Das war die EuroCIS 2018.

von Gastautor am 01.März 2018 in News, Trends & Analysen
EuroCIS 2018

Bereits zwei Stunden nach Eröffnung herrschte Enge in den Gängen der EuroCIS 2018.

Von Stephan Lamprecht

“Technology never sleeps” lautet das Motto der EuroCIS, die heute in Düsseldorf zu Ende geht. Zwei mit Technologie prall gefüllte Hallen warteten auf die Besucher. Bahnbrechende Innovationen blieben allerdings aus. Dafür gab es eine Menge Bekannter zu treffen.

Düsseldorf präsentierte sich von seiner schönen Seite. Die Sonne schien auf Fachbesucher und Aussteller herab. Diese positive Grundstimmung setzte sich auch in den Hallen fort. Zumindest bei den Branchengrößen, die sich nicht über zu wenige Besucher beschweren dürften. Man traf sich – und traf auch auf alte Bekannte. Zum Beispiel auf den niedlichen Roboter Pepper, der gleich eine Menge seiner Brüder mitbrachte. Gemeinsam schmachteten sie aus großen Kulleraugen die Besucher am Stand von Softbank an. Und mit Erfolg, denn Pepper und seine Familie waren stets von den Besuchern umringt. Hätten Roboter (bereits) Gefühle, wäre Tory wohl etwas eifersüchtig. Der rollte zwar auch durch die Gänge. Nur das Design des Inventurroboters erinnert ja doch eher an einen Hydranten. Die Optik macht’s eben. Zumindest bei Robotern auf Messen.

Omnichannel wird langsam zur Marketing-Hülse

Zu den alten Bekannten gehören ohne Zweifel Thermodrucker, die von Kunden und Ladenpersonal gleichermaßen unbeachtet ihre Dienste am POS verrichten. Und weil es gerade so schön “in” ist, müssen sich jetzt natürlich auch die Drucker die Etiketten “Omnichannel” und “Vernetzter Handel” aufkleben lassen. Die kleinen Geräte können jetzt in rasender Geschwindigkeit Bilder ausgeben. Donni Donner aber auch. Nur wie der Einsatz des Druckers den Händler auf dem Weg zum Omnichannel voranbringt, wird wohl nur die Marketing-Abteilung des Herstellers wissen.

Wettbewerbsanalyse und Preisbeobachtung? Klarer Fall, da muss auch Omnichannel drauf stehen. Schade, wenn sich die technologische Wunderlösung bereits auf den Powerpoint-Folien als Webcrawler entpuppt, der wunderbar Marktplätze, Suchmaschinen und Shops durchkämmt und die Daten auch aggregiert. Der Bereich POS umfasste allerdings nur zwei Bulletpoints, die sich dann auf Nachfrage als rein manuelle Prozesse herausstellen. Man arbeite hier mit Dienstleistern zusammen, die Regalfotos machen. Aha. Und so richtig Multi- oder gar Omnichannel auch nicht.

Und völlig im falschen Film dürfte sich der verunsicherte Handelsmanager wiederfinden, wenn ihm unter dem Schlagwort “Omichannel” dann Re-Factoring seiner IT-Software verkauft werden soll. Wenn die (veraltete) Warenwirtschaft oder Kassensoftware erfolgreich in Java konvertiert ist, darf sich der Händler als “Ready for Omnichannel” bezeichnen? Ach was nicht gar. Wieder was gelernt.

Content – die große unbeantwortete Frage im Hintergrund

Im Zeitalter des Omnichannel wollen die Kunden umfassende Produktinformationen auch am POS. Die Hersteller von ESL und digitalen Umkleidekabinen, Touchscreens und Projektionsflächen sind bereit dafür. Nur bitteschön, woher soll dafür der Content kommen? Die Anbieter verweisen den Händler hier gern an den Hersteller. Gleichzeitig räumen sie aber ein, dass die reinen Produktinformationen, die auch im ERP oder der PIM stehen, für die direkte Kundenkommunikation eher wenig geeignet sind .

Der Verkäufer am POS, der sein Tablet nach weiteren Produktvarianten befragt, wird damit umgehen können. Verkäuferisch sind die reinen Beschreibungen aber kaum. Und Lust darauf, den Artikel auszuprobieren, machen sie auch nicht. Also woher soll nun der Content für die Kunden auf den verschiedenen Devices kommen? Die Frage bleibt erst einmal ungelöst, vielleicht bis zur nächsten EuroCIS?

Retail Analytics – jetzt kommt die Detailarbeit

Zählen und messen – neben einer genauen Erfassung des Warenbestands immer noch die Herausforderung im Handel. Datenschützern und teilweise auch Kunden dürften sich die Nackenhaare sträuben, wenn sie einmal einen tieferen Einblick erhielten, was heute bereits möglich ist.

Die Firma Hikvision zeigte seine Kamera-Lösung, die Gesichter erkennen kann. Mithilfe von Deep Learning-Technologie lernt die Kamera, immer besser Geschlecht und Altersgruppe zu ermitteln. Die Doppelobjektiv-Kamera ist in der Lage, 30 unterschiedliche Gesichter zu erkennen. Und behält damit den Kunden auch im Blick. Das lässt sich einerseits natürlich zur Diebstahlabwehr oder dem Durchsetzen von Hausverboten nutzen. Aber eben genauso gut zur Analyse von Kundenströmen und Verweildauer. Wenig schmeichelhaft bleiben allerdings gelegentlich die Altersschätzungen, die Kameras und Spiegel so liefern. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Maschine Learning und auf Big Data basierende Analysen präsentieren dem Händler ein immer umfassenderes Bild der Kundschaft. Wenn es sich der Händler denn leisten kann.

Erfrischend anders ist die Lösung von Future-Shape. Die funktioniert ohne Kameras (womit sich die Altersschätzung erledigt hat), ermöglicht aber eine sehr präzise Visualisierung von Laufwegen und Besucherströmen. Denn der Kunde läuft über einen speziellen Sensorboden.

EuroCIS 2018

Am Thema „Self-Scanning“ und SCO konnte kein Besucher auf der EuroCIS vorbei.

IoT ist eine Schlüsseltechnologie, merkt bloß kaum jemand

Sie sind unscheinbar, die kleinen Geräte, die das Zeug dazu haben, den Handel und das Handelsmanagement grundlegend zu verändern. Die Branche fasst sie gern als Internet of Things zusammen, häufig ohne zu erkennen, dass etwa ESL so viel mehr können, als Preise und Produktinformationen anzuzeigen. Und damit diese wichtige Technologie (auch an dieser Stelle) nicht untergeht, widmet sich morgen ein eigener Beitrag diesem Thema. Darin geht es dann etwa um die Lösung von SES-imagotag, die mehr als beeindruckend ist. Und wer dabei nur an Dynamic Pricing denkt, erfasst nur eine Dimension.

Self-Checkout wollen alle Hersteller, aber auch die Kunden?

Die moderne Kasse von heute ist intelligent, eignet sich perfekt für den Omnichannel. Kassensysteme und Lösungen für den Self-Checkout waren eines der optisch dominantesten Themen auf der EuroCIS. Beeindruckend sind die Lösungen inzwischen schon. So verfügt die neueste Generation der NCR FastLane Self-Checkout über eine intelligente Bilderkennung, die Frischeprodukte wie Obst und Gemüse selbständig erkennt. Das intelligente System kann somit sogar Etikettenschwindel vorbeugen.

Die Kunden gewinnen beim Self-Checkout irgendwie den Eindruck, schneller einkaufen zu können. Faktisch dürfte das nicht so sein. Die große Frage lautet indes: Sollte der Handel tatsächlich das alles wollen, was hier in Sachen Self-Service, Self-Scanning und Self-Checkout bereits präsentiert wird? Würden die technologischen Wunderwelten, die von den Herstellern auf der Messe präsentiert werden, zum neuen Standard, dürfte die Frage beim Kunden schlicht lauten, wozu er eigentlich den Laden noch betritt? Wenn die Abholstationen für Click & Collect den Charme von Bankschließfächern haben, wieso dann eigentlich nicht gleich zu einer Packstation laufen? Denn vor lauter Selbermachen könnte der Kunde mit Fingertippen auf dem Tablet auf der heimischen Couch das gleiche Ergebnis erreichen. Der Handel ist gut beraten, genau aufzupassen, um sich am Ende nicht selbst abzuschaffen.

EuroCIS 2018

So einfach wie 1,2,3 ist Self-Checkout aus Sicht der Hersteller. Aber will der Handel tatschlich, dass der Kunde alles selbst macht?

Beacons? Was war das noch mal?

Keine Messe zu Retail-Tech ohne Beacons. Die haben aber deutlich von ihrem Glanz verloren. Die Branche hat sie anscheinend zur Kenntnis genommen und ausprobiert. Im Fokus stehen die kleinen Geräte aber nicht mehr. An den Ständen der wenigen Lösungsanbieter, die den Weg nach Düsseldorf gefunden hatten, gingen die meisten Besucher eilig vorbei. Hinter der Hand hieß es dazu stets, sie seien zu ungenau und letztlich auch kompliziert, weil der Kunde ja eben doch auch eine App brauche, um damit vernünftig erreicht zu werden. Vielleicht sind Beacons und Geofencing ja doch eher etwas, was vor dem Laden passierten sollte.

Dennoch, wer nicht in Düsseldorf war, hat etwas verpasst. Es gab angenehm wenig digitales Bling Bling zu sehen. Und wer es geschafft hat, den Buzzwords auszuweichen, fand auf der EuroCIS in diesem Jahr viele Lösungen mit hohem Nutzwert. Für den Händler und den Kunden.

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Die Konsumenten bleiben in Kauflaune. Gerade im Lebensmitteleinzelhandel und in der Nahversorgung gibt es weiterhin Zuwächse. Sie sind offenbar weniger krisenanfällig und überzeugen den Kunden mit immer neuen Konzepten. Beste Voraussetzungen für den Dialog zwischen Mieter und Vermieter beim Retailer Meeting 2018 am 7. und 8. Mai 2018 in Soest.


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