Wie der Wechsel zu Composable Commerce gelingt.

von Florian Treiß am 03.November 2021 in News, Shoptech, Trends & Analysen

Ihr Unternehmen hat bislang eine monolithische E-Commerce-Suite genutzt, möchte sich aber von den Fesseln dieser schwerfälligen Lösung befreien und künftig auf eine offene, modulare und damit flexible E-Commerce-Architektur setzen? Wir zeigen Ihnen in dieser Leseprobe aus unserem aktuellen Whitepaper powered by commercetools, wie die Migration zu Composable Commerce und der MACH-Architektur gelingt.

Ein Upgrade auf ein neues E-Commerce-System ist nicht ohne Herausforderungen: unterschiedliche Strukturen, Daten und Schnittstellen treffen aufeinander. Und natürlich stellen sich viele Unternehmen zuvor und womöglich auch während des Prozesses die Frage, ob ein Wechsel überhaupt notwendig ist, wenn doch das bisherige System noch irgendwie läuft? Dabei ist klar: Unternehmen, die eine kundenorientierte Strategie verfolgen, können in einem dynamischen Marktumfeld nur mit einer flexiblen und skalierbaren Infrastruktur erfolgreich sein. Die Nutzung von Microservices ist dafür essenziell. Wir zeigen Ihnen in fünf Schritten, wie Sie in Ihrem Unternehmen die Weichen für einen Systemwechsel stellen.

Schritt 1: Bestandsaufnahme

Führen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme durch:

  • Was schätzen Ihre Kunden an Ihrem Unternehmen, der Marke oder Ihrem digitalen Angebot und was sind Ihre Alleinstellungsmerkmale?
  • Welche Funktionen nutzen Sie aus Ihrer aktuellen E-Commerce-Suite ‒ und welche nutzen Sie nicht?
  • Wie ist das Verhältnis, schon allein zahlenmäßig?
  • Welche Funktionen sind zwar implementiert, werden aber (fast) gar nicht verwendet?
  • Welche Funktionen und technischen Merkmale sind auch künftig unbedingt notwendig?
  • Welche zusätzlichen Tools haben Sie integriert?
  • Wie sind Ihre Daten strukturiert?
  • Was „nervt“ Sie an der aktuellen E-Commerce-Suite ‒ und was finden Sie gut?
  • Welche Mängel hat das System bzw. welche Funktionen fehlen Ihnen und Ihren Kunden?
  • Was versprechen Sie sich von einem Systemwechsel? Wovor haben Sie Angst? Was hat Sie bisher davon abgehalten?
  • Wie qualifiziert sind Ihre Entwickler, um auf Composable Commerce umzusatteln ‒ und haben Sie das passende Mindset?

Die Idee bei einer Umstellung auf eine Microservices-Architektur sollte zudem sein, Ihr System zu entrümpeln und neu zu denken. Dabei sollten sich Unternehmen Gedanken darüber machen, welche Business-Logiken und -Cases bei einer komplett neuen Konzeption bedacht werden müssen.

Schritt 2: Ziele definieren

Verschaffen Sie sich anschließend Klarheit über Ihre Ziele für einen Systemwechsel:

  • Was versprechen Sie sich generell von einer Umstellung auf eine MACH-Architektur?
  • Welche Wünsche und Erwartungen Ihrer Kunden möchten Sie erfüllen, z. B. spezielle Services oder Funktionen?
  • Welche Entwicklungsmöglichkeiten, die das alte System nicht bietet, benötigen Sie für die Zukunft?
  • Welche Auslastungsspitzen (z. B. bestimmte Tageszeiten oder saisonal) müssen vom System gestemmt werden?
  • Haben Sie konkrete Umsatzziele, die womöglich mit dem alten System kaum erreichbar waren?
  • Wollen Sie das System in verschiedene Länder skalieren? Und in welchen Währungen sollen die Kunden zahlen können?

Formulieren Sie Ihre Ziele am besten so, dass sie sehr konkret formuliert und messbar sind. So können Sie später abgleichen, ob der Systemwechsel tatsächlich zu den gewünschten Zielen führt.

commercetools stellt immer wieder fest, dass viele seiner Kunden bei einem Systemwechsel zur MACH-Architektur primär drei strategische Ziele verfolgen:

  1. Agilität gewinnen

Bei kundenorientierten Initiativen ist es zunehmend wichtig, zu experimentieren und dafür zu sorgen, dass neue Funktionen schnell umgesetzt werden können, damit Kunden direkt davon profitieren und weiterhin treu bleiben. Statt einmal im Quartal eine Neuheit zu präsentieren, sollten Sie erreichen, mindestens einmal täglich etwas Neues einzuführen.

  1. Mit Datenverkehr und Teamgröße skalieren

Ebenso müssen Sie Ihre Infrastruktur auf den erwarteten Zuwachs vorbereiten. Dabei bezieht sich die Skalierbarkeit einerseits auf die Zuverlässigkeit der Software bei hohem Datenverkehr und andererseits auf die Fähigkeit der Architektur, wachsende Teams und parallel ablaufende Arbeiten zu unterstützen.

  1. Mehr Freiheit bei der Entwicklung

Um die Risiken, die mit der Nutzung einer einzigen Technologie für unternehmenskritische Prozesse einhergehen, besser zu steuern, sollten Sie im Sinne eines Best-of-Breed-Konzepts die besten Microservices verschiedener Anbieter für Ihr Geschäftsmodell nutzen und diese eventuell um individuelle Eigenentwicklungen ergänzen.

Natürlich können Sie in Ihrem Unternehmen aber noch viele weitere Ziele definieren. Anschließend sollte der Markt nach Lösungsanbietern sondiert werden, die Ihren Anforderungen entsprechen.

Schritt 3: Roadmap erstellen

Haben Sie die passenden Lösungsanbieter für Ihr neues Commerce-Setup gefunden, benötigen Sie als Nächstes eine klare Roadmap, wie Sie die Migration des Systems konkret angehen wollen.

Diese Roadmap sollte alle wichtigen Meilensteine vom Datentransfer über Frontend und UX bis hin zum Testen sowie alle Zuständigkeiten enthalten, schreibt der commercetools Solution Partner kernpunkt im Whitepaper „Reif für einen Systemwechsel“. Dabei sollte auch bedacht werden, wann überhaupt der richtige Zeitpunkt für ein Replatforming ist: Den perfekten Zeitpunkt wird es wohl nie geben. Trotzdem gilt: Besser jetzt zum neuen System, als es noch weiter aufschieben. Profitiert ein Unternehmen aber zum Beispiel stark vom Weihnachtsgeschäft, ist diese Zeit definitiv die falsche Zeit zur Umstellung. Es kann immer zu Fehlern und Verzögerungen kommen. commercetools rät zudem dazu, lieber schrittweise vorzugehen, statt alles auf einmal mit einem „Big Bang“ umzustellen: So können Funktionen und Daten aufgeteilt nach Geschäftsbereichen übertragen werden. Eine solche gestaffelte Migration kann Störfälle und Risiken minimieren.

Schritt 4: Microservices und APIs in dedizierten Teams entwickeln und testen

Bei einer Migration von einer Suite zu Microservices können die bislang bestehenden Prozesse aus dem alten Shopsystem filetiert und komplett neu gedacht werden. Jeder Microservice ‒ daher auch der Name ‒ soll später für einen bestimmten Anwendungsfall im Shop stehen. Das kann der Login oder die Produktsuche sein, die individuellen Empfehlungen für Stammkunden, der Warenkorb oder der Checkout.

Jeder einzelne Microservice sollte für sich durchdacht und umgesetzt werden. „Mit einem Einfach-mal-machen-Ansatz lässt sich dabei relativ kostengünstig und ohne großes Risiko ein Prototyp (closed beta) oder ein MVP entwickeln“, sagt Andrea Stubbe, Head of Product bei commercetools. Das gelingt am besten, indem Microservices und APIs in dedizierten Teams individuell entwickelt und betrieben werden. Bilden Sie also verschiedene Teams. Im Idealfall ist anschließend jedes Team für einen oder mehrere Microservices zuständig und trägt dafür die volle Verantwortung. Dabei sollten Sie die IT-Teams nicht etwa horizontal in unterschiedliche technische Ebenen wie Frontend, Backend und Datenbank einteilen. Vielmehr sollten die Teams vertikal eingeteilt werden und dann jeweils einen bestimmten Teil der Geschäftslogik abdecken wie etwa Product Discovery, Checkout oder Fulfillment. Stellen Sie dabei einen möglichst breiten Wissens- und Erfahrungsschatz in den Bereichen Benutzerschnittstellen, Backend-Entwicklung und Prozessabläufe sicher, damit die Teams selbstständig arbeiten können.

Jeder Microservice kann dabei in fünf Schritten entwickelt werden:

  1. Problemstellung identifizieren,
  2. abgrenzen,
  3. Schnittstellen definieren,
  4. entwickeln, implementieren und testen,
  5. in Betrieb nehmen.

Microservices sollten dabei als eigenständige Produkte verstanden werden ‒ und jeweils ein Product Owner für den jeweiligen Microservice benannt werden, der die Verantwortung dafür trägt, dass auch alles wie gewünscht funktioniert. Wichtig bei der Entwicklung ist weiterhin eine gute Dokumentation der Microservices und APIs. Die Dokumentation sollte alle Methoden und Kommunikationswege sowie Antworten im Erfolgs- und Fehlerfall beschreiben, die beim Aufrufen der API möglich sind. Durch eine solche Dokumentation wird auch das Testing einfacher in Hinblick darauf, ob alles funktioniert und sicher ist. Auch sollten interne „Verträge“ darüber abgeschlossen werden, welche Microservices welche APIs anbieten. Wenn man später etwas an einer bestehenden API ändert, so sollte man ältere Versionen davon weiter parallel laufen lassen, bis alle Microservices, die darauf zugreifen, mit der neueren Version zurechtkommen.

Schritt 5: Stufenweise die ersten Microservices ausrollen

Ein wesentlicher technologischer Vorteil von Composable Commerce besteht darin, dass Unternehmen bei der Migration von ihrem alten Monolithen die „Strangle-Methode“ verwenden können, um Ausfallzeiten und Umsatzverluste während des Übergangs zu vermeiden. In einfachen Worten bedeutet die Strangle-Methode, dass Unternehmen die Möglichkeit haben, zunächst nur einen Teil ihres Commerce-Systems auszuhöhlen. Im Wesentlichen können die neuen und alten Komponenten nebeneinander existieren, bis das Unternehmen bereit ist, die alten Komponenten vollständig zu entfernen.

Beispielsweise aktivieren viele Unternehmen zunächst ein neues Product Information Management (PIM) als Microservice. Andere möchten möglicherweise zunächst nur den Warenkorb oder den Checkout ändern, um mit einem neuen Dienstleister mehr Zahlungsarten anzubieten.

Bei diesem stufenweisen Rollout sind zum Beispiel auch A/B-Tests mit den Kunden möglich: Dabei landet die eine Hälfte der Kunden in der alten Version des Shops oder Shop-Bereichs, die andere Hälfte der Kunden aber in der neuen Version. So kann im Livebetrieb überprüft werden, ob die neue Version den Ansprüchen der Kunden entspricht und dabei möglichst auch eine bessere Performance erzielt als die alte Version. Erst wenn alles passt, wird die alte Version endgültig abgeschaltet.

Gerade wenn ein Webshop komplett umgebaut werden soll, bietet es sich zudem bei internationalen Unternehmen an, den Relaunch zunächst nur auf die Version für ein einzelnes Land zu beschränken, um dort auszuprobieren, wie gut das neue System funktioniert. So hat beispielsweise der Online-Luxusuhrenhändler CHRONEXT als erstes eine neue Website in Österreich ausgerollt, danach folgten in schneller Taktung weitere Länderversionen, bis rund ein halbes Jahr später die wichtigste Länderversion, nämlich die für Deutschland, gelauncht wurde.

Fazit

Wenn es manche Unternehmen auch zunächst abschreckt, kein All-in-One-System mehr zu verwenden, sondern sich ein individuelles Setup mit Microservices zu bauen, so werden doch recht schnell die Vorteile spürbar: Durch die Zerlegung der Geschäftslogik in unabhängige Anwendungen lassen sich neue Funktionen schneller in den Markt bringen, da Teams nicht länger voneinander abhängig sind. Zugleich machen sich Unternehmen so unabhängig von Release-Zyklen der monolithischen Systeme und können das Entwicklungstempo selbst in die Hand nehmen. Denn wenn voneinander autarke Teams ihre eigenen Microservices erstellen, warten und betreiben können, können sie am besten dazu beitragen, dass ihr Unternehmen auch in den nächsten Jahrzehnten erfolgreich sein wird und auf Wachstumskurs bleibt.

Lesetipp

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Whitepaper „Composable Commerce“, das wir von Location Insider mit freundlicher Unterstützung von commercetools erstellt haben. Erfahren Sie darin, warum und wie erfolgreiche Brands mit Composable Commerce ihr individuelles Commerce-Setup aus den besten Lösungen am Markt (“Best-of-Breed”) zusammenstellen, um ihre Kundinnen und Kunden noch individueller anzusprechen.

Die weiteren Themen des Whitepapers „Composable Commerce“ im Überblick:

  • Umfrage: Die wichtigsten Technologietrends im Digital Commerce
  • Erfolgsstories von CHRONEXT, flaconi und Flaschenpost (CH)
  • Composable Commerce statt „All-in-one“
  • Interview mit Wolford-Manager Rainer Knapp zu Composable Commerce
  • Wie die MACH Alliance das Thema Composable Commerce vorantreibt
  • Glossar mit den wichtigsten Begriffen rund um Composable Commerce

Gratis-Anforderung des Whitepapers „Composable Commerce“:

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