Wo steht der digitale B2B Commerce heute und was sind seine größten Herausforderungen?

von Gastautor am 17.September 2020 in News, Trends & Analysen

Der Digitale B2B Commerce steht vor vergleichbaren Herausforderungen wie der B2C Bereich vor 5-7 Jahren. Wir sehen digitale Bedürfnisse – getrieben von Einkäufern der Generation iPhone – die aktuell sehr unterschiedlich bedient werden. Commerce-Standards und digitale Aggregationspunkte wie Marktplätze bilden sich erst schrittweise heraus und sind in vielen, individuell erstellten Angeboten der jeweiligen Branchen hart umkämpft. In dieser Leseprobe aus unserem Whitepaper rund um B2B Commerce beleuchtet Gastautor Robert Queck, wie sich der B2B-Vertrieb für die Zukunft aufstellen kann und wie sich aus digitaler Sensorik und IoT-Clouds ganz neue Service-Geschäftsfelder ergeben können.

Von Robert Queck

Klassische Produkte, Vertriebskanäle und Lieferketten werden durch Neue mit höherem Digitalanteil gechallenged. Das ist vergleichbar disruptiv wie im B2C. Dazu bilden rein digitale Service-Angebote völlig neue Märkte. Globale datengetriebene Logistiker bieten Handelsinfrastruktur und werden diese zukünftig auch im B2B-Bereich für optimale Platzierung eigener „Basics“-Produkte und -Services nutzen. Bisherige Zulieferer aus Übersee nutzen ihr gewonnenes Branchen-Know-How und treten mit digitalem Vertrieb zunehmend in direkte Konkurrenz.

Um in diesem digital-globalisierten Marktdruck erfolgreich zu bestehen, sind im B2B-Bereich neben Produktentwicklungen, insbesondere auch im Verkauf, grundlegende Transformationen ins Digitale notwendig. Diese gehen gerade im B2B-Commerce mit besonderen Herausforderungen einher.

Die größten digitalen Herausforderungen für den B2B-Commerce sind: Relevanz. Trust. Service. Kontext.

Um diese Worte mit Inhalt zu hinterlegen:

Relevanz

Digitalisierung ist insbesondere im Marketing und Vertrieb disruptiv. Sie führt separierte Märkte zusammen und sorgt für überbordende Informations- und Angebotsflut. Relevanz zu erzeugen heißt aus der Menge hervorzustechen und mit sicht- und spürbaren Vorteilen Marktanteile zu behaupten.

Dabei reicht es immer weniger einfach nur bessere Produkte zu haben, sie müssen die Kunden auch in ihren Bedürfnissen erreichen. Das sieht man z. B. sehr stark in Marktplätzen. Selbst in B2C-Marktplätzen ist es ohne Einwurf von barer Münze schon kaum mehr möglich entdeckt zu werden. Präsentationsflächen sind minimal. In B2B-Marktplätzen ist das häufig durch sehr viele, sehr technische Produkte noch potenziert. Kunden die hier nicht wissen was sie wollen, sind sehr schnell verloren, bzw. bei der billigen Konkurrenz.

Relevant sein heißt somit im Moment des Bedarfs digital gefunden zu werden und Kundenbindungen aufzubauen, die zu aktiven Nachfragen führen. Somit gewinnt professionelles Inbound Marketing massiv an Gewicht, während Outbound Marketing schlichtweg an Effektivität verliert.

Content Marketing, mit Darstellung von Fachexpertise, Fach-Community-Betreuung, und bedürfnisoptimierten Landingpages sind hier entscheidend. Dazu Kontakt-Pflege und mit entsprechendem Volumen Marketing-Automation für professionelles Beziehungsmanagement (siehe Kontext).

Diese Umstellung ist eine große Herausforderung, da bestehendes Fach-Know-How digital transportiert werden muss. Das ist in vielen Unternehmen eine „Mehrgenerationen“-Aufgabe. Weiterhin ist ein gesonderter personeller und technologischer Invest in größtenteils unbekanntem Terrain notwendig.

Aus dem B2C-Bereich wissen wir, dass dies aber ein kritischer Faktor ist, in dem man sich gegenüber den generalistisch gestalteten Handelsplätzen nachhaltig behaupten kann. Die gute Nachricht ist, dass sich die Messbarkeit der Marketingeffektivität in digitalen Touchpoints dimensional verbessert und somit auch smarte Steuerung ermöglicht.

Trust

Vertrauen ist die Basis aller Geschäftsbeziehungen. Die Digitalisierung, welche neben der Potentialerweiterung ja auch oft mit gefühlter Anonymisierung einhergeht, potenziert das.

Vertrauen ist notwendig in:

  • die Lieferfähigkeit der Anbieter
  • den Umgang mit Daten und Geschäftsgeheimnissen auf beiden Seiten
  • die Liefer- und Zahlungsqualität auf beiden Seiten
  • die Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehung

Das ist vergleichbar mit B2C, allerdings sind die Einzel-Risiken im B2B signifikant größer.

Die große Herausforderung für digitales B2B ist jetzt, dass sich vertrauensbildende Signale und Standards erst nach und nach etablieren.  Das schlägt sich zum Einem in der Entstehung neuer rein-digitaler Marken nieder. Zeitgemäße digitale Präsenzen, moderne Kommunikationsmittel, aber auch schwer zu fälschendes Community-Feedback aus Social-Media-Kanälen für Leistungen oder als Arbeitgeber sind Hygiene-Faktoren, die digital Vertrauen vermitteln. Hierzu zählen durchaus auch transparente, professionelle digitale API-Schnittstellen mit Testmöglichkeit. In Zeiten, in denen sich komplexe Produkte, globale Services und börsennotierte Gesellschaften oft nur in einem One-Pager, einer Facebook-Seite oder einer App zeigen, sind verlässliche digitale Vertrauenssignale entscheidend für die Auswahl der geeigneten Geschäftspartner.

Zum Anderen gilt das auch in der Geschäftsabwicklung. Hier bedarf es moderner Mittel zur Absicherung der Transaktionen. Besonders in Märkten mit hohem Konfliktpotential braucht es:

  • sichere Identifikation (mit Persönlichem Video-Ident, Bonitätsauskunft, Mehrfaktor-Authentifizierung, Digitale Signaturen)
  • Transport- und Bereitstellungssicherung (Liefertracking, Digitale Siegel, Zugangsbeschränkungen)
  • Risikominimierende Treasuryprodukte (Treuhandkonto, Versicherungen)
  • Konfliktlösungsmechanismen (Fachgutachten, Mengenbewertungen, Qualitätsbewertungen)

Die Herausforderung besteht darin, diese professionell in die eigenen Prozesse zu integrieren und gleichzeitig die Praktikabilität in den einzelnen Touchpoints zu erhalten.

Service

Die digitale Transformation erschafft auch im B2B-Bereich neue Horizonte. Zwei Bereiche sind hier entscheidend und stellen die größte Herausforderung dar.

Zum Einen ist das der bereits bestehende Trend zu kombiniertem Produkt-Service-Geschäft, welcher bereits vorhanden war. Er wird durch die Digitalisierung aber noch einmal verstärkt. Hier bieten digitale Kommunikationsmittel Möglichkeiten zur Markterweiterung, da Serviceleistungen zunehmend von entfernten Orten erbracht werden können. Fernwartung, Video-Consulting, aber auch Informationsservices sind hier nur einige Möglichkeiten. Gleichzeitig können auch über (AI-)Chatbots Servicezeiten erweitert und Kosten reduziert werden. Für Unternehmen ist aber genau dieser Spagat zwischen algorithmischer Kostenoptimierung und persönlich-individualisierter Leistungserbringung oft ein schwieriger Trade-Off. Aus dem B2C-Bereich sehen wird eine klare Gegenbewegung, zurück zu (digital unterstützter) persönlicher Service-Erbringung im direkten Kundenkontakt.

Zum Anderen ermöglichen insbesondere digitale Sensorik und IoT-Clouds ganz neue Service-Geschäftsfelder. Schafft man es, die durch die Maschinen und Sensoren bereitgestellten Datenmengen in den Griff zu bekommen, lassen sich Dienstleistungen wie Betriebsmonitoring, Betriebsoptimierung – auch im Self-service, oder Predictive Maintenance anbieten. Dabei bekommt man sogar noch die echten Betriebsdaten um seine eigenen Produkte zu verbessern, oder die Ersatzteilproduktion zu steuern. Diese Services lassen sich sowohl direkt, als auch als Whitelabel-Backbone anbieten.

Dass diese Leistungen sinnvoll sind und Mehrwerte für Kunden und Hersteller bieten, ist klar. Die Herausforderung ist es diese IoT-Service-Clouds effizient einzuführen und zu betreiben. Aus dem B2C-Bereich sehen wir darüber hinaus ein Vertrauens-Dilemma der Kunden gegenüber Datenschutzverhalten von globalen Anbietern aus Übersee. Im B2B-Bereich scheint sich hier eine Nische für branchen-bezogene lokale Betreiber zu ergeben. Häufig gibt es bestehende und historische Geschäftsbeziehungen, die eine entscheidend besseres Vertrauensfundament bilden.

Kundenkontext

Die größte Herausforderung im B2B-Commerce wird die Konkurrenz global agierender Player, deren gehandelte oder abgeleitete Produkte mit günstigen Preisen und generell starker Logistik-Infrastruktur in den Markt drängen. Erfolgreichster Weg, sich hier zu behaupten, sind auf Branchen – noch besser auf Kunden – zugeschnittene Angebote und Serviceleistungen. Gerade im B2B-Bereich mit langfristigen Kundenbeziehungen und Abnahmevereinbarungen lassen sich attraktivere, direkt auf das Bedürfnis des Partners zugeschnittene, Angebote realisieren. Over-Night-Lieferungen zur Baustelle aus lokalen Lagern, Pay-per-use Vor-Ort Geräte-Depots, Emergency Reparaturen, Bestellungen im Twitterformat, anpassbare Vorbestellungen, kostenlose Presales Leistungen und Professional Service Support Teams – sind alles existierende Leistungen, welche aktuell im B2B dazu führen, dass sich Kunden nicht für die eindimensionalen Angebote der Generalisten entscheiden.

Entscheidende Voraussetzung für solche nicht kopierbaren Angebote ist es, seine Geschäftspartner und ihre Bedürfnisse zu kennen. Das führt zu einer Service-Qualität, bei der der Gegenüber aus dem bestehenden Kontext bestellen kann.

  • „Die gleiche Lieferung wie letzte Woche nach XY“
  • „Bitte einmal Kita-Standard aufplanen“
  • „Ich brauche das wie bei XY, aber mit S235JR Qualität“ 

Ausgetauschte Pläne, Abrechnungsbesonderheiten, Fehlplanungen, sinnlose Rückfragen, neues Werbematerial – das sind alles Themen die Zeit und Geld kosten. Hingegen sind – eingeräumte Rabatte, passende Zugaben, interessantes Infomaterial, Hinweise auf Fehlbestellungen, flexible Lieferanpassungen, bereitgestellte Projektierungsräume – Leistungen, die Kunden voran bringen. Der Kunden-Kontext ist das Entscheidende für diese WinWin-Leistungen und somit die Kundenbindung.

Die größte Herausforderung besteht darin diesen Kontext auch skalierend in digitale Vertriebs- und Kundenbeziehungen zu transferieren. Wichtigste Mittel dazu: Touchpoint­Tracking, Trendanalyse, Professional Support vom Fach, datengetriebene Wertschöpfungsketten und flexibel anpassbare Commerce-Infrastruktur.

Fazit

Die aktuellen Herausforderungen im B2B sind in vielen Facetten bekannt. Was sich verändert, ist das Einkäufer- und Kundenverhalten. Die Digital Natives übernehmen schrittweise das Ruder, führen Digitalisierung in ihren Wertschöpfungsketten gewinnbringend ein, und erwarten von Ihren Geschäftspartnern vergleichbare Professionalität. Dem gegenüber steht ein Heer an heilsbringenden Digital-Produkten, die viel versprechen und entsprechend Aufwand und Kosten erzeugen. Somit ist die wohl größte Herausforderung smarte Teams für smarte Entscheidungen zusammenzustellen und Partner zu finden, für die Fail-fast und Agiles Business Development nicht nur Buzzwords darstellen.

Über den Autor:

Robert Queck ist Head of Compentence Center eCommerce bei der adesso SE. Vor zwei Jahren erläuterte er bei Location Insider bereits, warum Unternehmen mit neuen digitalen Touchpoints experimentieren sollten.

Lesetipp

Dieser Beitrag ist eine Leseprobe aus dem neuen Whitepaper: B2B Commerce – Wie B2B-Firmen ihr Geschäft digitalisieren. Mit freundlicher Unterstützung von commercetools liefern wir darin auf 40 Seiten einen Deep Dive in die Herausforderungen des B2B Commerce.

Die Themen im Überblick: 

  • E-Commerce-Plattformen für B2B – ein Marktüberblick
  • B2B Commerce für Nachzügler: Perfektion vs. Geschwindigkeit
  • Interviews mit commercetools-Manager Bruno Teuber und Supply-Chain-Experte Max Meister
  • Expertenumfrage zu B2B Commerce heute und morgen
  • Case Study: Wie TROX im B2B Commerce erfolgreich ist

Gratis-Anforderung des Whitepapers „B2B Commerce“:

Das Whitepaper „B2B Commerce“ können Sie kostenlos bei commercetools anfordern!


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