Wie Ikea beim E-Commerce fast alles richtig macht.

von Stephan Lamprecht am 25.Februar 2020 in Kommentar, News

Das schwedische Möbelhaus zieht es in die Innenstädte. Statt großer und weitläufiger Märkte soll es dann Showrooms geben, in denen die Kunden alles online bestellen, was das Herz begehrt. Ob das auch für den Beutel mit Teelichtern gilt, ist noch nicht bekannt. Ein Testkauf in der vergangenen Woche hat mich davon überzeugt, dass das Konzept aufgehen könnte.

Jüngere Leser wird es vielleicht überraschen, aber die Idee, seine Möbel zum Kunden zu liefern, hatte Ikea bereits im vordigitalen Zeitalter. Zum ersten Mal habe ich den Service wohl so im Jahr 1986 genutzt. Das war alles ganz klassisch. Im Katalog waren die letzten Seiten für den Bestellschein reserviert. Der wurde brav handschriftlich ausgefüllt, um dann per Fax oder Brief verschickt zu werden. Rund 10 bis 14 Tage später kam dann die Ware. Theoretisch hätte der Kunde auch einen Beutel Teelichter oder zwei Kerzenständer auf diesem Weg bestellen können. Wenn er denn bereit war, für einen Warenwert von weniger als 10 DM auch die üppige Mindestgebühr von, ich meine, 49 DM zu tragen. Das staffelte sich dann bis zu 10 Prozent des Warenwerts nach oben. Für Ikea und den Spediteur war das sicherlich auskömmlich, konnte aber auch als Abwehrangebot verstanden werden. Gezahlt wurde bei Anlieferung entweder bar, per Eurocheque oder Vorabüberweisung. Alles für das heutige digitale Zeitalter untauglich.

Nun tauchte in der vergangenen Woche der Gedanke auf, einen unansehnlichen Bücherstapel endlich ordentlich zu verstauen. Mindestens ein Billy sollte her. Und das so schnell wie möglich. Aktuell muss sich Ikea schon einmal vor dem Kauf einen Abzug in der technischen Note gefallen lassen. Denn derzeit arbeitet das Unternehmen in Deutschland ja erst noch daran, dass der Kunde auch aus der App kaufen kann. Darin kann ich mich zwar wunderbar darüber informieren, wie viele Billys noch in meinem nächsten Ikea lagern, die ich auch auf einen Merkzettel packen darf und den Lagerort erfahre. Nur eben kaufen, geht damit (noch) nicht.

Der Einkauf und eine positive Überraschung

Also dann lieber gleich direkt online. Am Online-Auftritt gibt es nichts zu meckern. Die Suchfunktion ist gut und das gewünschte Produkt dann auch rasch gefunden und in den Warenkorb gelegt. Die Liefergebühr im konkreten Fall sollte 39 Euro bei 120 Euro Warenwert betragen. Das ist auf den ersten Blick natürlich immer noch viel. Aber als Selbstständiger muss ich auch ein bisschen meine Zeit berücksichtigen. Fahrt zum Ikea, durch den Markt laufen, Kassenzone, einladen, Rückfahrt – das alles summiert, sind die 39 Euro fair.

Gegen 11 Uhr begab ich mich zum Checkout. Große und positive Überraschung: Ob ich die Ware bereits am selben Tag (bis 22 Uhr) erhalten wolle? Ich könnte aber auch den Standardversand wählen, um dann einen Wunschtag zu markieren. Die Liefergebühren waren in beiden Fällen identisch. Somit wurde die Option eher zu einer rhetorischen Frage. Zumal die berufliche Neugier geweckt war, ob Ikea das tatsächlich schafft.

Erster Abstrich in der B-Note: Bei der Wahl der taggleichen Lieferung schränken sich die angebotenen Bezahlverfahren ein. Während beim Standardversand die hauseigene Bezahlkarte verwendet werden darf, geht das bei Same Day nicht. Das dürfte daran liegen, dass die klassischen Bestellungen via Hermes ins Haus kommen, deren Fahrer ein entsprechendes Lesegerät dabei haben, die Same-Day-Bestellung aber offenbar durch Kuriere bzw. Spediteur geliefert werden. Das kann ich mir zwar erklären, aber ob’s jeder Kunde versteht?

Das Zwischenspiel

Kennen Sie das Minimax-Prinzip? Davon lassen sich offenbar auch die Softwareentwickler bei Ikea leiten. Denn die Bestellbestätigung und Rechnung enthält dermaßen viel Kleingedrucktes für alle möglichen Fälle, dass sie eigentlich unlesbar ist. Hinweise, was passiert, wenn ich Abholung gewählt habe (habe ich ja nicht), oder was ich beachten muss, wenn ich Abholboxen in Berlin Spandau nutzen würde (tue ich ja nicht). Rein formell gibt es nichts zu meckern, aber etwas mehr Wertschätzung und Personalisierung könnte dazu führen, dass der Kunde sich einfach wohler fühlt.

Die Lieferung

Perfekt! 16 Uhr Anruf des Fahrers, der die Ankunft in 30-40 Minuten ankündigte. 16:30 Uhr Klingeln an der Haustür. 16:40 Uhr: Fahrer des Kurierdienstes erhält sein Trinkgeld. Das Aufbauen konnte beginnen.

Das Nachspiel: Ach, Ikea

In jedem Anfängerseminar zum Thema Kundennewsletter und Kundenkommunikation wird heute wohl vermittelt, dass der Betreff einer E-Mail enorm wichtig ist. Umso mehr, weil viele Nutzer heute ihre Mails auf dem Smartphone lesen, auf dem ja noch weniger Platz für die Betreffzeile zur Verfügung steht.

Wie alle Händler ist natürlich auch Ikea neugierig, wie ich meine Einkaufserfahrung bewerte. Deswegen war ich von der lieblosen Gestaltung dieser Nachfrage etwas überrascht. Der Betreff „IKEA Service Follow up“ weckt zumindest nicht so richtig Lust darauf, sich mit der Mail zu beschäftigen. Das nicht personalisierte „Hallo“ zu Beginn (wieso eigentlich Hallo, wo Ikea-Familie doch immer Hej schreibt?), wirkt auch nicht so richtig professionell. Und die eigentliche Nachricht hätte auch eine Behörde nicht lebendiger schreiben können: „du hast dich beim Einkauf einer Serviceleistung bereiterklärt, uns nach Abschluss ein Feedback zu geben. Vielen Dank dafür. Nach unseren Informationen wurde diese Serviceleistung inzwischen abgeschlossen. Und deshalb möchten wir Dir nun die Möglichkeit geben, eine Meinung dazu abzugeben. Es dauert nicht lange und hilft uns, in Zukunft besser zu werden.“

Okay. Auf After-Sales scheint zumindest jetzt nicht unbedingt der Fokus zu liegen. Aber beim Versand von Standard-Produkten direkt auf dem nahegelegenen Möbelhaus gibt sich Ikea keine Blöße. Die Prozesse für das Showrooming scheinen jedenfalls zu stehen.

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