Retail-as-a-Service – Nische oder Retter des Einzelhandels?

von Gastautor am 18.Februar 2021 in News, Trends & Analysen

Blick in den _blaenk Store in Köln, der eine Wohnzimmeratmosphäre bietet (Bild: PR)

Schon häufiger haben wir an dieser Stelle über Retail-as-a-Service geschrieben – ein Konzept, bei dem Startups wie b8ta, _blaenk oder Vaund mit einer neuartigen Idee Handelsflächen bespielen: Sie verstehen sich selbst nicht als Händler, die bei Markenherstellern zu Großhandelspreisen einkaufen, sondern vielmehr als Serviceanbieter für Hersteller und Marken. Dabei erhalten sie für die Integration der Marken auf ihren Flächen üblicherweise eine Service-Pauschale sowie oft auch eine Umsatzprovision pro verkauftem Teil. Doch ist das wirklich die Rettung des Handels? Retail-Experte Dennis Kallerhoff von shopping24 ist skeptisch. Eine kritische Analyse.

Von Dennis Kallerhoff

Verkaufen Nebensache. Ein neuer Ansatz für den stationären Handel

„Man wirft seine Produkte in ein schwarzes Loch und hat wenig bis keinen Einfluss darauf, wie die Ware aufgestellt, zu welchem Preis sie angeboten und wie sie beworben wird.“
Klingt wie die Einschätzung eines E-Commerce Fans und eines Skeptikers des stationären Handels.

Weit gefehlt! Die Aussage stammt von Phillip Raub, einem der Gründer von b8ta. Das Unternehmen ist Pioneer des Konzeptes Retail-as-a-Service (RaaS), ein neuer Ansatz Produkte im stationären Handel zu vermitteln.

Phillip Raub und seine beiden Co-Gründer arbeiteten bei Nest, einem Unternehmen für vernetzte Thermostate, welches inzwischen zu Alphabet gehört. Sie haben in ihrer Zeit dort viel über den stationären Handel gelernt – vor allem gelernt, was nicht funktioniert.

  • der Händler beansprucht die Beziehung zum Endverbraucher für sich allein
  • als Hersteller erhält man kaum Daten zum Kundenverhalten
  • Verkaufszahlen erhält man erst mit wochenlanger Verzögerung

Der stationäre Handel kann mehr als er heute zeigt. Das Trio wollte es besser machen und einen stationären Händler aufbauen, der als Dienstleister der Hersteller arbeitet. Ausstellungsflächen managed, Daten sammelt, Kunden gut berät – und vor allem ein Geschäftsmodell unabhängig vom Verkauf der Produkte aufbaut.

Voilà, b8ta entsteht.

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Das Team sammelte bisher Fundings von über 93 Mio. USD ein und eröffnet 2015 der ersten Store in San Francisco. Heute betreibt das Unternehmen 25 eigene Stores in den USA, Japan und Dubai und zusätzlich über 70 Store-in-Store Konzepte. Den Store in San Francisco habe ich 2017 selbst erlebt und dort viel Zeit verbracht.

Wie funktioniert das Konzept?

Das Konzept Retail-as-a-Service beinhaltet normalerweise folgende Komponenten:

  • Store: Der Anbieter managed den Store, stellt und schult das Personal, welches sich hervorragend mit den Produkten auskennt. Die Räume sind modern und weitläufig gestaltet, so dass jedes Produkt Platz zum Wirken hat.
  • Sortiment: Das Sortiment ist überschaubar und wechselt monatlich. So bleibt der Store auf für Stammkunden interessant. Meist sind die Produkte erklärungsbedürftig, anfangs v.a. aus dem Technikbereich.
  • Kunden: Kunden können die Produkte ausprobieren und erhalten über Tablets, Displays oder ähnliches Informationen zum Produkt. Das Personal steht für weiterführende Fragen zur Verfügung.
  • Transaktion: Produkte können entweder im Laden gekauft werden oder irgendwo online. Die Stores sind nicht auf die Transaktion ausgelegt, es geht darum erklärungsbedürftige Produkte erlebbar zu machen.
  • Daten: Die Läden sind mit hochauflösenden 3D-Kameras ausgestattet, im 1. b8ta-Laden in San Francisco hängen 24 davon. Sie beobachten unentwegt, wie die Kunden mit den Produkten hantieren, was sie ausprobieren und wie lange sie sich damit beschäftigen. Zusätzlich protokollieren die Berater nach den Gesprächen, (a) welche Fragen der Kunde gestellt hat und welche Kommentare er abgegeben hat. Die Daten werden den Herstellern zur Verfügung gestellt.
  • Geschäftsmodell: Um die Produkte auszustellen, zahlen die Hersteller eine monatliche Miete, die zwischen 500€ – 3.000€ liegt.

b8ta ist Vorreiter in diesem Markt, inzwischen gibt aber zahlreiche Unternehmen die vergleichbare Dienstleistungen anbieten. International sind v.a. Neightborhood Goods oder Showfields in den USA zu nennen.

So sieht es in einem Store von Vaund aus (Foto: PR)

In Deutschland hat in Hannover das Team von Vaund ihren ersten Store aufgemacht, mit 250 Produkten von 80 Herstellern auf 750 Quadratmetern. Ein zweiter Shop in Hamburg war in Planung. Dann kam Corona.

Der schwierige Weg aus der Nische und die Wette auf Alternative Erlösströme

Ist Retail-as-a-Service der Retter des stationären Handels? Eher nicht, dazu aber später mehr! Es ist aber ein Konzept, welches den stationären Handel facettenreicher macht. Welche Trends sprechen für das Konzept, welche dagegen?

Steigende Anzahl von D2C Brands (Pro): Die Anzahl der D2C-Brands steigt, häufig sind es Unternehmen mit nur eine Handvoll von Produkten, die besonders gut inszeniert werden. Normalerweise sind D2C-Brands etwas für die Nische und werden von kleinen Teams mit einem geringen Kostenblock betrieben. Über den stationären Handel kann das Produkt seine Zielgruppe vergrößern, wenn dies zu geringen und variablen Kosten möglich ist. Der Betrieb eigener PopUp-Stores inkl. Personal würde nicht zum Konzept der D2C-Brands passen.

Schwierige Unit Economics (Contra): Ich verstehe noch nicht, wie das Modell skaliert und so wirtschaftlich erfolgreich werden kann. Wachstumshebel sind (a) mehr Produkte im Store, (b) mehr Stores und (c) höhere “Mieten” an die Hersteller.

  • (a) Mehr Produkte klappt nur bis zu einem gewissen Grad. Ansonsten kann die Beratungsqualität der Mitarbeiter nicht auf hohem Niveau gehalten und einzelne Produkte nicht inszeniert werden.
  • (b) Mehr Stores führt zu höheren Fixkosten, die vorfinanziert werden müssen. Außerdem eignet sich das Konzept nicht für jede Stadt. Die Anzahl möglicher Stores ist limitiert. Gleichzeitig wirken Stores nur lokal, haben also ein begrenztes Einzugsfeld.
  • (c) Preise können erhöht werden, allerdings limitiert das irgendwann das relevante Sortiment.

Ich glaube an das Konzept Retail-as-a-Service und würde persönlich die Stores besuchen. Das Geschäftsmodell passt in die Zeit, enthält digitale Elemente und bringt wirklich gute Beratung in den stationären Handel.

Nur: ich sehe nicht wie dieses Modell aus der Nische herauswachsen kann.

Auch b8ta ist noch den Beweis schuldig, dass dieses Modell Geld verdienen kann. Es ist total ok, ein kleines, aber feines Geschäftsmodell zu haben. Dazu passt nur nicht, dass b8ta Risikokapital in Höhe von fast 100 Mio. USD aufgenommen hat, zuletzt in einer Series C 50 Mio. USD.

Gehen wir davon aus, dass Investoren einen Multiple von 10x auf ihr eingesetztes Geld sehen wollen und B8ta in der letzten Runde eine Bewertung von 200 Mio. USD pre-money hatte, dann muss das Unternehmen auf einer Marktkapitalisierung von über 2,5 Mrd. USD kommen. Schwierig!

Es sei denn, das Geld kommt gar nicht aus den eigentlichen Betrieb der Shops, sondern aus alternativen Erlösströmen.

b8ta hat mittlerweile auch eine Plattform gelauncht, mit den Händler und Immobilienbesitzer selber Retail-as-a-Service Operations betreiben können.

In conjunction with its Series C, the company is announcing the launch of Ark and its flagship product, Ark Marketplace, a technology platform to enable retailers and retail landlords to operate their own Retail-as-a-Service concept. With Ark Marketplace, any retailer or landlord will be able to apply the same technology platform found in b8ta stores today to monetize the marketing value of their floorspace.

Auch im BrandEins-Artikel “Der direkte Weg zum Kunden” deutet der Vaund-Gründer an, dass das Team alternative Erlösströme im Hinterkopf hat:

Münden sollen die gesammten Daten [der Stores] in ein Modell, das zeigt, wie man als Händler seine Fläche bestmöglich monetarisieren kann. “Am Ende”, sagt Michael Volland, “wollen wir unser Wissen verkaufen.”

Long story short

Ich finde das Modell faszinierend, glaube aber nicht, dass mehr als max. 1-2 RaaS-Unternehmen aus der Nische herauswachsen können. Der Aufbau alternativer Erlösströme kann für eine kleine Anzahl von RaaS-Unternehmen funktionieren, allerdings nicht für alle. Consulting skaliert nicht einfach und 20 Software-Lösungen für RaaS braucht der Markt auch nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter Commerce Operations von Dennis Kallerhoff – kostenloses Abo hier!

Über den Autor:

Dennis Kallerhoff ist CEO des shopping24 commerce network. Das Unternehmen gehört zur Otto Group und betreibt ein Netzwerk aus Produktsuchmaschinen und reichweitenstarken Publishern. Kallerhoff ist seit 2006 im E-Commerce tätig. Zuvor hatte er u.a. das Gutscheinportal Dealzeit.de gegründet und betrieben.


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