„Volatilität ist das New Normal im Handel“: Kai Heck von bonprix im Interview.

von Kay Ulrike Treiß am 15.Dezember 2021 in Interviews, News

“Agile und flexible Steuerung bleiben die Leitplanken unseres wirtschaftlichen Handelns“, sagt Kai Heck, Geschäftsführer Finanzen, IT & Services bei bonprix, einem in 30 Ländern aktiven Modeanbieter der Otto Group. Den Hauptanteil des Umsatzes von zuletzt 1,76 Milliarden Euro macht mit rund 88 Prozent der E-Commerce aus, zudem ist bonprix auch noch im Mail Order sowie mit seiner Connect-Filiale in Hamburg aktiv. Wir haben Kai Heck nach seinem Fazit für 2021 sowie einem Ausblick für 2022 gefragt.

Location Insider: Welche schönen oder erfolgreichen Momente hatte das Jahr 2021 aus Händlerperspektive und warum?

Kai Heck: Aus wirtschaftlicher Perspektive war 2021 für bonprix ein erfolgreiches Jahr. In den rund 30 Ländern, in denen wir mit Webshops präsent sind, gibt es gesellschaftlich und kulturell ganz unterschiedlich ausgeprägte Onlineaffinitäten. Seit dem Start der Pandemie sehen wir hier in zahlreichen Märkten einen „Digitalisierungsboost“. In Italien, Polen und Tschechien haben wir beispielsweise durch diesen Effekt besonders starke Zuwächse verzeichnet – sowohl im Umsatz als auch in der Neukund*innenentwicklung. Unser Geschäftshalbjahr, das am 31.8. endete, konnten wir erfreulicherweise insgesamt mit einem Umsatzwachstum in Höhe von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abschließen.

Dankbar bin ich für die großartige Zusammenarbeit in unserem Team und mit unseren Partnern und Lieferanten weltweit. Das überwiegend virtuelle Unterhaken ist für mich beeindruckend und es ist immer wieder schön zu erleben, wie unsere Mitarbeitenden an einem Strang ziehen, um unseren Kund*innen weltweit ein inspirierendes Online-Shoppingerlebnis zu ermöglichen.

Location Insider: Gab es in 2021 auch Momente/Ereignisse, die Ihr Unternehmen belastet haben?

Kai Heck: Diese Belastungen gab es für uns eher im Vorjahr. Hier hatten wir im Frühjahr 2020, wie die gesamte Modebranche, Pandemie-bedingt in einigen Ländern Umsatzeinbrüche, die wir durch vertriebliche Sofortmaßnahmen und veränderte Services schnell und mit positiven Effekten kompensieren konnten. In diesem Jahr haben wir durch den verstärkten Trend zum Online-Shopping wieder eine sehr positive Nachfragesituation. Allerdings sind wir, wie alle Händler, von den anhaltenden Störungen und damit einhergehenden Verzögerungen in der Supply Chain betroffen. Darauf haben wir uns mittlerweile sehr gut eingestellt und richten unsere Bestandspolitik auch für die nächsten Monate etwas offensiver aus, da wir zumindest bis Mitte 2022 keine Entlastung erwarten.

Location Insider: Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins Weihnachtsgeschäft?

Kai Heck: Ich hoffe, dass wir die Kund*innen mit unseren starken Sortimenten begeistern. Der Trend zu Casualwear ist ungebrochen und auch unser Wäschebereich läuft vor Weihnachten stark. Zugleich verändert sich die Lebenssituation vieler Konsument*innen, so dass auch anlassbezogene Mode wieder nachgefragt wird, dies gilt natürlich besonders in der Weihnachtszeit.

Location Insider: Haben Sie vielleicht sogar überlegt, sich beruflich in eine andere Richtung zu orientieren?

Kai Heck: Diese Frage stellt sich mir nicht. Der internationale Online-Modehandel ist so faszinierend, und es freut mich, wenn ich meinen Teil zur Weiterentwicklung des bonprix-Geschäftsmodells beitragen kann.

Location Insider: Verraten Sie uns Ihr Vorbild im Handel, die/der Corona mit neuen Ideen und Kreativität erfolgreich getrotzt hat?

Kai Heck: Natürlich haben diverse große Handelsplayer ein exzellentes Krisenmanagement betrieben und somit der Krise getrotzt. Mein Respekt gilt aber vor allem den vielen kleinen selbständigen Unternehmer*innen, die ohne Konzernstrukturen und technologischen Infrastrukturen im Rücken Lösungen entwickelt haben, um ihre Kundschaft weiter bedienen und begeistern zu können. Dennoch ist gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen staatliche Unterstützung hier weiter dringend notwendig, denn Handel lebt von Vielfalt und das muss auch so blieben.

Location Insider: Welchen Rat oder welche Lehre bzw. Erkenntnis nehmen Sie mit ins neue Jahr?

Kai Heck: Uns ist es in der Vergangenheit schon mehrfach gelungen, über die strategische Steuerung unseres Marktportfolios internationale Krisen zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist Volatilität aber regelrecht zum „New Normal“ im Handelsgeschäft geworden. Agile und flexible Steuerung werden daher weiter die Leitplanken unseres wirtschaftlichen Handelns bleiben.

Location Insider: Wie sieht der Handel in 2022 aus?

Kai Heck: Nachhaltigkeit wird vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen durch den Klimawandel über alle Handelsbranchen eine wichtige Rolle spielen. Bei bonprix sind wir davon überzeugt, dass die Zukunft der Mode kreislauffähig, transparent und klimaneutral ist. Unsere eigene CR-Strategie treiben wir daher mit großem Nachdruck voran und setzen uns ambitionierte Ziele, bis 2030 zu 100 Prozent nachhaltige Produkte aus einer bis zur Faserproduktion vollständig transparenten Lieferkette anzubieten und als Unternehmen zu 100 Prozent klimaneutral zu arbeiten.

Im Stationärhandel wird es, beschleunigt durch Corona, meiner Meinung nach perspektivisch schneller als erwartet eine Marktdurchdringung von digitalen Konzepten geben. Mit unserem digital assistierten bonprix Store in der Hamburger Mönckebergstraße testen wir, wie sich das Beste aus On- und Offline verbinden lässt. Im Handel tut sich hier eine ganze Menge, auch der Lebensmitteleinzelhandel präsentiert spannende Connected-Retail-Konzepte. Das Potential von Ansätzen wie diesen ist groß: Wenn sich klassische Stärken des Stationärhandels passgenau mit intuitiver Technologie verbinden, kann das in ein begeisterndes Shopping- und Marken-Erlebnis für die Kund*innen münden.

Location Insider: Vielen Dank für die spannenden Antworten!

Lesen Sie hier auch weitere Jahresrückblicke u.a. von dm-Chef Christoph Werner.


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