Warum Luxusmarken mit E-Commerce-Plattformen kooperieren sollten.

von Gastautor am 29.Oktober 2018 in News, Trends & Analysen

Immer mehr Luxusartikel werden online gekauft (Bild: Shutterstock)

Hohe Preise, Exklusivität und beschränkter Zugang sind zentrale Merkmale des Prinzips „Luxus“. Das widerspricht den Regeln des Onlinehandels, der viele Güter für die breite Masse verfügbar macht. Auch weil Wohlstandswaren und E-Commerce auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, zögern viele Unternehmen in der Luxusgüterbranche, konsequent auf Partnerschaften mit großen E-Commerce-Plattformen zu setzen.

Warum sich Kooperationen mit Amazon, Alibaba und Co. für Luxusmarken lohnen und welche Faktoren bei der Zusammenarbeit besonders zu berücksichtigen sind, erklärt Gastautor Christoph Treiber, Partner bei der Managementberatung OC&C Strategy Consultants. 

Veränderte Spielregeln prägen die Luxusgüterbranche

Der Markt für Luxusgüter war zuletzt geprägt von einer gewissen Volatilität: Nachdem sich die Nachfrage 2015 rückläufig entwickelte, zieht der Absatz in jüngster Zeit wieder an. Der Umsatz der Branche liegt aktuell bei rund 260 Mrd. Euro. Allerdings lassen sich Wachstumsraten von 10 Prozent und mehr heute kaum noch erzielen. In den vergangenen Jahren wuchs das Luxussegment zwischen 2 und 5 Prozent. Neben flacheren Wachstumsraten haben sich zuletzt auch grundlegende Spielregeln verändert: Jüngste Insights und Marktdaten zeigen, dass rund 60 Prozent aller Customer Journeys im Luxusgüterbereich mindestens einen Touchpoint mit der digitalen Welt haben. Getrieben von der Nachfrage jüngerer Konsumenten, wird sich dieser Trend verstärken. Und ob es den Marken gefällt oder nicht, viele Produkte aus dem Luxussegment sind ohnehin bereits online erhältlich – etwa bei Resellern oder in Form von Imitaten bei nicht legitimierten Anbietern. Luxusmarken, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen sich daher anpassen, neue Wege gehen und vor allem im E-Commerce jenseits der eigenen Kanäle stärker aktiv werden. 

Diese Ziele sollten Luxus-Retailer bei Kooperationen mit großen Plattformen verfolgen

JD.com hat 2017 Toplife eingeführt, eine Kooperation mit verschiedenen Luxuslabels (Bild: PR)

Eine zentrale Rolle spielen dabei Kooperationen mit großen E-Commerce-Plattformen wie Amazon, Alibaba oder JD.com. Die Giganten des Onlinehandels haben bereits verschiedene Ansätze getestet, um Luxusmarken anzulocken. Doch sowohl auf Alibabas Luxury Pavilion als auch auf JD’s Toplife reagierten viele prestigeträchtige Marken eher zurückhaltend. Und das, obwohl die großen Plattformen Luxuslabels mittlerweile gute Möglichkeiten bieten, ihre Präsenz relativ frei zu gestalten und sich so auch abseits eigener Kanäle vom Wettbewerb zu differenzieren. Insbesondere mit Blick auf die Reichweite und hinsichtlich der verfügbaren technischen Lösungen sind die Online-Handelsriesen den Kanälen von Einzelmarken weit überlegen. Luxusmarken sind also gut beraten, flexibler zu agieren und ihre teilweise eng eingegrenzten Kooperationen mit spezialisierten Online-Versandhäusern wie Yoox, Net-A-Porter oder Farfetch auszuweiten. Luxus-Retailer sollten dabei fünf Ziele verfolgen: 

1. Reichweitenerhöhung:

Durch die Zusammenarbeit mit Farfetch erhöhte Burberry die Anzahl der Absatzmärkte in einem sehr kurzen Zeitraum auf insgesamt 193 – dies wäre über eigene Vertriebskanäle nicht oder allenfalls in einem deutlichen längeren Zeitraum und mit erheblich größerem Aufwand möglich gewesen. Ein anderes Beispiel: Christian Dior inszenierte sich erfolgreich auf WeChat mit limitiertem Sortiment, um gezielt eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. 

2. Effiziente Distribution:

Die Organisation des Vertriebs und die Distribution der Produkte sollten an das Profil der eigenen Marke angepasst werden. Für viele Luxus-Brands bedeutet das, die Zielgruppen zu fokussieren und die Anzahl der Partner zu reduzieren. Ein gutes Beispiel für diese Strategie ist Nike: Der Sportartikelhersteller ist zwar keine klassische Luxusmarke, hat die Anzahl der Einzelhandelspartner jedoch zuletzt von rund 30.000 auf knapp 40 gekappt. In vielen Fällen lautete die Begründung: Fehlende Inszenierung des Markenerlebnisses. Der Fokus wurde stattdessen auf erstklassige Online-Präsenzen gelegt und die Partnerschaft mit Amazon stark forciert. 

3. Einkaufserlebnis:

Gerade Top-Labels müssen immer höhere Erwartungen ihrer Kunden erfüllen – das gilt nicht zuletzt für das Kundenerlebnis beim Online-Shopping. Daher sind auch Luxusmarken von einer ausgereiften und professionellen Onlinepräsenz mit Fokus auf das Kundenerlebnis abhängig. Partnerschaften mit Best-in-Class-Anbietern können ein Weg sein, um sich hier stetig zu verbessern. Chanel etwa hat sich von der Benutzeroberfläche und den Funktionen von Farfetch inspirieren lassen und diese in die eigene Website integriert. 

4. Agiles Betriebsmodell:

Gerade in der Zusammenarbeit mit Online-Partnern ist ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit nötig. Luxusmarken müssen ihr Produktangebot für jede Plattform individuell anpassen und effiziente sowie kundenorientierte Prozesse einsetzen, um nicht an Reputation zu verlieren. Insbesondere die Zusammenarbeit mit externen Online-Partnern erfordert dabei, Prozesse und Betriebsmodelle kontinuierlich anzupassen und zu optimieren. 

5. Experimentierfreude:

Die E-Commerce-Landschaft ist ständig in Bewegung. Um mit Trends Schritt halten zu können, sollten Retailer daher mit neuen Plattformen experimentieren. Innerhalb des eigenen Vertriebsmodells müssen für die verschiedenen Kanäle klare Aufgaben und Rollen definiert werden. Bedeutend sind hier neben Amazon & Co. vor allem die eigene Webseite sowie die Social-Media-Kanäle: Wo werden Marke und Loyalität aufgebaut? Wo wird Traffic generiert? Wo werden neue Kunden gewonnen? Welcher Kanal bietet detaillierte Produktinformationen? Diese Fragen müssen eindeutig beantwortet werden, um eine konsistente Markenstrategie online umzusetzen. 

Im Ergebnis geht es also nicht einfach um Profitmaximierung, sondern vielmehr um den Fortbestand der Marke in einem Umfeld, in dem das Luxus-Label alleine nicht mehr ausreicht, um Konsumenten für sich zu gewinnen. Die Möglichkeiten, die sich aus einem wachsenden Markt für Luxusgüter ergeben, sind vielfältig. Luxusmarken sollten daher jetzt einen mutigen Masterplan entwickeln und die strikte Kontrolle von Preis, Vertriebskanal und Kundenerlebnis im Rahmen von Partnerschaften mit großen E-Commerce-Plattformen etwas lockern. 

Über den Autor:

Christoph Treiber ist Partner im Münchner Büro von OC&C Strategy Consultants und Teil der internationalen Retail- und Konsumgüter-Practice der Unternehmensberatung. Er verfügt über langjährige Projekterfahrung in unterschiedlichen Bereichen und Kategorien sowohl in der Handelsbranche als auch in der Konsumgüterindustrie und hat zahlreiche führende deutsche und internationale FMCG-Unternehmen beraten. Sein besonderer Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von profitablen und nachhaltigen Wachstumsstrategien. Darüber hinaus hat Christoph Treiber auch mehrere Unternehmenstransformationen im Konsumgüterbereich federführend begleitet. 


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