Vier Erfolgsfaktoren für den digitalen Handel in der Post-Covid-Ära

von Partnerunternehmen am 29.August 2022 in Partnerbeitrag, Trends & Analysen

So erreichen Händler und Marken Wachstum und nachhaltigen Erfolg – Was Unternehmen von den Fast-Commerce-Logiken lernen können

Von Fabian Tönnesmann und Hauke Fricke (Ginkgo Management Consulting)

Die Covid-19-Pandemie hat das Leben und die Lebensumstände weltweit stark verändert und die Digitalisierung bei Verbrauchern sowie bei Handel und Herstellern beschleunigt. So hat der Online-Handel innerhalb eines Jahres die Entwicklung einer ganzen Dekade durchlaufen.

Auch wenn die Expansion in die USA vorerst gescheitert ist, ist eines der europäischen Vorzeigebeispiele für Skalierung in der Post-Covid-Ära der Berliner Lieferdienst Gorillas. Das direkt nach dem ersten Corona-Lockdown im Mai 2020 gegründete Unternehmen konnte innerhalb weniger Monate mit dem Versprechen, Lebensmittel innerhalb von zehn Minuten nach Hause zu liefern, Zehntausende von Kunden begeistern. Das Erfolgsrezept zum damaligen Zeitpunkt: Geschwindigkeit, schnelle Skalierung und ein echter USP. Nicht lange, denn schnell wagten Wettbewerber wie getir, flink, bringoo, bring, GetFaster den Markteintritt. Hinzu kam eine ganze Reihe Unternehmen mit ähnlichem Geschäftsmodell und derselben Sofortlieferungslogik, darunter arive (Non-Food), MAYD (Medikamente), Liefertüte (Kioskprodukte) und First A (Medikamente).

Auch viele andere Unternehmen reagierten stark auf die veränderten Umstände oder wurden neu gegründet. Die Erfolgreichsten passten sich schnell an die neue Situation und den neuen, deutlich digitaleren Markt an und fanden neue Wege, um mit alten und neuen Kunden in Kontakt zu treten.

Auch wenn der Hype um den Fast Commerce bereits wieder abzuflachen scheint und ein Konsolidierungsprozess am Markt zu beobachten ist, lassen sich aus dem kurzfristigen Erfolg und der schieren Masse an Wettbewerbern wichtige Rückschlüsse auf die Logiken der Post-Covid-Ära ziehen.

Die meisten der Fast-Commerce-Unternehmen fokussierten dabei die gleichen Faktoren, die auch Gorillas schnell erfolgreich haben werden lassen:

1. Kommunizierbare Alleinstellungsmerkmale

Um sich bei der Masse an Angeboten zurechtzufinden, muss Kunden ein klarer und einfacher USP kommuniziert werden. Bei Gorillas war dieses die anfängliche Lieferung in weniger als 10 Minuten (heute: „faster than you“). Kunden belohnen unkomplexe Alleinstellungsmerkmale zumeist mit anhaltender Loyalität und einem kostenfreiem Word-of-Mouth Marketing.

2. Agile Umsetzung

Die Anpassung an veränderte Umstände war ein Hygienefaktor im Bezug auf die Geschäftsentwicklung während der Pandemie. Im Dschungel der Regeln und Regeländerungen musste flexibel, pragmatisch und vor allem schnell auf die sich bietenden Möglichkeiten reagiert werden. Aber auch unabhängig von den pandemischen Umständen lohnte sich anhaltender Pragmatismus. Bei Gorillas beispielsweise wurden die flexibilisierten Ausnahmeregelungen für den Lebensmitteleinzelhandel genutzt, um auch sonntags Kunden mit Lebensmitteln zu versorgen und so ein zumindest temporäres Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem stationären Lebensmitteleinzelhandel zu erlangen.

3. Schnelle Skalierung

Aggressive Expansionsstrategien sind nichts Neues. In einem neuen, veränderten Marktumfeld ergeben sich aus einer schnellen Skalierung aber neue Wettbewerbsvorteile, die einige Unternehmen besser zu nutzen wissen als andere. So skalierte Gorillas innerhalb weniger Monate ihren Geschäftsbetrieb in alle großen deutschen Städte und ist mittlerweile sogar in 25 deutschen und 53 europäischen Städten aktiv. Plötzlichen waren die schwarz gekleideten „Rider“ mit den quadratischen Rucksäcken überall.

Eine schnelle Skalierung schafft teils unwiderrufbare, wettbewerbliche Realitäten und nutzt das Momentum der Gründungsphase, um die Kosten der Neukundengewinnung zu senken und sich gleichzeitig als erster in neuen, lokalen Märkten als Platzhirsch zu etablieren. Im Falle von Gorillas gilt dies insbesondere für unattraktivere Tier-2 Städte (in puncto Milieu, Anzahl Bewohner, Kaufkraft, Wachstum, etc.) wie Offenbach, Essen, Fürth oder Heidelberg. Deutschlands Nummer 2, Flink, ist in keiner dieser Städte aktiv und musste sich andere Tier-2 Städte für die initiale Expansion suchen (Wuppertal, Passau, Oldenburg, Aschaffenburg).

4. Operative Exzellenz

Eine schnelle Skalierung kann nur über einen gut geölten Maschinenraum erreicht werden, der zum einen die Unternehmensentwicklung, zum anderen aber auch die Kundenzufriedenheit im Auge behält. Im Falle von Gorillas wurde, wie oben beschrieben, aggressiv an einer schnellen Skalierung des Betriebs gearbeitet, zum anderen aber auch – zumindest in der wichtigen Gründungsphase – minutiös auf die Einhaltung des Markenversprechens (Schnelligkeit – „Lieferung in 10 Minuten“) optimiert.

An welchen Unternehmen sich Entscheider jetzt orientieren können

Gorillas ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe von Unternehmen, die die Post-Covid-Ära zu ihrem Vorteil genutzt haben. Im Falle von Gorillas erwirtschaften nur zwei Jahre nach Gründung sogar einige Mikro-Fulfillment-Center Betriebsgewinne. Nichtdestotrotz steht das Business-Model weiter auf wackligen Beinen und nur die Zeit wird zeigen, wie langfristig überlebensfähig die Unternehmung ist.

Die beschriebenen Erfolgsfaktoren der Post-Covid-Ära lassen sich aber unabhängig vom Beispiel Gorillas betrachten und sind von der Mikrobranche der Sofortlieferdienste anwendbar – sie gelten mit großer Wahrscheinlichkeit sogar gesamtwirtschaftlich.

Beispiel Doctolib

So nutzte beispielsweise auch Doctolib, eine Plattform Termin- und Patientenmanagement, die letzten zwei Jahre, um aggressiv zu wachsen. Insbesondere beim Thema Impfen reagierte das Unternehmen agil und schnell auf die Probleme beim Thema Terminvergabe und positionierte sich als digitaler, kundenzentrierter Player in der historisch nicht digitalen Hausarztbranche.

Aus der Not der mit der Terminvergabe überforderten Hausarztteams heraus entwickelte Doctolib eine gut funktionierende Kundenakquise-Strategie und überzeugte innerhalb kürzester Zeit viele Praxen, Arztprofile auf der Docotlib-Plattform anzulegen und Impftermine einzustellen. Ein Effekt, der bis heute nachhallt, denn viele der Praxen nutzen die Plattform bis heute.

Auf der Kundenseite zeigt sich ein ähnlicher, wohl noch stärkerer Effekt. Bei der verzweifelten Suche nach Impfterminen machte die Doctolib-Plattform mit kurzfristigen Verfügbarkeiten schnell die Runde im Freundeskreis. Doctolib konnte so durch Agilität und klare Alleinstellungsmerkmale (Verfügbarkeit und einfache Benutzbarkeit) schnell und günstig hunderttausende von potenziellen Neukunden auf ihre Plattform locken.

Beispiel Personio

„The Great Resignation“ (deutsch: das große Kündigen) führte im Jahr 2020 und 2021 zu einem sprunghaften Anstieg von Menschen, die in einer von Home Office und/oder Remote Work geprägten Phase ihren Job wechselten. Viele Menschen erkannten die veränderten Ansprüche an ihre Arbeit und ihr Leben und fokussierten sich „freiwillig gezwungenermaßen“ neu.

Personalabteilungen standen plötzlich vor der Herausforderung eine große Zahl neuer Mitarbeiter „remote“ in ihre Unternehmen einzugliedern und Strukturen zu schaffen, in der HR-Services digital zur Verfügung stehen.

Personio half als moderne All-in-One HR-Lösung insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen mit diesen sehr plötzlich entstandenen Herausforderungen umzugehen und nutzte die Post-Covid-Ära, um die entstanden Lücken im Bereich KMU-HR-Software schnell mit einer ausgereiften Software, einem hervorragenden Onboardingprozess sowie exzellentem Kundenservice (Operative Exzellenz) zu besetzen.

So war es dem Personio-Management möglich seine aggressive Expansionsstrategie voranzutreiben und von 3.000 Unternehmenskunden im Januar 2021 auf 5.000 im Mai 2022 zu skalieren und so zu einem der wenigen deutschen Unicorns (Startup mit einer Marktbewertung von über 1 Milliarde US-Dollar) zu werden.

Beispiel SumUp

Obwohl große Kundengruppen des Londoner Bezahlterminal-Startups SumUp im Jahr 2020 empfindliche Umsatzrückgange zu verzeichnen hatten, konnte das Unternehmen trotzdem wachsen. Das lag nicht zuletzt daran, dass Geschäfts- sowie Endkunden plötzlich Kartenzahlungen präferierten, um die Infektionsketten (vermeintlich) effektiv zu unterbrechen.

Gleichzeitig investierte SumUp jedoch auch stark in die Kommunikation ihrer Alleinstellungsmerkmale (kostengünstige Abwicklung von Kartenzahlung für Mikro- und Nano-Händler). Außerdem wird versucht B2B Kunden die Anschaffung und Inbetriebnahme der Terminals möglichst einfach zu machen. So werden die SumUp Bezahlterminals seit geraumer Zeit direkt bei Saturn und Mediamarkt angeboten – und das unter Herstellungspreis.

Im Bereich „Operative Exzellenz“ arbeitete SumUp in den letzten Jahren stark an einer End-to-End-Ökosystemlösung. Die Serviceplattform unterstützt die B2B-Kunden dabei, von der iPad-Kasse über Invoice-Accounting und Online-Store bis zu Vouchers, gesamtheitlich im Bereich On- und Offlinebezahlung. Ein Angebot, das viele kleine Händler, die das Verlangen ihrer Kunden nach Kartenzahlungen zunächst in der Post-Covid-Ära kostengünstig befriedigen wollten, gerne angenommen haben.

Fazit: Nachhaltiger Erfolg in der Post-Covid-Ära

Der Beachtung der o.g. Erfolgsfaktoren (kommunizierbare Alleinstellungsmerkmale, agile Umsetzung, schnelle Skalierung und operative Exzellenz) hilft Unternehmen bei der Realisierung von Wettbewerbsvorteilen in einem digitalen Winner-takes-it-all-Umfeld. Viele Unternehmen, die sich in den letzten zwei Jahren an diesen Faktoren orientiert haben, ernten heute die Früchte ihrer Arbeit in Form schnell wachsender Umsätze. Zudem sind diese Arbeitgeber für eine sinngetriebene, nach Wirksamkeit strebende, achtsame und durch eine von Covid-19 geprägte Young-Professionals-Generation, die nun in den Arbeitsmarkt drängt, äußerst attraktiv.

Wer nachhaltigen Erfolg im Digitalen Handel erreichen will und Wachstum erzielen möchte, wird sich in den kommenden Jahren den vier genannten Faktoren nicht verwehren können und sollte schon heute die Weichen in diesen Bereichen stellen. 

Ginkgo Management Consulting hat mit dem „Commerce Builder“ eine eigene Unit rund um das Thema Commerce gegründet. Bei Fragen kontaktieren Sie uns gern:

Fabian Tönnesmann: fabian.toennesmann@ginkgo.com

Hauke Fricke: hauke.fricke@ginkgo.com

Über die Autoren: 

Fabian Tönnesmann (38) ist Partner bei der international tätigen Ginkgo Management Consulting GmbH, Teil der Eraneos Group, in Hamburg. Zuvor absolvierte er zunächst seinen Master in Economics an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, sowie den Bachelor Marketing & Kommunikation in Berlin. Danach verantwortete er bei Accenture Interactive den Bereich Interactive Advisory für den DACH-Raum, eine 70-Menschen starke Beratungseinheit mit Schwerpunkt Experience, Marketing und Digital Commerce-Beratung. Die E2E-Transformation des digitalen Vertriebs von B2B und B2C-Unternehmen aller Industrien begeistert ihn seit nunmehr 10 Jahren. Bei Ginkgo / Eraneos Group verantwortet Tönnesmann das Thema ‚Digital Commerce‘ unter dem Namen ‚Eraneos Commerce‘.

Hauke Fricke (32) ist Senior Manager bei der international tätigen Ginkgo Management Consulting GmbH, Teil der Eraneos Group, in Hamburg. Zuvor schloss er zunächst in Mainz und Straßburg das Bachelor-Studium Politik & Wirtschaft ab, darauf folgte ein Master in Business Administration in Berlin. Danach war er Fricke bei der Boutique-Beratung dgroup sowie später bei Accenture Strategy & Consulting tätig, wo er Kunden bei digitalen Transformationsprojekten mit Schwerpunkt auf Digital Commerce, Digital Business Model Innovation und Business Building beriet. Dabei lag der Fokus immer darauf schnell, greifbare Ergebnisse zu erzeugen, die auf Top- und Bottom-Line-Verbesserung zielen. Die große Passion von Fricke ist es, cross-funktionale Teams zu bauen, die Performance und Spaß gleichermaßen antreiben. Bei Ginkgo / Eraneos Group baut Fricke das Thema ‚Digital Commerce‘ unter dem Namen ‚Eraneos Commerce‘ mit auf.


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