Tiramizoo und das Tagesgeschäft nach dem Same-Day-Delivery-Hype.

von Matthias Hell am 14.Oktober 2014 in Local Heroes

In Deutschland zählt Tiramizoo zu den Vorreitern im Bereich Same-Day-Delivery. Nach ersten Erfolgen ist es mittlerweile etwas stiller um das Liefer-Startup geworden. Das liegt zum einen daran, dass der Handel Same-Day erst lernen muss, zum anderen daran, dass bei Tiramizoo vor allem die stetige Weiterentwicklung des eigenen Produkts auf der Tagesordnung steht. Doch legt der Markt für die taggleiche Zustellung weiter zu.

Tiramizoo-Geschäftsführer Michael Löhr hat das Unternehmen 2010 mitgegründet

Tiramizoo-Geschäftsführer Michael Löhr hat das Unternehmen 2010 mitgegründet

2010 gegründet, ist Tiramizoo auf dem deutschen Markt der Vorreiter für das Thema Same-Day-Delivery. Das Münchner Startup bietet in 18 Städten die Lieferung innerhalb von 90 Minuten an. Dabei verzichtet Tiramizoo auf einen eigenen Fuhrpark und verfügt stattdessen über ein dichtes Vertragsnetz mit Kurierdiensten bundesweit. Geht bei dem Unternehmen ein Auftrag ein, sucht das Tiramizoo-System aus Parametern wie Service-Level, Kundenbewertungen und Preis einen geeigneten Fahrer aus und beauftragt diesen mit der Zustellung. Mit diesem Geschäftsmodell konnte das Startup in den vergangenen Jahren namhafte Händler wie Cyberport, Loden Frey und Media-Saturn als Kunden gewinnen. Auch investorenseitig stieß Tiramizoo auf gute Resonanz: 2012 beteiligte sich der Automobilkonzern Daimler an dem Startup, 2013 stieg zudem der Paketdienstleister DPD mit 20 Prozent ein.

Erst in diesem Jahr wurde es etwas stiller um Tiramizoo. Zwar konnte das Unternehmen unlängst den Startup-Wettbewerb IBM Smart Camp für sich entscheiden, doch blieben weitere große Abschlüsse aus. Wie Geschäftsführer Michael Löhr erklärt, liege das aber nicht etwa am mangelnden Erfolg: so entscheide sich in einigen Liefergebieten inzwischen bis zu 15 Prozent der lokalen Endkunden für die Same-Day-Delivery per Tiramizoo. „Die Voraussetzung ist, dass die Warenverfügbarkeit von den Händlern angezeigt werden kann und dass die Same-Day-Delivery entsprechend beworben wird“, so Löhr. Studien zeigten, dass bis zu 27 Prozent der Premiumkunden bereit seien, für eine taggleiche Lieferung zu bezahlen. Dabei ist die Geschwindigkeit nur ein Aspekt: so entscheide sich rund die Hälfte für eine sofortige Zustellung und der Rest für die Lieferung zum Wunschtermin. Für Löhr ist damit klar: Same-Day-Delivery ist auf dem deutschen Markt längst angekommen.

Händler müssen geschult werden

Für den Erfolg von Same-Day-Delivery ist wichtig, das Händler - wie hier: Cyberport - den Service auch aktiv bewerben

Für den Erfolg von Same-Day-Delivery ist wichtig, das Händler – wie hier: Cyberport – den Service auch aktiv bewerben

Dennoch stellen sich für Tiramizoo im Tagesgeschäft weiterhin Herausforderungen. Eine davon ist die Präsenz von Same-Day-Lieferungen in der Wahrnehmung der Konsumenten. Ein gutes Beispiel ist für Michael Löhr hier Media-Saturn, mit dem Tiramizoo seit diesem Frühjahr im Rahmen eines Pilotprojekts zusammenarbeitet. „Wenn die Mitarbeiter den Kunden gezielt Tiramizoo als Lieferoption anbieten, fällt die Entscheidung recht oft positiv aus – zum Beispiel ist für jemand, der bei Saturn ein 50-Zoll TV-Gerät kauft, die Lieferung innerhalb von zwei Stunden für 20 Euro ein absolut faires Angebot.“ Umgekehrt gebe es Städte, in denen Same-Day-Delivery von den Filialen der Tiramizoo-Handelspartner nicht gut beworben und dementsprechend auch von den Kunden schlecht angenommen werde.

Dabei zeigt sich, dass das Convenience-Produkt Same-Day-Delivery beim Handel nicht zu unterschätzende Lerneffekte benötigt. Das fängt bei den Voraussetzungen in der Warenwirtschaft an und geht über die Einbindung der Verkäufer in die entsprechenden Prozesse bis zur Integration des Premium-Lieferservices in das Verkaufsgespräch. „Das kann dazu führen, dass in einzelnen Unternehmen locker einmal 500 Mitarbeiter für die Einführung von Tiramizoo geschult werden müssen. Aber wir stellen uns dieser Herausforderung“, erklärt Löhr. Das Startup engagiere sich im Rahmen solcher Schulungsmaßnahmen und teste auch regelmäßig mittels Mystery Shopping die Nachhaltigkeit dieser Bemühungen.

Bald Tracking-Informationen verfügbar

Neue Tracking-Features erprobt Tiramizoo auch mit eigenen Lieferfahrzeugen

Neue Tracking-Features erprobt Tiramizoo derzeit mit eigenen Lieferfahrzeugen

Für Tiramizoo selbst steht vor allem die kontinuierliche Verbesserung des eigenen Produkts auf der Tagesordnung. Dabei bemüht sich das Startup, das ursprüngliche Konzept möglichst wenig zu verwässern. Die Verbindung von Instant-Lieferservices mit Onlineshopping-Angeboten – wie in den USA von Instacart vorexerziert oder in Deutschland von MyLane angedacht – findet Geschäftsführer Michael Löhr „interessant“, schließt eigene Angebote aber aus: „Wir verstehen uns im Moment eins-zu-eins als Dienstleister für den Handel.“ Auch an der von einigen Wettbewerbern betriebenen Subventionierung von Same-Day-Zustellungen will sich Tiramizoo nicht beteiligen. „Wir machen weiterhin nur profitable Lieferungen“, so Löhr. Falls es der Konkurrenz mit taggleichen Lieferservices für 5 Euro gelinge, den Markt zusätzlich zu stimulieren, habe man aber natürlich nichts dagegen. Selbst arbeitet Tiramizoo derzeit an der Integration von GPS-basierten Daten, z.B. in Form von Tracking-Informationen und Zustellzeit-Prognosen. Damit komme das Startup nicht nur den Wünschen der Endkunden entgegen, sondern auch den Bedürfnissen der Controller in den Handelsunternehmen.

Weitere Impulse bezieht Tiramizoo von seinen Gesellschaftern. So zählt Daimler seit dem Einstieg bei dem Startup auch selbst zum Kundenkreis von Tiramizoo und nutzt regelmäßig dessen Same-Day-Services beispielsweise für die Lieferung von dringend benötigten Ersatzteilen. DPD wiederum hat Tiramizoo in seinen Expresslieferdienst DPD Now integriert und will auf diese Weise mit dem übermächtigen Marktführer DHL mithalten. Für das Münchner Startup bedeutet die Beteiligung von DPD zudem eine gute Möglichkeit, um Zugang zu weiteren attraktiven Handelskunden zu erhalten. Wie sich somit am Ende des Gesprächs mit Tiramizoo-Chef Michael Löhr zeigt, hat das Thema Same-Day-Delivery zwar vielleicht etwas von seinem Hype-Faktor verloren, hält aber dafür sein Versprechen, dem lokalen Handel durch die schnelle Verfügbarmachung der Waren neue Attraktivität zu bescheren.


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