Shoppen 2035: Wie technologischer Fortschritt den Einzelhandel revolutionieren könnte

von Partnerunternehmen am 14.März 2023 in Partnerbeitrag, Trends & Analysen

Von Lea Pahne, Experience Lead bei Demodern

In der letzten Dekade hat sich die Art und Weise, wie wir einkaufen, stark verändert, da immer mehr Menschen ihre Einkäufe online tätigen. Dieser Trend hat erhebliche Auswirkungen auf traditionelle Ladengeschäfte in den Stadtzentren. Viele der einstmals blühenden Einkaufsviertel kämpfen heute ums Überleben. Der Niedergang von Galeria Karstadt Kaufhof und die jüngsten Schließungen der Mytoys-Filialen sind nur zwei Beispiele dafür. Die von der Cima Beratung + Management GmbH in Auftrag gegebene „Innenstadtstudie Deutschland 2022“ berichtet von einem aktuellen Rückgang der Besucher:innen in den deutschen Innenstädten und Geschäftsvierteln von 28 Prozent.

Woran liegt das? Geschäftszeiten lassen sich kaum mit Beruf- und Care-Arbeitszeiten, beispielsweise für Kinderbetreuung oder Altenpflege, vereinbaren, was dazu führt, dass die Stadtzentren zu den Stoßzeiten überfüllt sind. Die Szenen können mitunter chaotisch sein: gedrängte Umkleidekabinen, Kleidung, die wahllos auf dem Boden liegt, meterlange Schlangen an den Kassen. Für die Innenstadt-Studie wurden mehr als 2.400 Personen zu ihren Einkaufsgewohnheiten und der Attraktivität der Innenstädte in Deutschland befragt. Besonders die unter 30-Jährigen berichten, dass derlei Stress und Hektik das Einkaufen in der Stadt nicht mehr Wert sei. Sie erwarten infrastrukturelle Änderungen, darunter mehr Grünflächen, die Schaffung von Coworking Spaces, sowie mehr Sauberkeit. Der Einsatz digitaler Dienste im stationären Handel bzw. auf der Verkaufsfläche kann wiederum dazu beitragen, sich im Vergleich zum Online-Shopping insbesondere bei der Gen Z zu profilieren. 

Sterben unsere Innenstädte aus?

Wahrscheinlich nicht. Der Besuch in der Innenstadt hat unschlagbare Vorteile gegenüber dem rein virtuellen Einkaufen. Die Interaktion mit echten Menschen kann im Gegensatz zu Computern oder Robotern ein Gefühl der gesellschaftlichen Verbundenheit vermitteln. Selbst der beste KI-getriebene Assistent wird niemals den gleichen Wert im Sozialgefüge haben wie die Meinung einer realen Person – auch, wenn die Beratung einer KI vielleicht punktgenauer sein mag. Physische Zusammenkünfte bieten weiterhin das Potential für ein dynamisches und lebendiges Umfeld, das das Einkaufserlebnis und die Kaufbereitschaft ankurbeln kann. Shoppen gehen wird auch weiterhin eine soziale Aktivität sein, die es uns ermöglicht, Zeit mit Freund:innen zu verbringen oder einfach mal rauszukommen und uns zu bewegen.

So könnte ein Leitbild für urbane Zentren der Zukunft aussehen

Für das nachfolgende Zukunftsszenario stellen wir uns einen strukturellen Wandel der typischen Innenstadt vor, um urbane Räume mit Hilfe von technologischem Fortschritt emotional und qualitativ aufzuwerten. Wir schreiben das Jahr 2035. Städtische Gebäude haben innen wie außen begrünte Dächer und Wände, die auf natürliche Weise isolieren und die Luft filtern. Der öffentliche Transport in die Stadt ist mühelos und schnell, die Innenstädte dadurch verkehrsberuhigter. Auch Verkaufsräume wirken entschleunigt, sind offen gestaltet und ähneln eher einem Ausstellungsraum. Selbst die Art und Weise, wie Kleidung präsentiert wird, ist anders: Gefaltete Regalware und aufgebügelte Kleidung gibt es nicht mehr. Stattdessen werden die Produkte auf unterschiedlichste Art inszeniert. Von klassischen Schaufensterpuppen bis hin zu hochauflösenden Displays, auf denen Outfits hyperrealistisch an einem virtuellen Modell gezeigt werden. Der Vorteil digitaler Produktpräsentation ist, dass die benötigte Fläche ungleich der einer Puppe ist. Auf dem Screen lassen sich Kleidungsstücke austauschen, um in Farbe und Kombination zu variieren. Auch eine klassische binäre Aufteilung nach Geschlecht braucht es nicht mehr, denn die Inhalte der virtuellen Screens können sich anpassen, je nachdem, wer davorsteht. Dies kann entweder manuell durch ein Interface gefiltert werden, oder – bei Bedarf – basierend auf der persönlichen Kaufhistorie oder den personenbezogenen Präferenzdaten. Über Interaktion mit den Displays erfahren Kund:innen Produktdetails, durchsuchen Farb- und Größen-Optionen oder stellen sich virtuell komplette Outfits zusammen. Neben den heute renommierten Interaktionsgesten der gängigen Touchscreens, wie Tippen, Swipen und Pinchen der Finger über dem Display, haben sich neue und natürliche Interaktions-Muster etabliert. Benutzer:innen müssen das reale Gerät nicht mehr anfassen oder berühren und die Interaktion ist nicht mehr nur auf eine 2D-Ebene beschränkt. Vielmehr nutzen Kund:innen eine immersivere Interaktionssteuerung. Sie bedienen die Displays durch Gestik, Sprachbefehle oder sogar Mimik. Virtuelle Gegenstände können durch Handgesten ausgewählt und verändert sowie Sprachanweisungen zum Starten von Aktionen verwendet werden.

Auf hochauflösenden Displays werden Outfits hyperrealistisch an einem virtuellen Modell gezeigt. Quelle: Das Bild wurde mithilfe des KI-Tools DALL-E generiert.

Der perfekte Mix aus digitaler Innovation und persönlichem Service

Dennoch ist das Einkaufserlebnis zukünftig kein rein digitales, sondern „phygital“ – als Hybrid verbindet es das Beste der physischen Welt mit den Vorteilen des Digitalen. Für jede Stoffart- und Farbe gibt es Ausstellungsstücke oder Material-Samples, denn nur indem wir Stoffe anfassen, können wir die Textur, Weichheit oder Dicke feststellen, um zu bewerten, ob dieser für uns geeignet ist. Außerdem gibt die Haptik eines Stoffes ein Gefühl für seine Qualität. Auch Personal arbeitet noch in dem Store, nur der Fokus der Arbeit hat sich geändert. Die Sales-Assitent:innen konzentrieren sich ausschließlich auf die Bindung, Betreuung und Beratung. Es ist Zeit für Gespräche und Austausch, Besucher:innen wird sogar ein Kaffee angeboten. Zwar stehen unzählige Tools und Anwendungen zur Verfügung, die mit Hilfe von KI den perfekten Stil für jeden Haut- und Körpertypen finden, aber der Prozess wird häufig auf Wunsch der Kund:innen von dem Personal begleitet, um ein persönlicheres Einkaufserlebnis zu kreieren.

Volle Transparenz über die Lieferkette: Wie Blockchain-Technologie die Herkunft von Kleidung aufzeichnet

Neben Informationen über den Stil und das Design eines Kleidungsstücks, können die Displays auch Informationen über die Herkunft des Stoffes liefern, die faire Arbeitspraktiken, umweltfreundliche Materialien und Initiativen zur Abfallvermeidung umfassen können. Die Herkunft von Kleidung gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung, da das Bewusstsein für Umweltfragen und ethische Produktionsbedingungen zunehmen und Verbraucher:innen mehr Transparenz in der Lieferkette erwarten. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie kann die Reise eines Produktes nachverfolgt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass jedes Mal, wenn ein Produkt in der Lieferkette den Platz wechselt, die Transaktion in der Blockchain unveränderlich aufgezeichnet wird. Anhand des Protokolls kann überprüft werden, woher das Produkt stammt. Diese Daten können in Echtzeit an eine zentrale Datenbank übertragen werden, so dass der Standort und die Bewegung des Produkts in der gesamten Lieferkette nachvollzogen werden können.

Im Smart Mirror werden Kleidungsstücke durch Augmented Reality mit anderen Farben darstellt. Quelle: Das Bild wurde mithilfe des KI-Tools Midjourney generiert.

Augmented Reality und Smart Mirrors machen Umkleidekabinen obsolet

Die Technologie der virtuellen Anprobe verspricht, den Pain-Points der heutigen Umkleidekabinen entgegenzuwirken. Intelligente Spiegel und Augmented Reality (AR) haben das Potenzial, die Art und Weise, wie Menschen in Modegeschäften Kleidung anprobieren, zu revolutionieren. Sie ermöglichen eine Vorschau zu geben, wie die Kleidungsstücke an Kund:innen aussehen würden, ohne dass diese sie anziehen müssen. Indem das Kleidungsstück mit Hilfe von AR über das eigene Spiegelbild gelegt wird, vermittelt die Technologie einen realistischen Eindruck davon, wie das Textil passen und aussehen wird. Die Entwicklung realistischerer 3D-Visualisierungs-Technologien sowie das Mapping des 3D-Replika auf dem Körper ist so weit fortgeschritten, dass sich das Fallmuster des Stoffes physikalisch korrekt mit der Bewegung und Passform der Personen vor dem Spiegel anpasst. Durch das Greifen des Daumens und Zeigefingers um den Unterarm in einer Aufwärtsbewegung kann der virtuelle Pulloverärmel nach oben geschoben werden.

Keine schweren Einkaufstüten mehr dank Lager in Distributions-Hubs außerhalb des Stadtkerns

Wenn das Outfit gefällt, kann es über die Digitalflächen in den virtuellen Einkaufswagen gelegt werden. Bezahlt wird entweder am Check-out-Schalter im Laden oder der Bezahlvorgang wird automatisch beim Verlassen getriggert. Schwere Einkaufstüten gehören der Vergangenheit an, denn das Lager befindet sich in Distributions-Hubs außerhalb der Stadtgrenze, von denen aus die Last Mile Delivery getriggert wird. Dafür werden Elektro- oder Hybrid-Lieferwagen eingesetzt, welche die gekaufte Ware zur gewünschten Uhrzeit bis an die Haustür liefern. Neben dem Einsatz von GPS und Routen-Optimierungs-Software zur Verringerung der Umweltauswirkungen bei der Auslieferung von Artikeln an die Kund:innen können diese Fahrzeuge auch im Distributions-Hub aufgeladen werden.

Wann könnte diese Vision Realität werden?

Bestimmte Elemente des skizzierten futuristischen Stores könnten eher früher als später realisiert werden, während andere Jahrzehnte der Entwicklung benötigen oder gar nie realisiert werden. Digitale Spiegel und virtuelle Einkaufsführer werden bereits entwickelt und in einigen Geschäften eingesetzt. Andere Technologien, wie selbstfahrende Lieferwagen und die transparente Rückverfolgung eines fairen Handels, könnten jedoch länger brauchen. Da dies von einer Reihe von Variablen wie der technischen Entwicklung, der Nachfrage und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit abhängt, ist es unmöglich, das genaue Jahr zu bestimmen, in dem alle diese Technologien vollständig entwickelt und einsatzbereit sein werden. Aber angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie entwickelt, und der zunehmenden Beliebtheit eines ethischen und ökologischen Lebensstils ist es durchaus denkbar, dass wir in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren eine Variante dieses futuristischen Bekleidungsgeschäfts sehen könnten.

Was können Marken heute tun, um sich auf die Zukunft vorzubereiten?

Die Antwort ist einfach: Erst die Zukunft erahnen, dann einen Prototyp entwerfen. Als erstes sollte ein klares Leitbild entstehen, wie das Einkaufserlebnis für Verbraucher:innen unter Anbetracht des vermuteten technologischen Wandels zukünftig aussehen soll. Hierbei sollten Quellen der Zukunfts-, nicht der Trendforschung einbezogen werden. Während Letztere sich mit einem Horizont von drei bis fünf Jahren befasst, betrachtet die Zukunftsforschung „mögliche Zukünfte“ der nächsten 25 Jahre oder darüber hinaus. Basierend auf dem erstellten Leitbild können Zwischenziele in näheren Zeiträumen abgeleitet werden, die sich sequenziell prototypisch umsetzen ließen, um aus diesen Nutzungsdaten zur Qualitäts- und Leitbild-Verbesserung zu erzielen. Für die Umsetzung ist es wichtig, nicht ausschließlich an die Entwicklung physischer Produkte zu denken. In Zukunft wird es unumgänglich sein, das Sortiment ebenfalls in Form von 3D-Replikationen parat zu haben, um diese in unterschiedlichen Anwendungen einzusetzen, denn die Zukunft der digitalen Darstellung ist dreidimensional.

Alle Abbildungen in diesem Artikel wurden von KI-Bilderstellungs-Programmen generiert.

Bei Interesse kontaktieren Sie die Autorin gern via: lp@demodern.de

Über die Autorin:

Lea Pahne (30) ist Experience Lead bei Demodern, einer Digitalagentur für kreative Technologien und einer der führenden Innovationsagenturen Europas, mit Sitz in Köln und Hamburg. Im Zuge ihrer Arbeit für Kunden wie SAP, WWF, Mazda oder Nestlé, schmiedet und übersetzt sie strategische Produktpläne in konkrete Ausführungsschritte, mit besonderem Augenmerk auf Qualität und Innovation. In den letzten Jahren hat sich Pahne ein umfassendes Wissen über den Markt und Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern – vor allem im Bereich Augmented Reality, aber auch anderen 3D-webbasierten Lösungen – angeeignet. Parallel zu ihrer Arbeit bei Demodern schloss die gelernte Designerin ihren MBA in International Business (Köln und London) 2022 mit Auszeichnung ab. In ihrer Management-Dissertation forschte sie nach Maßnahmen und Rahmenbedingungen für einen ethischen und humanen Umgang mit individuellen Nutzerdaten für die Zukunftsvision des Metaverse. Lea Pahne bei LinkedIn


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