Warum deutsche Händler die Beacon-Technologie (nicht) brauchen.

von Christian Bach am 16.Februar 2015 in Highlight, Trends & Analysen

Mobile Commerce Smartphone Handel Store Laden GeschäftVom Aussterben bedroht: Schauen wir den Tatsachen ins Auge. „Bis 2020 könnten in Folge des Strukturwandels 50.000 Standorte vom Markt verschwinden. Schon heute berichten viele Händler von sinkenden Kundenfrequenzen. Das ist besonders für die innerstädtischen Händler ein Problem“, warnte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), im November vergangenen Jahres. Ja, bis dahin sind noch fünf Jahre Zeit und der Konjunktiv lässt jeden einzelnen deutschen Händler auch hoffen, nicht zu den Betroffenen zu gehören. Aber ganz ehrlich: Es spielt eigentlich keine Rolle, ob es 2020 nun ein paar tausend Läden mehr oder weniger betrifft. Der Punkt ist: Reine Offline-Händler werden es in Zukunft immer schwerer haben. Das Internet wird nicht mehr verschwinden, auch in der Handelsbranche nicht.

Was können stationäre Händler also gegen ihr eigenes Aussterben tun? Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Aber die Beacon-Technologie könnte ein Puzzle-Stück in ihrer Gesamtstrategie sein, wie wir schon vor einem Jahr berichtet haben. Denn wir wollen die kleinen Funksender hier nicht als alleinige „Retter des Offline-Handels“ anpreisen, wie es andernorts teilweise passiert. Wir zeigen im Folgenden auf, welche Funktionen Beacons mit sich bringen und ob diese auch Mehrwerte für Kunden und Händler bieten können.

Bluetooth Low Energy als Grundlage

Bluetooth Low Energy BLE Smartphone MobileWas sind Beacons überhaupt? Der Begriff Beacon bedeutet übersetzt so viel wie Leuchtfeuer. Die kleinen Funksensoren basieren auf dem Übertragungsstandard Bluetooth Low Energy (BLE). Das ist die „neue“, energiesparende Form von Bluetooth. Dieser Standard für die Datenübertragung wurde bisher im Alltag vor allem für Headsets und Freisprechanlagen verwendet. Leider kostet Bluetooth die mobilen Geräte ziemlich viel Akkuleistung. BLE ist dabei viel effizienter. Aber Beacons bringen noch mehr Vorteile mit sich.

Vorteile: Nachrichten, Navi, Bezahlen, Analysen usw.

Die vier grundsätzlichen Funktionen der Beacon-Technologie sind schnell zusammengefasst. Sollen Menschen darüber erreicht werden, benötigen diese erst einmal ein BLE-fähiges Smartphone. Darauf muss die entsprechende App des Händlers oder Drittanbieters installiert sein. Zudem sollten die Smartphone-Besitzer in das Empfangen von standortbasierten Nachrichten per Optin-Verfahren eingewilligt haben. Dies ist auch schon die erste Funktion: Das Senden von Push-Nachrichten auf Geräte, die sich im Radius des Funksenders – meist 10 bis 30 Meter – befinden. Bei diesen Mitteilungen kann es sich um Werbung, Angebote, Willkommen-Nachrichten uvm. handeln. Der Fantasie der Händler sind keine Grenzen gesetzt.

Ist der Nutzer auf die Nachricht aufmerksam geworden, ist das erste Ziel erreicht. Im Laden selbst kann er sich zum Beispiel zu einem bestimmten Produkt navigieren lassen. Für die Indoor-Navigation im zweidimensionalen Raum sind mindestens drei Beacon-Sender nötig. Im dreidimensionalen Raum, zum Beispiel bei mehreren Etagen, müssen mindestens vier Geräte installiert sein.

PaypalPayMobile Payment ist die dritte Funktion. Hat sich der Kunde für ein Produkt entschieden, kann er dieses kontaktlos per App bezahlen. Im Unterschied zur NFC-Technologie muss das Smartphone aber nicht nah an das Kassensystem gehalten werden. Denn die Reichweite der Beacons beträgt wie gesagt je nach Anbieter 10 bis 30 Meter. Viertens können Händler und Dienstleister den Weg der Kunden und besonders hoch-frequentierte Bereiche im Laden erkennen. Damit können sie analysieren, wie dies mit dem Kaufverhalten zusammenhängt. Halten sich an einem Punkt nur viele Kunden auf, weil sie in der Schlange stehen, sich ein Stau bildet oder weil dort wirklich ein besonders beliebtes Produkt platziert ist? All das fällt unter die Fachbegriffe Customer Flow Management und Kundenfrequenzmessung.

Viele Beacon-Anbieter erweitern ihr Funktions-Portfolio aber immer mehr. Denn grundsätzlich lassen sich die Lösungen hinter den Funksendern zum Beispiel auch mit Bonusprogrammen der Händler verknüpfen. Zudem können sich Kunden ähnlich wie bei Foursquares Swarm oder Facebook einchecken. Die Navigationsfunktion lässt sich mit Sprachanweisungen für sehbehinderte Menschen erweitern. Diese Liste, genauso wie die folgende, ist natürlich nicht vollständig, denn dauernd kommen neue Funktionen und Erweiterungen hinzu. Mit Cornelius Rabsch von Beaconinside hat sich ein Experte an sieben Vorhersagen zu Beacons in 2015 versucht.

Nachteile: Installation, Reichweite, Batterielaufzeit, Nutzen uvm.

beacon-hero-image-1200x655Alles schön und gut, aber natürlich bringen Innovationen auch Probleme mit sich. Eigentlich können Händler die Beacons selbst in ihren Filialen anbringen. „Das Anbringen der Funksender ist wirklich kein Hexenwerk. Das schaffen die meisten Kunden auch selbst“, erklärt Beaconinside-Geschäftsführer Michael Kappler gegenüber Location Insider. Dennoch sollten Anwender beachten, dass die ausgeschriebene Reichweite – siehe oben – nicht immer der Realität entspricht. Das hat meist nicht einmal etwas mit der Qualität der Technik zu tun. Aber Betonwände und dicke Sicherheits-Glasscheiben dämmen einfach. Das Signal wird dadurch abgeschwächt. Hinzu kommen Überschneidungen der Wlan- und Bluetooth-Signale. So kann es passieren, dass Nachrichten zu früh oder spät gesendet werden.

Wie lang die Beacons überhaupt senden ist eine weitere zentrale Frage. Einige Hersteller geben eine Akkulaufzeit von einem Jahr an, andere schätzen sie nur auf ein paar Monate. Deshalb sollten Händler darauf achten, dass sie automatisch informiert werden, wenn die Batterien fast leer sind. Ebenso Anbieter-abhängig sind Datenschutz- und Sicherheitsvorkehrungen. Wie so oft machen sich die Deutschen viele Sorgen um ihre Daten. Zum einen sollten Nutzer von Apps die Bestimmungen eigentlich immer vorher lesen, aber wer tut das schon. Zum anderen weisen viele Apps ihr User darauf hin, dass sie für standortbasierte Nachrichten doch bitte per Optin-Verfahren einwilligen.

Auf dieses Verfahren sollten Nutzer auch massig pochen und es auch einsetzen, wenn die Nachrichten zu häufig aufpoppen. Dieses Empfinden ist natürlich subjektiv, daher sollten die Sender besonders vorsichtig mit der Quantität umgehen. Im schlimmsten Fall deinstalliert der potenzielle Kunde die App und sucht der Händler nie mehr auf. Ähnlich sieht es auch Richard Lemke von Favendo. Seiner Meinung zufolge ist „Push-Spam das Ende der Beacon-Technologie„.

Fazit: Ein ganz klares Jein – wie sollte auch anders sein

Beacon Q Infographic beaconstacWir wollten in einigen Absätzen aufzeigen, was für den Einsatz der Beacon-Technologie und was dagegen spricht. Wie gesagt: Dieser Beitrag kann sämtliche Möglichkeiten dieser Innovation gar nicht vollständig aufzeigen. Dazu bräuchte man wahrscheinlich den Platz eines Buches. Dennoch liegen die Vor- und Nachteile klar auf der Hand: Zum einen können Händler neue – meist junge – Kunden gewinnen. Denn Nutzer erhalten bestenfalls personalisierte, standortortbasierte Angebote, finden das entsprechende Produkt schnell und können es mobil und bargeldlos bezahlen. Händler wiederum müssen theoretisch vergleichsweise wenige Ressourcen einsetzen, um potenzielle Kunden anzulocken, mehr Umsatz zu machen und gelangen gleichzeitig an einen neuen Datenschatz, um ihr Angebot weiter zu verbessern.

Zum anderen sprechen einige Nachteile gegen den Einsatz der auf Bluetooth Low Energy basierenden Funksender. Denn jeder Anbieter muss erst einmal investieren, um am Ende davon zu profitieren. Neben der Zeit für Vorbereitungen und Installation kosten Beacons einfach auch Geld, und ist es noch so wenig. Kleine Händler, die vielleicht nur mit ein oder zwei Mitarbeitern über die Runden kommen, müssen sich diesen Luxus erst einmal leisten.

Deutsche Händler sollten vor allem dann die Beacon-Technologie nutzen, wenn sie eine junge Zielgruppe ansprechen möchten, Geduld mitbringen und genug Ressourcen für Tests haben. Denn solche Experimente können auch mal nach hinten losgehen und sich als Flop herausstellen. Das Motto lautet hier aber eindeutig: testen, testen, testen. Denn Beacons sind mit Sicherheit nicht für jeden Händler etwas und der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab.

Ein Blick in die Zukunft des Handels bedeutet immer ein Blick in die USA. Auch wenn sich Deutschland und die Vereinigten Staaten schwer vergleichen lassen, schwappen immer wieder Trends über den großen Teich. Wenn dies auch für Beacons zutrifft, kann sich die deutsche Handelsbranche auf einen wahren Boom gefasst machen. Denn unglaubliche 22 Prozent der US-Händler werden dieses Jahr Beacons installieren, prognostiziert das Beratungsunternehmen IHL Consulting und das Techunternehmen RIS News. Aktuell soll die Bluetooth-Technologie immerhin bei 2 Prozent der US-Händler im Einsatz sein.

In Deutschland ist die Verbreitung wahrscheinlich noch nicht einmal messbar. Das wird sich aber sicher bald ändern: in einem weiteren Beitrag zeigen wir einige Beispiele aus Deutschland auf, wie Beacons in der Praxis eingesetzt werden.

(Beitragsbild/1. Artikelbild: Mobile Commerce via shutterstock.com, 2. Artikelbild: Bluetooth via shutterstock.com)


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