Omnichannel & Phygital Retail: Wie die Kanäle smart verbunden werden

von Florian Treiß am 08.August 2023 in Highlight, News, Trends & Analysen

Kanalübergreifender Service von dm: Abholung von Onlinebestellungen in der Filiale (© dm)

Online- und stationärer Handel sind keine Gegenspieler, sondern befruchten sich für ein besseres Kundenerlebnis gegenseitig – davon sind heute die meisten Retailer überzeugt. Denn für Käufer*innen ist der Kanal zunehmend unwichtig. Entsprechend lohnt eine kundenzentrierte Sichtweise: „Kunde/Kundin statt Kanal“. Denn in einer modernen Omnichannel-Welt sind die verschiedenen ­Kanäle smart miteinander verbunden und beeinflussen untereinander Kaufentscheidungen.

Entsprechend bieten heute fast alle größeren Handelsketten nicht mehr nur den Einkauf in stationären Läden an, sondern auch per Webshop und Smartphone-App. Weitere verbreitete Touchpoints der Customer Journey sind zum Beispiel Social-Media-Plattformen wie Instagram, Pinterest oder TikTok, auf denen Retailer und Marken mit inspirierenden Bildern und Videos Einkäufe auslösen können.

Doch was versteht man eigentlich unter Omnichannel? Ziel einer Omnichannel-Strategie ist es, dass der Verbraucher auf allen Kanälen einheitliche Informationen zu Produkten und Preisen findet. Beim Omnichannelansatz werden letztlich alle Offline- und Online-Kanäle miteinander verknüpft mit dem Ziel, ein einheitliches Kundenerlebnis zu schaffen und eine effektive Kundenansprache zu erreichen.

Ganz wichtig: Händler sollten realisieren, dass sich Kund*innen nicht in einen bestimmten Kanal lenken lassen wollen. Sie wollen vielmehr selbst bestimmen, wo sie sich informieren und wo sie kaufen – und erwarten von Händlern Kundenzentrierung auf allen Kanälen. Dabei halten die meisten Kund*innen im Kaufprozess kanalübergreifend die gleichen Kriterien für besonders relevant: Top-Prioritäten dabei sind eine gute Suchfunktion sowie die einfache Auffindbarkeit von Produkten, günstige Preise und gute Angebote, so die Google Omnichannel Future Study (GOFS). Das heißt für Retailer: Sie sollten das Ladengeschäft genauso stärken wie den E-Commerce. Und überall dort präsent sein, wo ihre Kunden einkaufen möchten. Denn welcher Kanal genutzt wird, das entscheiden die Kunden situativ und individuell – und überhaupt entspricht die „Kanal-Denke“ wohl eher der „Management-Brille“ als der Kundensicht.

„Der Handel muss die Kundinnen und Kunden dort abholen, wo sie sind – also online genauso wie im realen Leben. In der Verknüpfung beider Welten liegt der Schlüssel zum Erfolg. Entsprechende Lösungen können beispielsweise Kunden-Apps oder Displays im stationären Einzelhandel sein. Im Onlinebereich werden soziale Medien für den Handel weiter an Bedeutung gewinnen“, sagt Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), zu der Google-Studie. 

Beispiele für Omnichannel-Services

Es gibt zahlreiche Omnichannel-Services, mit denen Händler die Kanäle verknüpfen können und die von Kunden zunehmend gewünscht und genutzt werden. Zu den wichtigsten Beispielen zählen:

Online-Anzeige der Artikelverfügbarkeit im Ladengeschäft: Viele Kund*innen möchten gern bestimmte Produkte im stationären Handel kaufen, vorab aber wissen, ob es das Produkt überhaupt im entsprechenden Laden gibt und ob sich der Weg dorthin lohnt. Eine Verfügbarkeitsanzeige im Onlineauftritt des Händlers und ggf. auch in Aggregatoren wie Google Shopping ist daher absolut sinnvoll. Gerade für größere Geschäfte bietet es sich zudem an, bei einer Online-Verfügbarkeitsanzeige auch gleich noch den Artikelstandort zu nennen, wie es beispielsweise Ikea und Decathlon tun.

Click and Collect, auch BOPIS (buy online, pick up in-store) genannt: Dieser Service ermöglicht es Kunden, online zu bestellen und ihre Produkte dann in einem stationären Geschäft abzuholen. Soweit bei Click-and-Collect auf den Filialbestand zugegriffen wird, kann dies auch genutzt werden, um einen Express-Abholservice von Bestellungen innerhalb weniger Stunden im Laden anzubieten. Händler erhoffen sich von Click and Collect zudem Cross-Selling-Potenziale, wenn Kunden dann beim Ladenbesuch noch etwas Zusätzliches kaufen.

Rückgabe von Online-Bestellungen im Geschäft: Kund*innen können Produkte, die sie online bestellt haben, im stationären Geschäft zurückgeben – und suchen sich im besten Fall vor Ort etwas Anderes aus.

Endless Aisle bzw. Order from Store: Hierbei können Kund*innen im stationären Handel nicht vorrätige Produkte zu sich nach Hause bestellen. Solche Bestellungen erfolgen dann z. B. über die Mobilgeräte des Personals oder auch als Self-Service über digitale Kiosk-Systeme. Das Verfahren bietet sich zum Beispiel im Mode- und Schuhhandel an, um nicht mehr in der Filiale vorrätige Farben und Größen verfügbar zu machen, oder auch bei besonders großen Produkten, die schlecht in der Filiale gelagert werden können.

Ship from Store: Händler nutzen hierbei ihr vorhandenes Filialnetzwerk, um Online-Bestellungen zu verschicken. So kann der Warenbestand aller Standorte online zugänglich gemacht und der Abverkauf verbessert werden. Im Idealfall können auch Lieferzeiten verkürzt und Same-Day-Delivery angeboten werden, wenn das Produkt in derselben Stadt vorhanden ist, aus der der Kunde bestellt hat.

Mobile App: Eine mobile App kann Kund*innen eine nahtlose Einkaufserfahrung bieten und sie über Angebote und Aktionen im stationären Handel auf dem Laufenden halten. Über solche Apps können zum Beispiel auch Coupons bereitgestellt und Loyalty-Programme angeboten werden. Kundenkarten per App funktionieren beispielsweise ausgezeichnet. Auch eignen sich Apps hervorragend für personalisierte Angebote: Einige Unternehmen nutzen Datenanalyse-Tools, um personalisierte Angebote für Konsument*innen zu erstellen, basierend auf deren Kaufhistorie und Vorlieben.

Dies sind nur einige Beispiele für Omnichannel-Services, die bei Kund*innen beliebt sind. Es ist wichtig für Unternehmen, die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kund*innen zu verstehen und Omnichannel-Services zu entwickeln, die diese Bedürfnisse erfüllen.

Händler sollten dabei nicht aus den Augen verlieren, dass es manchmal schon ganz einfache Basics sein können, die Konsument*innen auch ohne „Kanalwechsel“ begeistern können. So erwarten potentielle Käufer*innen zunehmend, dass sie Produkte zu denselben Preisen sowohl online über einen Webshop des Händlers zur Lieferung nach Hause bestellen können als auch direkt in einer Filiale kaufen und mitnehmen können. Auch so etwas vermeintlich Einfaches kann die Kundenzufriedenheit steigern – denn umgekehrt sorgt es bei Konsument*innen für Frustration, wenn sie feststellen, dass das gewünschte Produkt nicht online verfügbar ist und sie stattdessen in den Laden gehen müssen. Ähnliches gilt für Rabattaktionen, die nur für einen der Kanäle verfügbar sind und nicht überall. Auch hier wollen Kund*innen nicht gedrängt werden, zwingend einen bestimmten Kanal zu nutzen. Denn das ist auch der Grundtenor der Google Omnichannel Future Study: Käufer*innen wollen ihre Customer Journey selbst bestimmen und jederzeit autonom zwischen stationären und digitalen Kanälen wechseln können.

Wichtig für Händler ist also: Sie sollten ihren Kund*innen über alle Touchpoints hinweg ein konsistentes Erlebnis ermöglichen, das den Wiedererkennungswert und die Bindung an die Marke erhöht. Um solche Omnichannel-Erfahrungen zu kreieren, sollten Händler auf moderne Plattformen wie commercetools setzen: Dank seiner MACH-Architektur können an commercetools beliebig viele und in Zukunft auch weitere Touchpoints angebunden werden – eine Lösung, die wie geschaffen ist für Omnichannel-Commerce. 

Phygital Retail

Neben Omnichannel macht auch der Begriff Phygital Retail immer mehr die Runde. Phygital ist ein Kofferwort, das sich aus Physical und Digital zusammensetzt. Auch wenn die Grenzen fließend sind: Dabei geht es letztlich darum, das stationäre Geschäft mit der digitalen Welt zu verknüpfen. Das können zum Beispiel QR-Codes an den Regalen sein, über die die Kunden auf ihren Smartphones weitere Informationen zu den Produkten abrufen können. Mit digitalen Spiegeln wiederum können Kunden dank Augmented Reality Produkte virtuell am eigenen Körper anprobieren. Und die digitale Vermessung des Körpers kann helfen, die perfekte Passform zu finden.

Aber auch mobiles Selfscanning oder Self-Checkout-Kassen verknüpfen stationäre Läden mit digitaler Technologie. So können Kund*innen selbstbestimmter einkaufen, beispielsweise indem sie, wenn sie diese Technologien nutzen, lange Warteschlangen an den regulären Kassen umgehen. Zu diesem Trend passen natürlich auch autonome Stores, die es mittels Technologie ermöglichen, ohne bewussten Kassenvorgang einzukaufen – die Abrechnung erfolgt im Hintergrund automatisch.

Self-Checkout bei Rewe (© Rewe)

Reine Onlinehändler können zudem darüber nachdenken, mit Pop-Up-Stores einen ersten Ausflug in den stationären Handel zu wagen. So können sie ihre Kunden persönlich kennenlernen und die Kunden die Produkte des jeweiligen Händlers. „Phygital“ wird ein solcher Pop-Up-Store zum Beispiel dann, wenn ein iPad im Pop-Up-Store ausgelegt wird, auf dem Interessierte das gesamte Sortiment durchsehen, Kundenbewertungen lesen und zusätzliche Produktdetails online nachschlagen können. 

Vorteile für Kunden und Händler

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der Omnichannel-Handel eine Reihe von Vorteilen bietet, darunter:

  1. Eine nahtlose Kundenerfahrung, die den nahtlosen Wechsel zwischen Online- und ­Offline-Kanälen ermöglicht, um Produkte dort zu kaufen, zu recherchieren und zu vergleichen, wo Kund*innen möchten. Eine solche einheitliche Kundenerfahrung über alle Kanäle hinweg kann die Kundenzufriedenheit und somit auch die Kundenbindung steigern.
  2. Höhere Umsätze für Händler: Eine bessere Kundenerfahrung und höhere Kundenbindung können zu höheren Umsätzen führen, insbesondere wenn Konsument*innen dazu ermutigt werden, mehrere Kanäle zu nutzen, um Produkte zu kaufen.
  3. Erweiterung des Kundenstamms: Durch den Omnichannel-Handel können Unternehmen auch Kund*innen erreichen, die bevorzugt online einkaufen, sowie diejenigen, die nicht im Einzugsgebiet einer stationären Filiale wohnen. So hat es beispielsweise der Modehändler Breuninger trotz seiner nur 13 Filialen dank seiner Omnichannel-Strategie zu bundesweiter Bekanntschaft geschafft.

Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, sollten Händler also auf ein ausgefeiltes Omnichannel-Konzept setzen und die Kund*innen dort abholen, wo sie sind – ob online oder offline.

Whitepaper

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Whitepaper „Retail Trends 2023: Wie Künstliche Intelligenz, Social Commerce & Co den Handel verändern“. Wir zeigen darin mit freundlicher Unterstützung von commercetools, der weltweit führenden Plattform für digitalen Handel, wie vielseitig die aktuellen Entwicklungen bei Technologie und Konsumverhalten sind. Dabei geht es u.a. um Live Shopping, virtuelle Anproben, Omnichannel-Handel und Phygital Retail. Wichtig jetzt und in Zukunft: Händler und Marken sollten Kunden dort abholen, wo sie shoppen wollen – und das sind zunehmend moderne Touchpoints wie Social Media, Chatbots, Sprachassistenten oder virtuelle Welten.

Die Themen des Whitepapers im Überblick:

  • Wie sich Shopping in den nächsten Jahren verändert: die aktuellen Retail-Trends
  • „Fight, fly or freeze“: Umfrage zu aktuellen Retail-Trends
  • Interview mit commercetools-CEO Dirk Hoerig
  • Die Modernisierung der digitalen Plattform von Treedom: eine Erfolgsgeschichte
  • Personalisierte Einkaufserlebnisse, virtuelle Anproben, Social Commerce und Live Shopping
  • Wie der Handel mit künstlicher Intelligenz seine Prozesse und das Kundenerlebnis verbessert
  • Metaverse: Neues Potenzial für den Digital Commerce

Gratis-Download des Whitepapers:

Unser Whitepaper „Retail Trends 2023“ können Sie hier gratis anfordern!


Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter von Location Insider. Wir liefern darin täglich gegen 11 Uhr business-relevante Hintergründe zur Digitalisierung des Handels.

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbestimmungen.

Artikel teilen