückt auf öffentlichen Plätzen und Straßen spielen. Zu Spitzenzeiten hatte das Spiel täglich fast 50 Mio Nutzer weltweit. Die verantwortliche Firma Niantic hat damit den Meilenstein in Sachen Augmented Reality im Alltag gesetzt. Doch wie kann der Handel davon profitieren?
Die App an sich ist kostenlos; wollen die Monsterjäger jedoch schnell im Spiel aufsteigen, empfiehlt es sich in sogenannten Pokéstops virtuelle Hilfsmittel wie Tränke zu kaufen. Außerdem müssen die Spieler auch in die Arenen, um dort zu kämpfen und ihre Pokémon weiterzuentwickeln. Und diese beiden Orte konnten für viele Händler und vor allem auch Gastronomen zu einer kleinen Goldgrube werden: Denn wenn ein Pokéstop oder eine Arena zufällig in der Nähe eines echten Geschäftes ist – was liegt da näher, als die Massen vor Ort in den eigenen Laden zu locken? So haben zum Beispiel verschiedene Restaurants und Bars Sonderangebote für Pokémon-Spieler eingeführt, falls diese sich von der Monsterjagd stärken wollen.
Wenn die Kunden eh schon von selbst vor der Tür stehen, kann nahezu jeder Händler oder Dienstleister von dem Spiel profitieren: Ein Optiker, der einen kostenlosen Sehtest bietet, damit auch keine Pokémon übersehen werden oder das Massagestudio, das halsstarren Spielern Entspannung anbietet. Mobilcom-Debitel bot den Spielern auf dem Berliner Alexanderplatz an, ihre Smartphone-Akkus kostenfrei wieder aufzuladen. In einigen Geschäften wurden Ladestationen installiert und vorgeladene Akkus ins Sortiment aufgenommen.
Auch in Geschäften verstecken sich Pokémons. Das Kaufhaus Breuninger bot den Spielern in einer Aktion Einkaufsgutscheine, wenn sie dort auf Jagd gingen. Takko hat in einer Aktion in jeder zweiten Filiale Fotos von Pokémons versteckt und die Finder ebenfalls mit Einkaufsgutscheinen belohnt. Die Gelben Seiten bieten online eine Übersicht mit sämtlichen Pokéstops und Arenen in Deutschland. Die niederländische Supermarktkette Albert Heijn hat eine Karte entwickelt, die Pokémons vor oder in ihren Filialen zeigt. „Die Beteiligung an Pokémon Go hat angesichts des derzeitigen Hypes durchaus Potenzial, gerade jüngere und internetaffine Kundschaft in die Läden zu holen“, sagt Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Für Spieler steigere das das Einkaufserlebnis und die Verbundenheit zu den Geschäften vor Ort, so Hertel weiter.
Spielehersteller Niantic hat mittlerweile das Potenzial erkannt und bietet Unternehmen die Möglichkeit, eine „Sponsored Location“ zu werden. Der erste große Deal wurde bereits geschlossen: In Japan werden alle rund 3.000 McDonalds-Filialen zu solchen Sponsored Locations mit einem Pokéstop für die Spieler. Dort kann McDonalds in der App dann auch Werbung oder andere Inhalte einblenden.
Doch auch Unternehmen, die nicht Sponsored Location werden wollen oder können, haben die Möglichkeit, in kleinerem Stil von dem Jagdinstinkt zu profitieren. Sie können ein so genanntes Lockmodul kaufen, das die Pokémon für immerhin eine halbe Stunde anlockt. Die Kosten dafür sind mit 0,99 Euro pro Modul recht überschaubar, der Effekt kann immens sein. Einer der frühsten Nutznießer, eine New Yorker Pizzeria, konnte so ihren Tagesumsatz um 75 Prozent steigern. Ein Limonadenhersteller legte Lockmodule am Mainzer Rheinufer aus und bot den Spielern eine Verschnaufpause mit Liegestühlen und gekühlten Getränken. Eine Nürnberger Versicherung lotste Spieler zu sich und verloste dort eine Power Bank. Und wenn die Monster nicht zu einem kommen, kann man die Spieler natürlich auch zu ihnen bringen: Tourismus-Veranstalter haben Touren angeboten zu den beliebtesten Pokémon-Fundorten.
Weitere Möglichkeiten für Händler und Unternehmen:
- Aktionen oder Produkte, die auf das Phänomen anspielen (Die Tierschutzorganisation WWF wirbt mit ihrem Slogan „Pokémon are real“ für das Retten von echten Tieren. Tierheime haben dazu aufgerufen, beim Spielen nebenbei Hunde auszuführen. Der Tierpark Neumünster hat eine Pokémon-Event veranstaltet, bei dem die Besucher unter anderem die kleinen Monster echten Vorbildern zuordnen sollten. Die Tourismusabteilung der Stadt Basel hat mit als Pokémon verkleideten Schauspielern einen viralen Video-Hit bei YouTube gelandet.)
- Die Spieler auffordern, ihre gefangenen Pokémon auf der Facebook-Seite des Unternehmens oder ihrer eigenen Seite zu posten und die Firma dabei zu markieren
- Foto-Wettbewerbe, in denen auf kreative und witzige Weise die eigenen Produkte eingebunden werden sollen
- Spezielle Rabattaktionen (Fitnesstudios haben individuelle Rabatte angeboten, je nachdem wie viele gelaufene Kilometer der Interessierte bei Pokémon vorweisen konnte)
Das Spiel hat gezeigt, wie eine gewaltige Masse an kaufkräftigen Menschen verschiedenen Alters und Geschlecht in Bewegung, auf die Straße und zum stationären Handel gebracht werden kann. Händler, die bei Pokémon Go bereits ausprobiert haben, welche Marketing-Idee ankommt, sind künftig einen kleinen Schritt voraus. Denn auch wenn der Hype um das Spiel mittlerweile wieder abflaut – die nächsten Spiele bzw. Anwendungen liegen schon in der Schublade. Dann kommt es drauf an, entweder gleich zu Beginn mit einer guten Idee zu punkten und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder über andere Wege, die eigene Marke längerfristig und authentisch mit dem neuen Trend zu verbinden.
In unserer neuen Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:
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