Wie Wolt zur Liefer-App für alles werden will und Einzelhändler umgarnt.

von Florian Treiß am 24.September 2021 in Interviews, News

Vor einem Jahr in Deutschland gestartet, ist die Liefer-App Wolt aus Finnland hierzulande mittlerweile in sechs Metropolen von Berlin bis München aktiv. Dabei will sich Wolt nicht nur als spannender Lieferservice für Restaurants positionieren, sondern auch als Partner für Einzelhändler – und will „testweise“ bald auch zwei eigene Warenlager in Berlin eröffnen. Wie Wolt Händler fit machen will, gegen Amazon und Co. zu bestehen, darüber haben wir mit Pia Surhoff, Head of Retail von Wolt Deutschland, gesprochen.

„Wir wollen die gesamte Fußgängerzone lieferbar machen – alles vom Essen bis zu Produkten aus diversen Geschäften wollen wir innerhalb von 30 Minuten nach Hause bringen“, sagt Pia Surhoff. So soll die Wolt-App perspektivisch zu einer Art Shopping Mall in der Hosentasche werden – nur denkt sie dabei nicht an Indoor-Navigation durch ein Einkaufszentrum, sondern vielmehr daran, alles was man dort findet, über eine zentrale Anlaufstelle nach Hause liefern lassen zu können.

Lieferung von Feinkost, Blumen und Badebomben

Den Auftakt zu seinem Retail-Service in Deutschland machte Wolt im Frühjahr – und nahm als neue Produktkategorie frische Blumen in sein Sortiment von Fachgeschäften wie Blumen Zinnober, Blumen Florentine oder Blumen Dilek in Berlin, Frankfurt bzw. München auf. Doch das war nur der erste Schritt auf dem Weg zum „Alleslieferer“, den z.B. auch das spanische Pendant Glovo längst beschritten hat. Durchaus medienwirksam kam kurze Zeit später auch eine Kooperation mit Händlerinnen und Händlern der Kleinmarkthalle Frankfurt am Main hinzu, darunter bekannte Feinkostgeschäfte wie Else Kalbskopp oder Alasti Feinkost & Catering. Ein bekannter Filialist, der zudem mittlerweile mit Wolt zusammenarbeitet, ist die für ihre Badebomben bekannte Beautymarke Lush. In Berlin sind zudem die Biogoods-Märkte am Start und in München der italienische Feinkost-Händler Eataly.

International ist Wolt im Retail-Bereich aber schon deutlich weiter als in Deutschland: Das Unternehmen, das mittlerweile in 23 Ländern aktiv ist, hat in seiner Homebase Helsinki schon „ein sehr breites Offering von Händlern am Start“, sagt Wolt-Managerin Pia Surhoff. In diversen Märkten in Nord- und Osteuropa sowie dem Baltikum habe Wolt schon ein breit aufgestelltes Retail-Angebot, so Surhoff weiter. Und „in Israel kann man über Wolt alles von A bis Z bestellen“, sagt sie begeistert.

Vermutlich im November will Wolt auch zwei Warenlager in Berlin eröffnen – will das aber selbst nicht als Angriff auf Schnell-Lieferdienste wie Gorillas werten. Vielmehr soll es laut Unternehmen dabei darum gehen, die Software in Hinblick auf Bedürfnisse des Handels weiterzuentwickeln, etwa um Retail-Partnern die richtigen Voraussetzungen für Inventur-Management, Picking und Warenstruktur zu liefern. Deshalb betreibt Wolt auch schon seit langem eigene Warenlager in Helsinki und Athen.

Keine monatlichen Fixkosten für Händler

Händler, die sich für eine Zusammenarbeit mit Wolt interessieren, müssen sich keine Sorgen über hohe Grundgebühren machen: „Unsere Kooperationen mit Retailern sind komplett erfolgsabhängig“, betont Pia Surhoff, die vor ihrem Start bei Wolt sechs Jahre lang bei der Strategieberatung BCG im Consulting für Händler gearbeitet hat. Zudem sollten Händler keine Sorge haben, dass sie ihren eigenen Vertrieb im Laden durch die Liefer-App kannibalisieren. „Wolt ist vielmehr ein zusätzlicher Vertriebskanal. Über 90 Prozent, die über Wolt bei Händlern bestellen, sind für die Händler Neukunden“, sagt Surhoff.

Die Liste der großen Handelsketten und Markenhersteller, die international schon mit Wolt zusammenarbeiten, kann sich sehen lassen: Unter anderem arbeiten Carrefour, Clas Ohlson, Coca Cola, Spar und Unilever mit Wolt zusammen. Unilever partnert dabei mit seiner Eismarke Ben & Jerry’s auch in Deutschland bereits mit Wolt.

Checkout auf Händler-Website dank Schnittstelle

Wolt arbeitet auch an Lösungen, über die Händler ihre Bestellungen nicht nur über die Wolt-App annehmen können, sondern auch über die eigene Website oder App. So ist es bei der finnischen Supermarktkette K-Market bereits möglich, im Checkout des Online-Shops auszuwählen, dass es eine Expresslieferung per Wolt sein soll. Einen ähnlichen Service ermöglicht neuerdings auch der US-Lieferservice Instacart seinem Handelspartner Kroger.

Dabei haben Lieferdienste in der Öffentlichkeit aktuell einen schweren Stand: Lieferando und Gorillas gerieten zuletzt immer wieder wegen vermeintlich schlechter Arbeitsbedingungen in die Kritik. Davon will sich Wolt abheben: „Wir vertreten finnische Werte und identifizieren uns mit dem skandinavischen Wohlfahrtsstaatmodell“, sagt Pia Surhoff. Das Unternehmen übernehme soziale Verantwortung für seine Kuriere, zahle mehr als den Mindestlohn und gewähre auch einen Bonus für besonders viele Auslieferungen.

Anders als bei Lieferando, wo Partnerbetriebe wahlweise selbst ausliefern können oder aber die Fahrerinnen und Fahrer von Lieferando nutzen können, setzt Wolt dabei ausschließlich auf eigene Fahrradkuriere und legt Wert „auf hohe Qualität und eine exzellente Kundenerfahrung“, sagt Pia Surhoff. Das Credo des Unternehmens: Wolt will seine Kundinnen und Kunden auf der gesamten Customer Journey glücklich machen und bietet zum Beispiel auch einen Kundenservice, der innerhalb einer Minute antwortet. Wolt hofft nun auf viele neue Partner im deutschen Einzelhandel – vom inhabergeführten Fachhandel bis zum Filialisten.

Mehr Infos über Wolt für Einzelhändler finden sich hier.


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