Retail Media: Wie Marken in Onlineshops werben.
von Florian Treiß am 01.August 2019 in Marktplätze, News, Retail Media, Trends & AnalysenWussten Sie schon, wer die drei größten Anbieter von Onlinewerbung in den USA sind? Google, Facebook und — Überraschung: Amazon. Denn das Werbegeschäft des Onlinehändlers wächst rasant, laut einer eMarketer-Studie stieg der Werbeumsatz von Amazon in den USA im vergangenen Jahr um 144,5 Prozent. Amazon ist damit Wegbereiter einer neuartigen Werbegattung namens „Retail Media“. Was diese Werbeform so spannend macht, verrät diese Leseprobe aus unserem kostenlosen Whitepaper „Marketing-Trends für Händler und Marken“
Was Retail Media so attraktiv und spannend für Hersteller und Marken macht:
Schon mehr als die Hälfte aller Produktsuchen im Internet finden nicht mehr in einer klassischen Suchmaschine wie Google statt, sondern direkt in Onlineshops und Marktplätzen wie Amazon, so eine Studie von Jumpshot. Nichts ist also naheliegender als direkt dort zu werben, wo der Kunde nach Produkten sucht und sie in diesem Fall auch umgehend kaufen kann.
Sichtbarkeit in Multilabel-Shops steigern
Die Challenge dabei für Hersteller und Marken: Ihre Produkte werden zwar oft in dutzenden Multilabel-Shops von Amazon über Otto bis Zalando gelistet. Doch das heißt noch lange nicht, dass die Produkte dort auch gefunden werden: „Die Marke ist unter Tausend anderen erst einmal unsichtbar. Aus dieser Unsichtbarkeit kommt man am besten durch Retail Media heraus. Man braucht nur wenig Werbeeinsatz für deutlich mehr Umsatz“, sagt Tarek Müller, Gründer und Geschäftsführer von About You.
Kaufwahrscheinlichkeit steigt deutlich
Heißt unterm Strich: Onlinehändler bitten Marken zur Kasse, um Ihre Produkte im Onlineshop besser zu platzieren als die der Konkurrenz, und so den Abverkauf zu steigern. Man könnte sagen, das Modell des klassischen Handzettels mit Wochenangeboten wird hier in die digitale Welt übertragen. Und dieses Konzept geht offensichtlich auf: Mit Retail Media wird die Kaufwahrscheinlichkeit um 125 Prozent erhöht, hat jüngst eine Eye-Tracking-Studie von FH Wedel und heyconnect gezeigt, die allerdings nicht repräsentativ ist. Zugleich zeigt diese Studie, dass durch Retail Media auch die Markenbekanntheit gesteigert werden kann. Julian Schmolz, Head of Retail Media bei Heyconnect, fasst das Ergebnis der Studie so zusammen: „Marken, die nicht im Relevant-Set der Kunden sind, gehen auf den großen E-Commerce-Plattformen unter. Retail Media bietet eine große Chance für Marken, sich aktiv in den Fokus einer kaufbereiten Zielgruppe zu rücken.“
Retail Media: Die verschiedenen Werbeformen
Die Bandbreite an Werbeformen im Bereich Retail Media wird immer größer. Diese Formate sollten Sie kennen:
– „Gesponsorte Produkte“ z.B. bei Amazon: Diese Werbeform ähnelt der Suchmaschinenwerbung bei Google und erscheint, wenn Kunden auf Amazon per Suchmaske nach einem bestimmten Produkt suchen. Eingeblendet werden die „gesponsorten Produkte“ dabei direkt oberhalb, innerhalb und neben den organischen Suchergebnissen. Zudem werden sie auf den Produktseiten anderer Produkte angezeigt, um Kunden auch auf Konkurrenzprodukte aufmerksam zu machen. Diese Werbeform wird nicht nur von großen Marken gern genutzt, sondern vor allem auch von Händlern auf dem Amazon Marketplace.
– Display- und Video-Werbung: Marken und Hersteller können auch eher klassische Banner- und Video-Werbung auf vielen Händler-Websites schalten. Diese verlinken dann oft nicht auf die Website des Herstellers selbst, sondern auf eine Landingpage innerhalb des jeweiligen Onlineshops, wo man die beworbenen Produkte dann direkt kaufen kann. Dies kann wahlweise z.B. eine spezielle Kampagnenseite sein, ein Link direkt in eine bestimmte Shop-Kategorie, wo dann nur die Produkte dieses spezifischen Herstellers angezeigt werden, oder auch auf einen Markenshop innerhalb des Onlineshops (siehe auch nächster Punkt).
– Markenshops bedienen sich der Shop-in-Shop-Logik, die schon aus dem stationären Handel bekannt ist: Dort können sie sich auf einer eigenen Fläche präsentieren, ohne das Konkurrenzprodukte zu sehen sind. Auf Onlineshops übertragen bedeutet das: Marken können eine eigene Unterseite in einem bekannten Onlineshop einrichten, die dann nur Produkte von diesem Unternehmen anzeigt. Amazon lockt Hersteller zum Beispiel damit, dass sie dort Ihre Markengeschichte und Ihr Produktportfolio in einem besonderen Look & Feel präsentieren können.
– Individuelle Lösungen mit Native Advertising, Influencer Marketing und Branded Content haben sich in Deutschland vor allem About You und Zalando auf die Fahne geschrieben: So schickten About You, das Land Panama und Lufthansa die Influencerin Debi Flügge mit einem Koffer voll About-You-Kleidung in den Urlaub und zeigten die Fotos und Videos des Trips als Story im Onlineshop. About-You-Chef Tarek Müller sagt: „Wir können nativere Integrationen bieten. Bei uns gibt es keine Trennung zwischen Content und Produktempfehlungen, da alle Inhalte darauf abzielen, Produkte und Marken zu empfehlen.“ Zalando wiederum betreibt unter dem Namen Collabary einen eigenen Service, der Marken mit Influencern zusammenbringen soll. Wie das funktioniert, zeigen wir in einer Case Study von Under Armour auf mobilbranche.de.
– Produkt-Kollaborationen geben Marken eine ganz besonders hohe Sichtbarkeit in Onlineshops: Dabei handelt es sich um Produkte, die exklusiv über nur einen einzigen Shop vertrieben werden. Keller Sports hat hierfür eigenes die neue Plattform Keller x geschaffen. Zalando konnte vergangenes Jahr anlässlich seines 10. Geburtstags gleich mehrere Marken für exklusive Kollektionen gewinnen, darunter Puma. About You wiederum verkündete im Februar 2019 eine strategische Partnerschaft mit Disney, die gleich mit einer ersten exklusiven Kollektion gefeiert wurde (siehe Foto ganz oben).
Dynamischer Markt
Der Markt für Retail Media ist sehr vielfältig und die Entwicklung des Segments hoch dynamisch: Laut einer Studie von Netzwerk Reklame ist Retail Media derzeit die am schnellsten wachsende Werbegattung in Deutschland. 2018 hat das Segment demnach einen Werbeumsatz von 550 Mio Euro erreicht und soll dieses Jahr auf 800 Mio Euro wachsen. Zugleich konsolidiert sich der Markt bereits: MediaMarktSaturn stampft seine erst 2017 gegründete Retail Media Group (RMG) nach zwei Jahren wieder ein. Die 2015 gegründete Otto Group Media, die für nutzerbasierte Vermarktung und Aussteuerung von Werbeflächen auf den reichweitenstarken Plattformen der Otto Group und Partnerseiten steht, ist hingegen auf Wachstumskurs und plant nun ein Joint Venture mit dem Vermarkter Ströer: In der neuen OS Data Solutions sollen mehr als 50 Millionen Datensätze der Otto Group und von Ströer gebündelt werden. Damit entstünde einer der größten deutschen Datenpools für Login, E-Commerce und Behavior Daten.
„Die Werbekunden profitieren von einer hohen Targeting-Qualität bei maximaler Reichweite und Umfeld-Qualität. Und das bei maximalem Schutz der Daten für Kunden und Partner“, sagt Torsten Ahlers, Geschäftsführer Otto Group Media, zu den Plänen. Es tut sich also was im Bereich Retail Media und die Werbegattung wird für Marken immer spannender, wie auch Thomas Herrmann vom Fachkreis Online-Mediaagenturen (FOMA) im BVDW attestiert: „Mit ihren teilweise sehr hohen Reichweiten und der unmittelbaren Platzierung im Wettbewerbsumfeld, ermöglicht Retail Media viele Optionen, um über die reine Optimierung der Kosten-Umsatz-Relation hinaus additiven Umsatz zu generieren.“
REWE überträgt Retail Media in den LEH
Ein Hidden Champion im Bereich Retail Media ist zudem REWE: Der Lebensmittelhändler hat eine eigene Unit gegründet, die Herstellern und Marken spannende Werbeumfelder innerhalb der REWE-Reichweite anbietet. Dadurch wird das Konzept des klassischen Handzettels, bei dem oft Werbekostenzuschüsse der Hersteller für die beworbenen Produkte an den jeweiligen Händler fließen, ins Digitale übertragen.
„Wir legen Wert auf einen umfassenden Omnichannel-Ansatz, denn wir glauben, dass es in Zukunft die klassische Unterscheidung zwischen Online- und Offline-Händler nicht mehr so geben wird. Mit wöchentlich mehr als 27 Millionen Kunden in unseren Rewe-Märkten vor Ort, unserem E-Commerce-Angebot aus Lieferservice, Abholservice und Spezial Shops sowie sehr viel organischem Traffic auf unseren Social-Media-Kanälen und Websites sind wir natürlich schon gut aufgestellt“, so Johannes Steegmann, Geschäftsführer und CMO von Rewe Digital, in einem W&V-Interview dazu.
Die Kampagne „Ideen vom Wochenmarkt“ von REWE Retail Media und der Marke Maggi wurde vergangenes Jahr sogar mit dem ECR Award ausgezeichnet: „Die Maggi-Kampagne war eine tolle Möglichkeit, diverse Kommunikationsmöglichkeiten einzusetzen und im Anschluss den Erfolg der Kampagne gemeinsam mit Maggi auf Basis von Media-, Scanner und Payback-Daten zu analysieren“, sagte Sven Angel, Leiter REWE Retail Media, zur Auszeichnung.
Zusammenfassung
- Retail Media ist derzeit die wachstumsstärkste Werbegattung in Deutschland und steht für Werbung von Marken und Marktplatzteilnehmern direkt in Onlineshops und auf Online-Marktplätzen. Die wichtigsten Anbieter sind Amazon Advertising, Otto Group Media, Zalando Marketing Services und About You Media Solutions. Aber auch im Lebensmitteleinzelhandel ist Retail Media auf dem Vormarsch, wie das Bespiel von REWE Digital zeigt. Dabei wird das klassische Handzettelmodell auf die digitale Reichweite und die Monetarisierung des Web-Traffics übertragen.
- Die Suche nach Produkten findet heute immer häufiger nicht in Suchmaschinen, sondern direkt auf Shopping-Plattformen statt. Marken, die hier werben, profitieren von einer besonders hohen Kaufabsicht und können den Abverkauf durch Werbung auf den Shopping-Plattformen steigern, wie erste Studien belegen.
- Gerade große Marken setzen verstärkt auf maßgeschneiderte Kooperationen mit Shopping-Plattformen. Hierbei spielen Branded Content, Influencer Marketing und exklusive Kollektionen, die nur über die Partner-Plattform vertrieben werden, eine wichtige Rolle.
Lesetipp
Dieser Beitrag erschien zuerst im Whitepaper „Marketing-Trends für Händler & Marken – Mobile & Social Commerce sowie Retail Media erfolgreich nutzen“ von GS1 Germany, Location Insider und mobilbranche.de. Lesen Sie in dem Whitepaper außerdem folgende Themen:
- Die Evolution von E-Commerce zu M-Commerce
- Case Study: Wie Under Armour sein Image mit Influencern stärkt
- Künstliche Intelligenz im Einzelhandel
- One Shop Fits All: Vorteile von Marktplätzen nutzen
- Mehr Struktur, Orientierung und Inspiration in Webshops durch Online Category Management
Das Whitepaper „Marketing-Trends für Händler & Marken“ können Sie hier kostenlos herunterladen!
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